Gestern konnte ich noch einen Streit durch die offene Balkontür hören. Irgendwer hat wohl auf dem Balkon gegrillt. Ich hörte nur ein gereiztes: „Hallo???? Haaaaaallooooooooo?!“ Und dann ging es auch schon los. Grillen sei verboten. Ja, aber nee. Doch. Nee. Stünde so in der Hausordnung. Und schwuppdiwuppdi kam eine neue Stimme hinzu: „Ah gä, dann ruf’ns doch die Polizei!“ „Na, da brauch ma net die Polizei dafür. Des steht do herinnen.“ „Grad Sie müssen’s Maul aufreiß’n, gä?!“ Es wurde ein zehnminütiges Geplärre, das sich gewaschen hatte. Ich überlege, ob ich rausgehen und deeskalieren soll? Doch ich entscheide mich dagegen. Es gibt Menschen, die wollen sich aufregen und stänkern. Ob die zwischendurch auch mal Spaß am Leben haben? Ich schätze nicht. Verstehen kann ich so was überhaupt nicht.

Heute steht ein spontaner Kaffeeklatsch auf dem Programm. Wir sind fünf Frauen – ohne Umarmung oder dergleichen. Wir hocken auf der Terrasse und machen das, was wir Frauen mögen: Kaffee trinken, Kuchen mampfen und ratschen. Es ist schön, so einen Weiberkaffeeklatsch nach so langer Zeit zu machen.

Interessanterweise kommen wir auf diesen 15-minütigen Beitrag „Männerwelten“ von Joko und Klaas zu reden. Eine der anwesenden Frauen ist da ganz klar. Sie könne das nicht verstehen, wie manche Männer seien. Aber sie könne auch nicht verstehen, wie wenig manche Frauen sich wehren würden. Ich mag sie, aber diese Aussage finde ich heftig. Sie schiebt hinterher, dass es das Verhalten der Männer nicht entschuldigen würde. Aber in der Me-Too-Debatte sei sie erstaunt gewesen, wie lange die Frauen es hingenommen hätten. Sie hätten sich erst Jahre später zu Wort gemeldet. Dabei hätten sie ja auch was anderes arbeiten können. Ich kann diese Haltung nicht nachvollziehen. So einfach ist es nicht. Aber sie ist verdammt klar.

Und dann kommen wir, glaube ich, auch zum Teil an die Ursache ihrer Haltung heran. Sie erzählt, ihr Onkel sei Polizist gewesen und hätte ihnen als Kinder schon gezeigt, wie man sich effektiv zur Wehr setzen könne. Ihre Eltern waren absolut gleichberechtigt. Selbst bei den Großeltern sei das die Grundvoraussetzung gewesen. Dabei ist sie 15 Jahre älter als ich. Und bei mir galt und gilt dies bis heute nicht. Jungs sind per se mehr wert als Mädels. Jungs wird vieles nachgesehen. Und auch heute verdienen Männer im Job durchschnittlich mehr als Frauen. Aber bei ihnen wird nie spekuliert, ob sie sich in ihre Position hochgeschlafen haben. Komisch, oder? Und nein, ich bin immer noch keine Emanze und habe dies auch nicht zum Ziel.

Und dann erzählt eine andere der Frauen, die ich nicht so gut kenne. Ich habe mich allerdings schon häufiger gewundert, wie burschikos sie aussieht. Ich mag sie sehr. Doch ihr komplettes Erscheinungsbild ist männlich: Klamotten, Frisur, einfach alles. Sie hält gegen die Meinung, dass man sich als Frau immer wehren könne. Bei ihnen Zuhause galt auch noch das alte Mann-Frau-Bild. Sie erinnert sich, wie ihr Alkoholikervater einmal schon ziemlich voll mit seinen Saufkumpanen am Küchentisch gesessen hätte. Einer der Herren hätte dann ihre Mutter angetatscht, die lautstark bekundet hat, dass er dies gefälligst zu lassen hätte. Ihr eigener Mann hätte dann rumgeschnauzt, sie solle sich nicht so anstellen. In der Regel hätte ihre Mutter immer die Fassade nach außen wahren wollen. Doch in diesem Moment hatte sie gerade frisch aufgebrühten Kaffee in eine Porzellankanne gefüllt, die sie in einer fließenden Bewegung auf dem Kopf ihres Mannes zerschlagen hätte. Alle anderen Männer seien daraufhin zur Türe hinausgerannt. Ihr Vater hätte laut geschrien, seine Frau würde ihn umbringen. Da steht dieses sechsjährige Kind und muss das alles miterleben!

Was soll man darauf sagen? Sie lacht bitter auf und sagt: „Wir hatten erst ein schönes Leben, als er sich endlich totgesoffen hatte.“ Ist das nicht schrecklich? Und keiner hilft. Die Stadt ist anonym, keine Frage. Auf den Dörfern weiß man hingegen, wer die Grabscher sind. Ich kenne sie aus meinem Heimatdorf. Und die Ladies hier können die Kerle aus ihrem Ort aufzählen. Sie sind bekannt, aber keiner sagt was oder tut was. Wie kann das sein? Ich verstehe es nicht. Ich höre Geschichten, wo sich Kerle darüber schlapp lachen, wenn sich eine unwissende Frau neben so einen Kerl setzt. Was ist daran lustig? Ich kapiere es nicht.

Ich will das Thema nicht überstrapazieren. Aber ich hoffe, dass sich das Bewusstsein ändert. Frauen sind keine Objekte. Und Sex ist keine Ware. Und: Spaß hat seine Grenzen.

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