Heute wollte ich aufs Trampolin. Man merke: Ich habe den Konjunktiv verwendet. Ein anderer Plan war ein Spaziergang in die Innenstadt. Ist auch nichts draus geworden. Stattdessen habe ich gute Telefonate geführt – und jedes einzelne war mir wertvoller als jegliche Bewegung… auch wenn diese natürlich wichtig ist.
Und dann steht endlich mein Friseurbesuch an. Gut, es ist nicht überlebenswichtig, aber jede Frau wird mich verstehen, wenn ich sage: Mir war so fad mit dem Haar. Meine heutige Friseurin ist cool. Die Mädels tun mir echt leid mit der ständigen Maskenpflicht. Ja, ist notwendig, das zweifel ich auch gar nicht an. Aber es ist echt ein Elend. Ich finde es auch schwierig, das Gesicht der Kundin nicht wirklich zu sehen. Männer sagen meist, sie wollen oben auf dem Kopf soundsoviel Millimeter und an den Seiten kürzer. Aber wir Frauen??? Ich gehöre nicht zu der Fraktion, die beim Friseur panisch flüstert: „Aber nur die Spitzen!“ Für eine richtige Frisur braucht man doch das komplette Gesicht! Is aber nicht. Mei, da hilft auch alles Jammern nicht.
Die gute Fee fragt, ob ich denn auch Kinder hätte? Meine Standardantwort: „Leider nicht“ wird mit einer Standardantwort quittiert: „Kann ja noch werden.“ Ich meine, sie sieht meinen grau-weißen Ansatz, die Falten auf der Stirn und um die Augen, denn da sitzt die Maske nun mal nicht. Allein daran könnte man also ablesen, dass ich diesbezüglich den Zenit überschritten habe.
Aber gut, ich frage sie nach ihren Kindern. Sie hat ganze… ein Mädchen. 11 Jahre. Oh je, ich ahne das Drama. Und die Kleine sei soooo faul. Das Schlimmste: Sie würde die Schule kein bisschen vermissen – nur die Freunde. Klingt ganz nach mir in dem Alter. Ich beruhige sie und kläre sie auf, dass das auch nur bis ca. 30 anhalten würde mit dem pubertären Verhalten und „Freunde sind wichtiger, ich chill‘ lieber mal“-Modus. Sie seufzt resigniert. Ich frage also weiter: „Waren Sie anders in dem Alter?“ Ihre Eltern kamen aus der Türkei und konnten kein Deutsch. Sie sei zwar hier geboren, aber hätte eben keinerlei Unterstützung ihrer Eltern in Anspruch nehmen können, wenn sie in der Schule nicht weiterkam. Ihre Tochter würde immer meckern, sie könne ihrer Mutter nichts recht machen (der Klassiker). Dabei erkläre sie ihr dann immer, ihre Tochter würde ja nicht für sie lernen, sondern für sich selbst und die Zukunft (noch ein Klassiker). Da ich ja hartnäckig bin, frage ich erneut: „Aber noch mal: Waren Sie anders? In dem Alter? Haben Sie gewusst, wofür Sie lernen?“ Sie seufzt wieder: „Nein, aber kann man trotzdem nicht so lassen.“
Ja, ich erinnere mich da an ähnliche Gespräche mit meiner Mutter. Sie hat immer geputzt, wobei wir sie in einer Arztpraxis hin und wieder unterstützt haben. Als ich mal wieder eine meiner Vierer-Läufe hatte (hey, vier sagt es doch so schön: ausreichend. Tut es doch!), meinte meine Mutter mal wieder beim Einkaufen, darüber diskutieren zu müssen: „Kind, Du musst lernen! Ich hätte so gerne gelernt, durfte aber nicht. Wenn Du nicht lernst, was wird dann aus Dir? Willst Du – wie Deine Mutter – putzen gehen? Oder hier an der Kasse sitzen müssen?“ Pädagogisch Null wertvoll und außerdem sehr entwertend sich selbst und anderen Putzfrauen und Kassiererinnen gegenüber. Daran hab ich damals nicht gedacht. Aber ich hatte Pubertät – ganz akut sogar. Also hab ich geantwortet: „Nö. Dann geh ich eben anschaffen.“ Ja, natürlich ist meiner erzkatholischen Mutter das Gesicht auseinandergefallen. Und nein, ich wollte auch nie Prostituierte werden. Aber ich brauchte ein schlagkräftiges Gegenargument. Und das war eindeutig eins.
Apropos Prostitution: Meine böse Oma hat mir mit 24 Jahren gesagt, als ich mich habe tätowieren lassen: „Das machen nur Knastis oder Prostituierte.“ Auf welchen Erfahrungsschatz sie damals zurückgreifen konnte, weiß ich nicht. Ich hab jedenfalls nur mit den Schultern gezuckt und trocken kommentiert: „Dann wissen wir ja zumindest schon mal, welche Richtung meine Karriere nehmen wird.“ Sie war entsprechend not amused. Ich fand’s nen Knaller.
Und so sage ich der Friseurin, ihre Tochter würde schon ihren Weg gehen. Wir waren früher auch nicht besser oder schlechter. Aber klar, als Nicht-Mutti habe ich leicht reden. Ich wünsche nur allen Familien, dass die Kinder bald alle in die Kitas und Schulen zurück können. Und den Kindern? Denen wünsche ich, dass sie unbekümmert bleiben. Und Euch? Einen schönen Feiertag für morgen!
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