Es ist manchmal so schwer, sich zu trauen. Dabei ist es nahezu wurscht, welchen Bereich ich betrachte. Klar, es gibt Situationen, in denen es mir einerlei ist, mich zum Deppen zu machen. Aber mit dem Alter kommt bei mir schon noch häufig die leise Stimme im Hinterkopf, die mir sagt: „Lass´ das mal lieber! Du machst Dich ja lächerlich. Wenn andere das sehen, die lachen Dich ja aus!“ Und das gönne ich natürlich keinem. Selbstverständlich mache ich auch Lacher auf meine Kosten, aber die sind wohl dosiert und auch durchdacht. So richtig peinlich dumm möchte ich mich nicht aufführen – und tu es komischerweise wohl doch immer wieder.
Bei allem, was ich tu, denke ich nach, wäge das Für und Wider ab und versage mir manches. Ich spiele gern „worst case“. Meist ist die Realität gnädiger, aber ich will immer gewappnet sein und Kontrolle haben. Dabei hat man den meisten Spaß, wenn man diese mal in den Wind schießt. Es gibt das Sprichwort, dass man am Ende des Lebens das am meisten bereut, was man nicht getan oder gesagt hat. Und diesen Hinweis gebe ich allen. Damit bin ich großzügig. Da habe ich ja auch nichts zu verlieren. In manchen Belangen bin ich schon besser geworden, traue mich Sachen, die noch vor zwei bis drei Jahren zu den absoluten „geht gar nicht!“-Feldern gehörten. Aber manch ein Muster ist eben sehr tief eingebrannt. Völlig verrückt, ich weiß. Ich sage ja immer: In meinem Kopf will keiner zu Besuch sein. Da ist ganz schön viel Chaos los.
Und manchmal überwinde ich mich dann ganz plötzlich, weil ich es nicht mehr aushalte zu schweigen. Weil alles in mir aufbegehrt und schreit, da es raus will. Einmal draußen – siehe da – ist es gar nicht so wild, wie in meinem worst case. Es reinigt, beruhigt und macht viele Missverständnisse so platt wie nur irgend möglich. Keine Ahnung, wieso ich immer wieder an diese Punkte komme? Und jedes Mal denke ich: „Mein Jott noch, watt war denn nu so schlimm dran? Wird ja überall nur mit Wasser gekocht!“ Um dieses Wissen reicher, weiß ich, dass ich beim nächsten Mal wohl wieder um den Pudding herumschleiche. Denn Aussitzen ist ja auch eine Methode. Die funktioniert bei mir zwar nie, aber das heißt ja nicht, dass ich sie nicht regelmäßig wieder bemühen könnte. Das kann man ganz spielend immer und immer wieder probieren…und scheitern, aber hey, zumindest da besitze ich Geduld. Davon habe ich ja sonst nie welche.
Was ist es, das es uns so schwer macht, Dinge auf den Tisch zu packen? Wieso gehen wir – ja, wir…ich kenne einige, die das so machen, und meine nicht meine zahlreichen eigenen Persönlichkeiten – entscheidende Angelegenheiten nicht konkret an? Ich habe letztens eine Frau kennengelernt, die seit zwei Jahren auf innerlich gepackten Koffern sitzt. Sie will ihren Mann verlassen. Es ist auch alles geklärt. Sie weiß, wo sie wohnen kann, arbeitet und ist auch sonst autark. Allein…sie tut es nicht. Dabei steht die Entscheidung fest. Was macht sie stattdessen? Sie hofft. Sie hofft nicht etwa, dass ihr Mann sich ändert. Der Drops ist in alle Richtungen längst gelutscht. Nein, sie wartet darauf, dass er einen Streit vom Zaun bricht. Denn dann hätte sie ihre Grundlage, ihm die Brocken hinzuwerfen. Dann müsste sie auch nicht mehr so viel erklären. Dass sie ihn einfach nicht mehr liebt, reicht nicht aus. Und so wartet und wartet sie…und der Sausack, der unwissende, ist einfach nur nett. So ein Arsch, oder? Ist einfach nett, freundlich und bietet so gar keine Angriffsfläche. Ehrlich, diesen Typen muss man ja hassen! Mal ernsthaft, der merkt doch – wenn auch nur unbewusst – dass was im Busch ist. Und genau deshalb hat er diese Teflonbeschichtung angeschnallt. Jede Provokation, jedes Reizen lässt er abperlen. Da kann die Gute sich noch so viel Mühe geben. Oooooh ja, ich höre sie schon, diejenigen, die gerade verständnislos den Kopf schütteln und sagen: „Warum geht die denn nicht, wenn sie ihn nicht mehr liebt? Das ist ja auch unfair ihm gegenüber!“ Ist es tatsächlich so leicht? Ich weiß nicht, was sie letztlich noch braucht, um wirklich gehen und loslassen zu können. Ich weiß nur: Ich will nicht mit ihr tauschen. Es macht genug Mühe, meine Herausforderungen anzupacken. Wenn ich es dann getan habe, macht es mir Mühe, mich selbst zu verstehen. „Warum habe ich das nicht schon eher getan?“, schießt dann immer durch meinen Kopf. Eben: WEIL. Wenn es immer so leicht wäre, hieße es wohl nicht „Leben“.
Es sind noch manche Hürden zu nehmen und Unstimmigkeiten auszumerzen. Solange ich drüber nachdenke – so tröste ich mich jedenfalls – ist es mir ja bewusst. Dann ist zumindest etwas in Bewegung. Nebenher kann ich dann ja mal üben, mich bewusst zum Deppen zu machen. Für mich ist das eine ganz schöne Überwindung. Aber zumindest bringe ich dabei andere Leute zum Lachen. Irgendeinen Nutzen muss mein Dasein ja haben.
Es machen sich so viele Menschen täglich zum Deppen. Im Weißen Haus, im Bundeskanzleramt… Ich fühle mich in der Gesellschaft auch ganz wohl.
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