Meine nette Kollegin hat eine neue Liebe gefunden, was ihr deutlich leichter fällt als mir. Ich bewundere so was bei anderen, wenn sie sich mit ausgestreckten Armen und vertrauensvoll ins nächste Abenteuer stürzen können und im Brustton der Überzeugung sagen, dass es das jetzt auf jeden Fall ist. Das ist ER! Nach zwei Wochen. Schön, wenn manche das so können… Ich bin da wohl zu rational. Aber es gibt natürlich auch im Paradies Wolken… oder eher Wölkchen. Die schildert sie mir dann auch. Beim Satz: „Du tust Pipi im Stehen machen!“, zerreißt es mich dann aber völlig. „Ja, ich weiß. Ich hab‘ wieder ‚tu‘ gesagt, aber er ist Italiener. Der kann Grammatik noch weniger wie ich.“ Als, aber das tut beim „tun“ auch nix mehr dazu. Herrlich! Ich stell‘ mir vor, wie dieser verliebte Vollblut-Italiener bedröppelt vor ihr sitzt und sich die Pipi-tu-Predigt anhört. Unbezahlbar, oder?
Oh man, what a day! Es geht rauf und runter. Ich kann nicht schwanger sein (und bin es auch definitiv nicht!!!), aber so stelle ich mir das vor mit den Wechselbädern der Gefühle.
Aber von vorne: Die Besprechung bringe ich mit breitem Grinsen hinter mich. Heinz schaltet sich mit Bild zu. Ich mieses Miststück kann es mir nicht verkneifen und frage: „Naaaaa… da ist aber einer froh, dass er jetzt weiß, wie das mit dem Video funktioniert, hm?“ Und wider Erwarten sagt er dann – vor allen: „Ja, ich habe mich schon vor allen möglichen Leuten geoutet, dass ich zu dumm war, den Schieber zu betätigen und mir eine Kollegin das zeigen musste. Also danke noch mal, liebe Kollegin!“ Hä? Da bin ich aber platt. Manchmal überrascht er einen – bevor er dann aber auch sofort wieder dämliche Kolben raushaut.
Inhaltlich ist die Besprechung allerdings wieder mal mehr als mau. Danach folgen diverse Telefonate. Hier ist dann auch spannend, dass andere Abteilungen bitte, bitte, bitte nicht Heinz als Coach wollen. Es wird arbeitsreich bei mir werden – wenn es denn überhaupt wieder richtig was wird…
Eine Mail erreicht uns nämlich, die Horrorszenarien abbildet. Ein Betriebsratsmitglied leitet sie an uns weiter, was ich unverantwortlich finde. Dabei wird mit Zahlen rumgeschmissen, die gruselig wirken… wie viele Stellen da in der Luftfahrt abgebaut werden sollen! Wie kann ich das der Belegschaft schicken?! Und deswegen rufe ich auch meinen Betriebsrats-Spezl an, dem ich auf die Mailbox quassel, dass so etwas nicht gehe. Er ruft auch zurück und nach kurzem Rumgeflachse, wird er ernst. Jo, das wäre leider keine Schwarzmalerei. Es sehe in der Tat sehr, seeehr düster aus. Sie spielen auch schon Kündigungsszenarien durch. Puh. Das sitzt. Klar, habe ich damit gerechnet, aber trotzdem klingt es hart. Es dauert noch, das Ausmaß kann noch gar nicht bemessen werden. Aber es wird realer. Und so sinkt mein Optimismus gerade ins Bodenlose.
Danach telefoniere ich mit dem Chef des Nachbarteams, dem ich zum Weggang der doofen Kuh aus seinem Team gratuliere und ihn frage, wie es ihm gehe. „Ich weiß, das darf man gerade nicht sagen: Aber es geht mir echt richtig gut. Ist das zu fassen?! Trotz Corona!“ Ja, es ist zu fassen. Und es freut mich. Da sieht man wieder, wie kräftezehrend solche Energievampire sind. Wir reden über Führungsaufgaben, ich schildere ihm meine Sicht, was ich machen würde in so einer Zeit. Er bedankt sich für die Anregungen. Hallo? Das hat er nicht nötig und meint es doch aufrichtig. Und dann ergänzt er: „Weißt Du, um Dich mache ich mir keine Sorgen. Die wissen Dich hier zu schätzen… und mit Deinen Fähigkeiten bist Du überall eine Bereicherung. Ich danke Dir für ein weiteres, tolles Gespräch!“ Ääääh… Er ist als halber Autist verschrien, der zwischenmenschlich große Herausforderungen hat. Und dann so was. Das berührt mich echt… und rückt meine Welt wieder gerader.
Diese Tage durchlaufen Aufs und Abs. Wir werden kräftig durchgerüttelt und müssen zusehen, mit halbwegs heiler Haut herauszukommen. Ich werde mir Mühe geben… Ihr Euch auch?
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