Kennt Ihr das? Ihr habt einen Plan, wie der Tag laufen soll. Und dann läuft er völlig anders. Erstmal war die Nacht schon nicht so, wie gedacht. Aber das lag an was anderem. Wenn sich Menschen melden, die ich nicht mehr auf dem Schirm hatte, macht mich das ja immer etwas nachdenklich. Aber mei, manche Menschen und ihr Verhalten werde ich nie verstehen – was wohl auch besser so ist.
Heute stand nun ein 30. Geburtstag auf dem Programm. Eigentlich mit 250 Gästen. Uneigentlich kam Corona. Entsprechend wurde alles abgesagt. Da er aber ums Eck im Dorf meiner Schwester wohnt, wollen wir trotzdem für ein Stündchen hin. Ok, Stündchen ist schon so wie „mal eben kurz“. So hatte ich vorher gesagt, ich würde „mal eben kurz“ eine Freundin anrufen, worauf mein Schwager trocken meinte: „Das ist ja eine fette Lüge!“ Hä? „Du und kurz telefonieren? Merkste doch, dass da was nicht stimmt, oder?“ Mist, wenn einen die Menschen um einen herum schon so gut kennen. Ich hab schon als kleines Mädchen gern telefoniert. Irgendwie ist mir das über die Jahre erhalten geblieben.
Wir traben also los zu Martin. Jetzt muss ich dazu erwähnen, dass er im Theaterstück vor zwei Jahren meinen Schatz/Verlobten gespielt hat. Und diese Tatsache lässt mich bis heute nicht los. Mal ehrlich: So kurz hab ich mich schon vor dem Ziel gewähnt! So kurz!!! Wir machen bis heute unsere Scherze darüber. Leider wusste seine Mutter nix davon. Und so erzähle ich nichtsahnend munter von seiner Verlobten, bis die Mutter mich fragt, wer das denn sei? Mit hochgezogenen Augenbrauen zeige ich auf mich. Wäre das also auch geklärt. Irgendwann merke ich dann aber doch, dass sie überlegt, ob das nicht ernst gemeint sein könnte. Nein, alles nur Spaß. Der arme Kerl ist 13 1/2 Jahre jünger als ich. „Schwiegermutter“ winkt ab. Das sei doch heutzutage kein Problem mehr. Ääääääh… doch. Für mich schon.
Derweil kommt ein Kerl aus Jugendtagen zu meiner Schwester und mir, den ich nur am Rande von früher kenne. Es dauert vielleicht fünf Minuten, bis ich von der vermeintlichen Midlife Crisis seiner Frau erfahre. Ich erfahre Dinge, die ich gar nicht wissen will. Und nein, er ist nicht betrunken. Ja, er sei Widder und sie Steinbock – das könne ja nicht gut gehen… obwohl sie schon 16 Jahre zusammen sind. Ich nicke nur – bin ja selbst Steinbock und kenne genügend Widder. 🙂 Alles habe er für sie aufgegeben, alles! Jedes Hobby, das er hatte. Ich kann nicht anders, ich muss fragen: „Hat sie das etwa von Dir gefordert?“ Ein klares Nein. Aber er habe es ihr zuliebe getan. Ah. Is klar. Trocken füge ich an: „Dann such Dir wieder ein Hobby!“ „Sagt meine Frau auch.“ Das sind so Momente, bei denen ich merke, wie schön mein Singleleben ist.
Und ich wette, jeder von Euch da draußen kennt genau solche Paare, bei denen mindestens einer unzufrieden ist, oder? Wieso tun sich manche Menschen so was an?! Süß ist dann auch sein Rat an mich, ich solle niiiiiiemals heiraten. Steht ja gar nicht zur Diskussion, so ganz ohne Mann. Doch irgendwie ist diese Haltung traurig.
Nach einer Stunde reiht sich die nächste direkt an. Blöderweise gibt es Marillenschnaps… und Kirschschnaps… und Waldmeisterlikör. Und von allen gibt es auch mehr als einen. Es gibt ja schließlich was zu feiern! Mir geht es gut. Alles fühlt sich ein wenig karussellig an, aber durchaus nett.
Der Grillmeister will partout nur mit Bier mit mir anstoßen, weil er gestern schon vom Schnaps gekostet hat – ausgiebig, wie es so klingt, weil ihm immer noch leicht flau im Magen sei. Gestern also schon… Mein Sherlock-Holmes-Gespür lässt mich blitzschnell kombinieren: „Aaaah, also bist Du mit Martin verwandt?!“ Ich glaube, er ist Star Wars Fan, denn er sagt: „Ich bin sein Vater.“ Ich bin ja jetzt leicht angetüddelt und ergänze: „Ach, also mein Schwiegervater. Schön, dass wir uns auch mal kennenlernen.“ Er blinzelt kurz, nickt und stößt dann mit mir an. So leicht geht das? Hätte ich das mal eher gewusst. Dann hätte ich mir eine reiche Partie in jüngeren Jahren klar gemacht. Jetzt ist der Lack ab.
Ich quatsche mit den Jüngeren (noch nicht mal 30!) und bin, wie so oft, erstaunt, wie anders sie ticken. Dieser Zusammenhalt ist schon schön, diese Verbundenheit zu ihrem Dorf auch – und mir dabei so fremd. Sich hier zu outen, geht mittlerweile, aber schwierig ist es immer noch. Im Jahr 2020! Da kräht in der Stadt kein Hahn mehr nach, aber hier ist es noch Thema. Und viele Jüngere denken eher über einen sicheren Job, als über einen erfüllenden nach. Krass!
Das Ende vom Lied: Meine Sis und ich gehen nach ca. fünf Stunden heim – die Jungs nach drei weiteren dann auch. Ich habe keinen Ring am Finger und immer noch kein konkretes Datum, aber beide Schwiegereltern kennen mich nun. Es war also ein voller Erfolg – und der Schnaps auch lecker. Manche Geschichten waren erstaunlich, manche hätte ich nicht gebraucht, doch der Tag war schön… und ich bin wieder felsenfest davon überzeugt, dass dies hier nicht meine Welt ist, auch wenn ich es hier schön finde.
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