Heute ist wieder so eine eigenartige Witterung. Es ist nicht kalt, aber auch nicht warm. Es sieht trocken aus, nur um dann wieder zuzuziehen. Und dann regnet es plötzlich. Das Wetter hat fast schon wieder was von April.

Beim Nachbarn leihen wir uns kurz ein Auto, um bei Feinkost Albrecht Campingstühle für die Jungs zu kaufen. Zum Dank machen wir was? Richtig, wie sich das im Rheinland gehört: Es gibt Mettbrötchen mit Öllisch. Eine Hand wäscht eben die andere. Was Öllisch sind? Na, Zwiebeln! Ist doch klar. Wer nicht aus dem Rheinland ist, mag jetzt angewidert das Gesicht verziehen, aber das ist uns wurscht. Und ja, es gibt durchaus Rheinländer, die so was auch nicht gern essen. Aber es gilt schon ein bisschen zum Standard-Repertoire.

Ich war früher auf vielen Polterabenden, aber eine erinnere ich besonders gut. Da wurde nämlich ein Frevel begangen, denn es gab nur eine dämliche Brühe zu futtern. Hallo?! Wer macht denn so einen Mist??? Silvia heißt sie – und da hat die ganze Familie einen Schaden weg. Die sehen schon aus wie verfolgte Gespenster. Aber das würde jetzt zu weit führen, deren ganze Familiengeschichte hier näher zu erläutern.

Also: Polterabend und Mett gehörten früher hier so zusammen, wie Majo und Ketchup. Gut, ist für den Nicht-Rheinländer jetzt auch ein blödes Beispiel, weil Pommes rot-weiß auch eher rheinisch ist. Welchen Vergleich könntet Ihr denn nachvollziehen? Also eher so was, wie Ungeduld und ich zusammengehören. Jo. Das versteht dann doch jetzt jeder. Wir durften früher immer bei den Polterabenden helfen, also waren wir zeitig da und haben die Brötchen mitgeschmiert. Es gab eine Minderheit mit Käse (immer Gouda…da gab es keine Diskussion) und die Mehrheit mit Mett. Dazu wurden etliche Zwiebeln in Halbmondform geraspelt, die in ein extra Schälchen mit aufs Tablett kamen. Und dann ging man los. In der Regel musste man verschiedene Routen durch den Saal nehmen, weil sonst immer nur dieselben ihr Futter bekamen und den anderen gar keine Chance ließen, auch etwas abzubekommen. Ich wüsste nicht, dass ich damals mal einen Mann getroffen hätte, der sich an einem Käsebrötchen vergriffen hätte. Echte Kerle nahmen immer nur die Mettbrötchen.

Mit diesem so einfachen Ablauf wurden gleich zwei Fliegen mit einer Klappe erschlagen: Die Kerle haben sich so erstens eine solide Grundlage fürs Biertrinken geschaffen, und zweitens konnte man so immer flirten. Es dauerte ja auch einen Moment, sich Zwiebeln auf das Brötchen zu schaufeln. Puh, diese Zeit konnte man dann fürs Flirten nutzen. Man, man, man, war das damals noch subtil.

Ich habe es immer sehr genossen, weil man dadurch so unkompliziert ins Gespräch gekommen ist. Und da ich ja schon schlagfertig auf die Welt gekommen bin, war das immer ein Highlight. Das war schon schön. Der Geruch beim Aufstoßen war hingegen schon bäh, aber ich habe ja nie einen mit nach Hause genommen, also blieb ich von so was verschont. Die Polterabende waren echt immer legendär, da sie in der Regel ab 150 Leute aufwärts umfingen. Allein bei meiner Sis waren es um die 500. Ich seh noch den DJ, der vermutlich allein schon ein Kilo Mett vertilgt hat. Gut, er hat leider auch gegen die goldene Regel der DJs verstoßen und mitgetrunken. Woran ich Fuchs das erkannt habe? Oh, es gab mehrere Indizien. Zunächst mal lief das Lied „Mambo Number 5“ gefühlte 80 Mal, was schon verdächtig war. Seine damalige Musikauswahl war nämlich richtig riesig. Dann fing er irgenwann damit an, die CDs durch die Gegend zu werfen. Sehr merkwürdig. Als ich dann wegen irgendwas in die Küche musste, sah ich ihn schwankend vor dem Tisch stehen und sämtliche Zwiebelschälchen auf ein Brötchen schaufeln. Ein unvergesslicher Moment. Ich wundere mich heute noch, wie er dieses viel zu dick geratene, belegte Brötchen in den Mund schieben konnte, doch es gelang. Wunder gibt es immer wieder. Gut, es kam nachher auch wieder raus, als ihm noch manches mehr durch den Kopf ging, was ich als das Hauptargument für erhöhten Alkoholkonsum anführen möchte. Allerdings stand er am nächsten Morgen vor der Türe und hat höchstpersönlich die Sauerei beseitigt. Und er schämt sich bis heute dafür – noch nach 21 Jahren. Respekt, oder?

So viel also zu den Erklärungen die Zuneigung Mettbrötchen gegenüber betreffend. Ich muss an der Fleischtheke erstmal ewig warten, weil der Herr vor mir a) den kompletten Fleisch- und Wurstbestand aufkaufen will und er sich b) wunderbar privat mit der Fleischereifachverkäuferin über alle gemeinsamen Bekannten austauschen möchte. Es macht gar nichts, dass die Dame alleine bedient und ich schon minutenlang warte. Es stört beide nicht im Geringsten, dass ich da so blöd rumstehe, was mich ungemein erleichtert, denn ich möchte ja niemanden hetzen. Wie war das noch mal mit mir und der Ungeduld? Richtig. Aber ich beherrsche mich.

Und so geh‘ ich dann zügig zur Kasse, wo ich wieder hinter dem Ich-kaufe-sämtliche-Fleischbestände-auf-Männelein stehe. Und dann spricht dieser 2-Meter-Karnivore so komisch, weil er beim Reden immer in die Kopfstimme kippt und kicksig klingt, wie bei Helena Fischer in ihren schlechtesten Zeiten. Beim Reden mit der Kassiererin schaut er zu mir rüber, als wolle er mich einladen, doch mitzureden. Ich bin aber bockig und drehe mich weg. Bin ja schließlich auch nicht wie früher zum Kellnern hier unterwegs. Und was sehe ich? Der Kerl hinter mir will wohl gerade Mittagspause machen. Auf dem Band liegen ein Fünferpack Frikadellen und eine Tube Senf. Ich stelle mir den wunderbar aromatischen Aufstoß-Duft dieser heißen Nummer (bäääääh) hinter mir vor. Wo bin ich hier nur gelandet? Ich glaube, ich wäre dann echt so weit, abgeholt zu werden. Kommt denn jetzt mal bitte einer vorbei?

Ich schmiere die Mettbrötchen für den Nachbarn und bringe sie rüber, was ihn sehr freut. Und dann esse ich selbst eins und…bin enttäuscht. Früher schmeckten die besser. Gut, ist ja auch kein Polterabend gerade, aber trotzdem. Ich glaube, ich werde einfach alt, und der Blick nach hinten verklärt sich. Aber macht nix. Schön war es trotzdem. Was wohl der Frikadellenmann gerade macht? Vermutlich aufstoßen…

14 Kommentare

    1. Ich hätte es nicht treffender sagen können. 😉 leider fahre ich mit dem Zug heim. Sonst hätte ich Dir ein Kilo mitgenommen und vorbeigebracht – wo auch immer Du in Bayern wohnst. Wir Rheinländer müssen doch zusammenhalten. 😂

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  1. in Sachsen sagten wir ganz vornehm „Mettwurstbrötchen mit Zwiebeln“ wie das hier in Hessen heißt, wo ich jetzt wohne? Keine Ahnung, ich versteh die Leute nicht.. Aber Auto leihen beim Nachbarn klingt interessant.

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    1. Aaaaaah, das ist ein riesiger Unterschied
      Mettwurst gibt es auch. Aber nur Mett ist was anderes. Mettwurst darf ich auch mehrere Tage verzehren. Mett hingegen nur an dem Tag, wo es zubereitet wurde. Danach kannst Du es nur noch braten. 😉

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      1. Ich weiss, wir meinen da auch dieses rohe Hackfleisch mit Pfeffer, Salz und Zwiebeln. Kommt mir grad selbst irgendwie dämlich vor. Ist aber so XD

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      2. Ach, wegen Mett sollte man sich nie blöd vorkommen. 😂 ist doch gut, wenn ich jetzt auch weiß, dass sich Sachsen auch gescheit zu ernähren wissen. Das nennt man dann wohl „gelebte Völkerverständigung“. Schon krass, wozu Mett alles imstande ist. 🤤

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