Am Abend höre ich noch, dass ich keineswegs allein bin mit meinem Abschiedsschmerz. Einer Freundin geht es immer exakt genauso. Aber eigentlich auch logisch, oder? Wer mag schon so was? Ich vertreibe mir den Abend mit Diane Keaton, Don Johnson, Jane Fonda und Co. Nein, hier handelt es sich kein bisschen um anspruchsvolle Unterhaltung. Dafür kann ich lachen, was mich echt freut. Und so gehe ich etwas beschwingter und besser gelaunt ins Bett.
Heute Morgen steht der übliche Rotz im Home Office an. Allerdings muss ich mir nach dem Duschen die Haare fönen und mich schminken, denn mittags kommt ja mein Vermieter zu mir. In Schlabberlook, wie ich ihn gerne an Home Office Tagen trage, will ich ihn dann nicht wirklich in Empfang nehmen. Und als er erscheint, ist er wirklich eine Überraschung. Sofort zieht er die Schuhe aus (was bei mir so überhaupt nicht nötig ist), bevor er die Wohnung betritt. Er ist höflich, schaut sich die Tür an und sieht selbst ein, dass er nichts ausrichten kann. Und sofort räumt er ein, dass die Balkontüren und -fenster ja seit Beginn, also 1991, verbaut seien. Da könne durchaus auch mal was verschleißen. Er würde jemanden suchen. Ob er demjenigen denn meine Nummer geben dürfe, um einen Termin zu vereinbaren? Und ob denn sonst alles in Ordnung sei? Ääääääh… oooookay. Scheint so, als sei er nur beim Schreiben unhöflich und rotzig. Umso besser, oder? Mich erleichtert dieser Umstand sehr.
Dafür fällt mein Frauenarzt aus. Er lässt mir ausrichten, dass er so einen Wisch ja nicht einfach so ausfüllen könne. Da müsste ich schon einen Hautarzt aufsuchen. War ja auch nicht meine Idee, sondern der Hinweis der Frau vom Amt. Ich hatte mich auch gewundert, denn da wird auch nach beispielsweise Sucht gefragt. Wie will mein Frauenarzt das beurteilen können? Puh! Ich habe aber an meinem Zustand (kein Hausarzt) seit gestern nichts geändert. Und so sitze ich nun in einer Art Gesundheitszentrum, wo ganz viele junge Ärzte praktizieren. Auch ok. Ich sehe aber erstmal so einen Pommesbudenwagen links neben der Eingangstür stehen. Und dann verstehe ich diesen erst. Hier wird ein Fiebertest durchgeführt und gefragt, ob man denn Corona-Symptome hätte? Äh, ich hoffe, dass ich im Nachhinein genauso wenig Symptome haben werde wie jetzt gerade. Ich bekomme ein Bändchen ums Handgelenk und fühle mich kurzfristig versucht, zu fragen, ob ich nun ein Freigetränk bekomme? Aber ich widerstehe dem Impuls. Nach langer Wartezeit an der Anmeldung und dann kurzer im Wartezimmer, darf ich zum Arzt, der echt sehr nett ist, aber nicht genau weiß, was er jetzt machen soll. Normalerweise ist er als Internist tätig und kennt sich nicht so in diesen Hausarzt typischen Belangen aus. Na, mir ist ja wurscht, was er sonst so macht. Ich brauche einfach diesen doofen Wisch. Er befragt zur Sicherheit mal seine Kollegen, ob er nun ein Drogenscreening per Urinprobe machen soll. Doof, wie ich bin, frage ich ihn, ob man Alkoholismus darüber auch prüfen würde? Denn das sei ja schließlich auch eine Sucht? Er verneint und beruhigt mich, dass hin und wieder ein Glas Rotwein voll ok sei. Aber das mag ich nicht. Ok, dann ein Bier. Mag ich auch nicht. Oooh… na, dann sei doch alles prima. Zurück von den Kollegen klärt er mich auf: Sie machen nur einen Check-Up. Das heißt ein Blutbild und eine kurze Urinprobe (was auch immer „kurz“ in dem Zusammenhang bedeutet). Es sei kein Drogenscreening. Nur ein einfacher Test… Ich hätte doch hoffentlich nicht meine Tage? Und da wird er nervös. Ich breche fast ab, weil ich zu gerne lachen würde. Er ist echt putzig. Aber dann begeht er einen schlimmen Fehler: Er sieht es als sehr positiv an, dass ich keinerlei Medikamente nehme. Das sei nicht bei allen 47-Jährigen so. HALLOOOOOO?! Ich bin 43! Oh je, jetzt ist er völlig aus dem Tritt gekommen und entschuldigt sich peinlich berührt. Ich nehme es mit Humor. Der Großteil meines Gesichts ist unter der Maske ja eh nicht erkennbar, also kann er nicht meine Falten damit gemeint haben.
Bei der Anmeldung muss ich wieder warten, da ich mich dort fürs Labor melden muss. Dann heißt es: Abmarsch zum Pipi-in-einen-Becher-Pullern. Für solche Momente lebe ich ja. Zur Einstellung ins Unternehmen musste ich ja auch eine Urinprobe beim Arzt auf Drogen abgeben – allerdings mit Pullern im Beisein einer Ärztin. Das war echt der Horror!
Zur Blutabnahme werde ich wieder abgeholt. Die Arzthelferin ist nett. Ich erkläre ihr noch, dass es mir nichts ausmache, wenn sie mir das Blut am Handrücken abzapfen würde, weil sich manch einer in der Armbeuge schwertäte. Aber sie ist nicht zögerlich und erledigt das total souverän. Nach dem zweiten Röhrchen frage ich sie dann, ob so ein Job wirklich Spaß mache, also Leute mit Nadeln zu quälen? Jo, total. Sie könne sich nicht vorstellen, nur am Schreibtisch im Büro zu sitzen. Da würde sie abdrehen. Tu ich ja auch nicht als Trainerin und Coach, füge ich dann erklärend hinzu. Da grinst sie und sagt: „Och, ich nehme auch nicht den ganzen Tag Blut ab, sondern assistiere auch bei Magen- und Darmspiegelungen.“ Ich verziehe das Gesicht: „Und noch mal: Das kann doch echt keinen Spaß machen?!“ Sie: „Klar! Das ist total spannend!“ „Bäh… Da gibt’s doch bestimmt voll fiese Patienten?!“ Sie grinst noch breiter: „Bei den Teilnehmern doch garantiert auch.“ Stimmt. Sie hat echt Recht. Ich wünsche ihr nette Patienten, sie mir nette Teilnehmer – wobei die weniger ein Problem darstellen, als manch anderer Kollege von mir.
Morgen früh darf ich mir schon den Wisch abholen. Und dann versuche ich mein Glück beim Landratsamt. Gerade habe ich ja einen Lauf. Vielleicht werde ich da morgen mit Blumen begrüßt? Wenn nicht, ist auch ok. Hauptsache, ich kann den ganzen Kram abgeben, bevor ich mich mittags dann bei der Thaimassage ordentlich durchwalken lasse. Eigentlich ist doch alles ok – mehr oder weniger. Das Leben eben, hm?
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