Himmlisch…ich wache um 5:13 Uhr auf und höre es: Es regnet. Ich habe keine Ahnung, warum mir dieses Geräusch schon immer so gefällt. Manche Leute macht es ja sogar depressiv, aber ich mag es einfach. Meine Wohnung liegt in der Nähe eines Baches – Fluss kann man es nicht nennen, aber ein wirklich kleiner Bach ist es auch nicht. Daher höre ich bei offenem Fenster immer schon das leise Rauschen eben dieses Bachs, was ich als beruhigend empfinde. Ich seufze zufrieden auf und drehe mich noch einmal im Bett um. Ja, ich gehöre zu den gesegneten Menschen, die das können und tatsächlich noch mal einschlafen.
Nach dem Frühstück, mache ich mich fertig für meinen Massagetermin. Den Schmuck ziehe ich vorsorglich schon aus, weil das Zeit spart. Mit den nachher öligen Finger nervt es auch nur, sich die Ohrringe wieder reinzupiddeln. Da es ziemlich stark regnet, werde ich weder hinnradeln, noch zufuß laufen, was ich eigentlich machen wollte und auch schon häufiger getan habe. Im Vorfeld hat sich die Besitzerin des Massagesalons schon mehrfach entschuldigt, dass es in Corona-Zeiten nicht mehr erlaubt sei, ihren Tee im Anschluss anzubieten. Da komme ich mal locker drüber. Und ich müsse mein eigenes Strandtuch mitbringen. Kein Problem. Und ich müsse einen Mundschutz tragen. Klar, wo nicht derzeit? Und noch mal: Es gebe keinen Tee im Anschluss! Der Tee ist mir so was von wumpe!
Es ist heute wirklich anders, weil die Füße immer im Vorraum gewaschen werden. Ich bin zwar frisch geduscht, aber darauf bestehen sie immer. Heute sprühen sie mir aber schon Desinfektionsspray auf die Schuhe, anschließend auf die Füße, und dann geht es sofort in den Massageraum. Hier herrscht immer schummriges Licht, damit man herrlich entspannen kann. Aber es ist so dunkel, dass ich die Waschschüssel nicht mal erkennen kann. Prompt schwappt natürlich auch etwas Wasser drüber. Als ich auf der Liege Platz genommen habe, kommt die Besitzerin noch einmal rein und teilt mir mit, dass es ihr so leid tue, weil sie nicht das ganze Programm abspielen könne. Der Tee (ja doch, ist mir echt völlig lala!!!), aber auch das mit dem Handtuch. Sie seien sauber hier, aber es sei die Vorschrift. Ich schaue sie an und verkünde im Brustton der Überzeugung, dass dies alles nebensächlich und ich einfach froh sei, überhaupt wieder eine Massage zu bekommen. Sie bedankt sich für meine Treue, aber müsse mir noch mitteilen, dass sie Gesicht und Kopf nicht massieren dürften. Ja mei, dann ist auch das eben so.
Und dann legt meine Masseurin Koi auch schon los. Es tut einfach gut, die Verspannungen gelockert zu bekommen. Auch wenn ich ein Optimist bin, habe ich dennoch regelmäßig auch Kopfkino, was die Zukunft so bringen wird. Entsprechend bin ich natürlich verspannt ohne Ende. Doch es ist nicht nur das. Es ist etwas anderes, was hierbei noch gut tut. Einfach wieder einmal eine Berührung zu fühlen. Und das hat keine erotische Grundlage! Ich denke, viele Menschen, die in einer Partnerschaft oder gar Familie leben, können sich das gar nicht vorstellen, was es bedeutet, in der jetzigen Zeit allein zu sein. Nein, ich bin nicht einsam. Aber ich vermisse Berührungen. Etwas, das für viele selbstverständlich ist. In Familien sind Berührungen an der Tagesordnung, auch wenn sie noch so klein sind. Eine der Grundregeln derzeit lautet jedoch, möglichst auf Berührungen außerhalb der kleinen Familie zu verzichten. Und genau das fehlt mir. Rational kann ich es vollkommen nachvollziehen. Emotional tut es dennoch weh. Ich bin ein Mensch, der seine Freunde und sogar einige Arbeitskollegen zur Begrüßung umarmt. Nein, Heinz nicht. Das würde er aber auch nicht wollen. Ich schätze, das ist das Erbgut meiner lieben Oma, die holländische Wurzeln hatte und alles und jeden umarmen musste.
Letztens hatte ich eine philosophische Diskussion, in der mein Gegenüber meinte, es brauche keine Präsenzveranstaltungen, um Menschen „berühren“ zu können. Damit kein falscher Eindruck entsteht: Ich laufe bei meinen Schulungen nicht rum und knuddel´ die Leute platt oder fummel´ sie sonst wie an. Aber ich lege schon hin und wieder eine Hand auf einen Arm oder gebe jemandem ein High-Five. Als Gegenargument bekam ich zu hören, dass es doch auch das Phänomen gebe, dass man vollkommen berührt sei von Musik oder einem wunderschönen Text. Ja. Ich kann bei Musik Rotz- und Wasserschnecken heulen. Oder bei manchen Geschichten vor Sentimentalität vor mich hin wässern. Aber es ersetzt für mich einfach überhaupt nicht den direkten Kontakt.
Und so genieße ich die Berührung bei der Massage, auch wenn sie bisweilen wehtut, weil die Muskelverhärtungen ziepen. Es tut gut, sich wieder als Mensch zu fühlen. Als was ich mich vorher gefühlt habe? Ich weiß es nicht. Klar, war ich auch vorher schon Mensch, aber ein bisschen verkümmert fühle ich mich schon. Nicht dramatisch, aber etwas „durstig“ (und jetzt gibt es noch nicht einmal Tee!). Wir haben in Deutschland immer mehr Single-Haushalte. Jetzt könnte man sagen: Die können sich doch mit einem zusammentun, wenn sie das denn wirklich wollen würden. Aber noch schlimmer als allein zu sein, ist für mich, einsam in einer Beziehung zu sein.
Puh, ich bin mir sicher, manchem ist das jetzt hier vermutlich zu pathetisch, aber es muss auch nicht jedem gefallen. Ich überlege wirklich, ob ich so etwas nicht einfach auch mal irgendwann in einem Workshop anbiete. Es gibt Übungen, wo man sich „einfach“ nur in die Augen schaut (meine liebe Freundin hat mir erst vor ein paar Tagen wieder von so was erzählt). Klingt komisch, ist aber gar nicht so ohne. Wer das nicht glaubt, kann das gerne mal ausprobieren und wird staunen, was da in einem selbst abgeht. Und genau so kann ich mir vorstellen, Übungen zu machen, in denen man sich „einfach“ an den Händen hält oder umarmt – ohne dabei zu reden. So etwas gibt es schon. Aber vielen ist das schon zu eso-mäßig, was es gar nicht ist. Es tut gut und baut ganz schön viel Stress ab. Allerdings muss man sich trauen, sich darauf einzulassen. Und da zucken schon ganz viele nur bei der Vorstellung zurück und winken mit einem verächtlichen Grinsen ab. Schade…denn dadurch verpasst man viel, was einem dabei helfen würde, sich besser zu fühlen.
Also…wünsche ich Euch Umarmungen, Berührungen und gute Menschen – auch bzw. gerade in diesen Zeiten.
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