Irgendwann übermannt mich der Schlaf dann doch noch. Zum Glück, aber in Summe dann trotzdem zu wenig. Mei, alter‘ ich eben noch schneller. Meiner lieben Kollegin bringe ich ein Einhorn mit. Aufgrund von Corona schiebt sich das mit der Wohnungseinweihung bei ihr ohne Ende, weshalb ich das Einhorn einfach auch ohne Party loswerden will. Denn, sind wir mal ehrlich, geholfen hat es mir in den letzten Wochen mit meinen Spinnen ja wohl auch nicht. Ich bin doch nicht die Wohlfahrt und füttere alle durch! Reicht doch, dass ich für Heinz mitarbeiten darf.
Apropos Füttern: Ich habe das gute Einhorn mit Schokoriegeln vollgestopft. Die müssen jetzt von meiner Kollegin schnell gegessen oder das ganze Viech kaltgesellt werden, da das Einhörnchen sonst nach Diarrhö aussehen wird. Und nein, ich glaube natürlich nicht, dass es ein echtes Einhorn ist. Es ist eine Piñata – wobei ich mir nicht vorstellen kann, dass meine Kollegin das liebe, nutzlose Tier kaputthauen wird. So wird es zwar etwas schwieriger, an die Schoki zu gelangen, doch ich bin zuversichtlich, dass sie es schaffen wird.
Ein entsprechendes Quietschen später verrät mir während einer Skype-Schalte, wie sehr sich meine Kollegin über ihren neuen Mitbewohner freut. Ja, so ein Einhorn ist schon was Feines: Es hat verschiedene Farben, ist süß, gibt keine Widerworte und hat ein Horn. Na, was will Frau mehr?
Demgegenüber habe ich meine hysterische Kollegin, die gerade wieder am Anschlag ist. Nein, sie hängt nicht ihr geliebtes Schild „Bitte nicht stören!“ auf, strahlt es aber mit jeder Pore aus. Bei ihren beruflichen Skype-Meetings ist sie wieder oft den Tränen nahe, was man sehen und hören kann. Und das nur wegen des Jobs! Die Überforderung war ja schon seit letztem Jahr in vollem Gange, weshalb ich gerade bei ihr durch Corona eine Entspannung angenommen hatte. Aber nichts. Sie bleibt launisch, hysterisch und kurz vor dem Burnout. Unser Gespräch hat wohl unterm Strich nicht wirklich was bewirkt – außer, dass sie mich nicht mehr so ankackt, wie vorher. Krass. Ich verstehe so was nicht.
Derweil arbeite ich mit meinen Führungskräften, die mich natürlich auch schon gern foppen. Mein heutiges Schmankerl kommt von meinem ganz persönlichen Schätzchen: „Ah, die Preissn! Ihr bringt’s alle Krankheiten mit – nur koa Heimweh.“ Der ist gut, muss ich zugeben. Ich biete ihm großzügig an, wieder seinen ursprünglich zugeteilten Coach (ein Bayer) zurückzubekommen – Heinz. Wir wissen alle, dass das Späßchen sind, aber die andere Führungskraft rudert sofort zurück. Sie seien wieder lieb und täten alles – solange sie nicht mit Heinz bestraft würden.
Und da ist es dann wieder: Nahezu jeder im Unternehmen weiß, wie dieser Pflaumenaugust ist. Es wird nur einfach nichts dagegen unternommen. Warum eigentlich nicht? Ähnlich, wie der Anruf eines Mitschülers heute Abend. Ob ich mich schon beim Institut gemeldet hätte? Seit Wochen und Monaten haben wir nun Webinare, bezahlen aber für Präsenzveranstaltungen. Webinare sind um einiges günstiger. Wir bezahlen für die Skripte mit, die wir aber alle schön selbst ausdrucken dürfen. Dabei erhalten wir alte Manuskripte, während die Dozenten teilweise völlig andere Unterlagen zeigen, die aber nicht dem Corporate Design des Instituts entsprechen. Ääääh… Ja, darüber ärgere ich mich auch. Und tue was? Nichts. Florian erklärt es mir so: „Wenn Du beim Bäcker ein Brötchen kaufst und Du bekommst ein völlig ausgehöhltes oder eins mit Kakerlake drin, reklamierst Du das auch. Hier reden wir über deutlich mehr Geld, was wir für die Ausbildung latzen.“ Ich gebe ihm recht und sage: „Kennst Du dieses Phänomen: Du hast Recht, aber? Ich sehe es echt wie Du. Aber ich bin auch froh, dass sie uns eine Alternative geboten haben. Und sie müssen ja auch weiter ihre Miete zahlen.“ Seine Gegenfrage sticht: „Du etwa nicht?“ Und ich frage mich, warum ich so lange schon kneife? Vermutlich, weil „es sich nicht gehört“, aber das ist doch wohl Bullshit. Ich werde dann mal meinen Hintern hochkriegen müssen. Besonders erschreckend fand ich seine Aussage: „Ich finde das total spannend. Von Dir hätte ich so was nie erwartet.“ Ich wirke auf ihn schon sozial, aber eben in erster Linie klar und 200 %ig gerecht. Da ist was dran. Nur geht es ja nicht um andere, sondern um mein Recht. Da bin ich immer sehr nachlässig.
Wie häufig lassen wir alle die Heinzis dieser Welt davonkommen, weil wir ja nicht so frech sein wollen, sie zu maßregeln? Dabei sind sie ja frech. Wie häufig ziehen wir den Kopf ein und lassen „die tote Katze im Fluss“ vorbeiziehen, weil nicht jeder Krieg ausgefochten werden muss.? Aber ist das so oder ist es nicht auch jede Menge Bequemlichkeit?
Mmmh, jetzt hätte ich gern ein Einhorn auf zwei Beinen, mit dem ich so was besprechen könnte. Ich weiß, ich bin schon groß und kann das alles allein bewältigen. Aber hin und wieder wäre so ein Sparringspartner Zuhause schon ganz schön. Vermutlich entstehen dadurch aber nur noch mehr Kriege, die ausgefochten werden wollen? Mmmh, vielleicht bleibe ich dann doch eher bei den vierbeinigen Einhörnern, aus denen Schoki rauskommt? Sicher ist sicher.
Hat der Mitschüler sich denn selbst auch beim Institut gemeldet oder schickt er dich nur vor?
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Ohne mich zu kennen, weißt Du gleich Bescheid, wie ich bin. 😉 aber in dem Fall hat er jetzt als Erstes geschrieben. Und dann ich auch noch.
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Nja, man „kennt“ ja viele Pappenheimer, die so immer groß tönen, aber wenn es dann daran geht, das irgendwo an die richtigen Stellen zu bringen, werden dann andere vorgeschickt. Dann drücke ich euch die Daumen, dass es was bewirkt 🙂
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Jo. Und ich gehöre klar zu der Sorte, die sich gern vor den Karren spannen lassen. 🤦♀️ Aber in dem Fall war es mal anders.
Auf meine Mail ans Institut habe ich den ganzen Tag noch keine Antwort erhalten. Auch interessant, oder? Na, mal schauen, ob da noch was kommt?
Danke fürs Daumendrücken! 😉
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