Ich bin mal wieder fassungslos. Nein, keine Socken in Sandalen dieses Mal. Und dank Linsenfutter habe ich ja auch gelernt, dass ich der Geisterfahrer bin bzw. ich diejenige bin, die modisch eben keine Ahnung hat. Danke nochmals für den Hinweis. 😉

Die Fassungslosigkeit bezieht sich vielmehr auf meinen ersten Anruf, den ich heute Morgen erhalte. Eine Kollegin, die ich Ende letzten Jahres sowohl in einer Schulung, als auch in einem Workshop hatte, beginnt das Telefonat mit: „Ich brauchte mal die Stimme einer gut gelaunten Rheinländerin!“ Da weißte doch schon alles. Mir schwant Übles. Zaghaft frage ich: „Lass mich raten: Du bist befristet im Unternehmen?“ Ist sie. Mein Riecher war richtig. Das allein ist kein Grund für sie, sich hängen zu lassen. Sie ist schon aktiv bei der Suche. Und sie hat tatsächlich schon Vorstellungsgespräche vereinbart. Vermutlich wechselt sie in die Schweiz. Das, was schockt, ist ihre Führungskraft. Er ist ein klassischer Fall von alter Management-Politik. In den 80ern und 90ern dachte man noch, die besten Fachkräfte seien auch die besten Führungskräfte. Ist mittlerweile völlig überholt…und doch in etlichen Firmen noch lange nicht angekommen. In Krisenzeiten wird es dann nur leider umso deutlicher, wie bescheiden solche Menschen sich verhalten. Sozialkompetenzkrüppel nenne ich sie gern.

Also, sie geht zu ihrem Chef, der überall im Unternehmen bekannt ist… und zwar für das dreckigste Verhalten, was man an den Tag legen kann. Betriebsrat, Personalabteilung, seine Chefs – alle wissen Bescheid und strecken die Waffen ob seines Hoheitwissens. Da frage ich mich ja schon, wie man das als Firma so weit kommen lassen kann? Und von denen haben wir ein paar Kracher-Exemplare. Die Ansage des Vorstands hat mittlerweile jeden erreicht: Wir müssen mindestens 15 Prozent aller Mitarbeiter abbauen. Befristete und Menschen aus der Arbeitnehmerüberlassung – so sie noch im Unternehmern sind – werden nicht übernommen. Es gilt, das Stammpersonal zu schützen. Richtig, übersetzt heißt das: Wir wollen möglichst wenig Klagen vorm Arbeitsgericht und möglichst wenig Abfindungen zahlen – ein durchaus üblicher Weg, wenn auch für die Betroffenen schlimm. Da diese eine Kollegin mit ihrer Qualifikation und Erfahrung aber echt schwer zu finden war und die Stelle lange nicht besetzt werden konnte, fragt sie also ihren Vorgesetzten, ob sie sich am Arbeitsmarkt umschauen solle oder es Möglichkeiten gebe, doch noch zu bleiben. In drei Monaten liefe ihre Befristung aus. Die Antwort: „Was stellst Du Dich so an? Du bist vielleicht egoistisch! Es gibt wesentlich Wichtigere als Du. Wart’s einfach ab!“ Ääääh… wie bitte? Sie berichtet ihm, wie es anderen ergangen sei, denen man die Übernahme versprochen hätte und die am letzten Tag dann spontan doch gehen mussten. Das würde ihr nicht passieren. Da betont er einfach noch mal, wie egal ihm das sei. Sie solle ihn in Ruhe arbeiten lassen.

Und genau dafür ist er bekannt. Er hat schon schriftlich rausgegeben, dass er nur mit Menschen in den Austausch gehen wolle, die seinem Intellekt entsprächen – und das sei ein verschwindend kleiner Prozentsatz im Unternehmen. Allen unter einem Doktortitel als Abschluss, spräche er diese Kompetenz per se ab. Ääääh… ja. So kennt man ihn. Und nix passiert, weil er wirklich brillant ist. Jetzt könnte man ja sagen, dass er dennoch sehr wertvoll fürs Unternehmern sei. Ja, aber – verdammte Axt – doch nicht mit Personalverantwortung!!! So was will einfach nicht in mein kleines Hirn ohne Doktortitel rein.

Ich hatte mal eine Audienz bei ihm, wo er echt nett war. Allerdings habe ich die Fronten gleich zu Anfang geklärt, ob es in seiner Erziehung keine Höflichkeit gegeben hätte? Selbst ein Bär würde brummen, wenn er in die Höhle käme. Warum er eine einfache Begrüßung dann nicht über sich brächte? Seit diesem Zeitpunkt grüßt er mich immer. Der springende Punkt ist aber: Er ist nicht mein Chef. Ich habe nur wenig bis gar nicht mit ihm zu tun. Da ich meine Klappe ja nicht halten kann, wäre ich in der Abteilung schon x Mal rausgeflogen. Und die Kollegin, von der ich hier spreche, ist kein zartes Pflänzchen. Sie heult nicht wegen seines Verhaltens oder wird kopflos. Sie will sich lediglich noch mal mit einem menschlichen Menschen unterhalten, weshalb ich morgen spontan meine Mittagspause mit ihr verbringe.

Und auch, wenn ich schon viele Menschen kennengelernt habe, die in unterschiedlicher Weise mehr oder weniger sozialkompetent waren – mich schockt so was immer wieder. Jetzt kann man sagen: Sei froh, dass Du (noch?) nicht so abgestumpft bist. Aber mal ernsthaft: Wieso müssen manche Menschen so ein Arschloch-Verhalten an den Tag legen? Was bringt ihnen das? Naja, ich hab ja kein Doktorhirn. Da bleibe ich wohl einfach auf der Leitung stehen. Zum Glück bin ich aber nicht alleine mit so einer Meinung. Ein späterer Anruf aus Straubing ist genauso entsetzt wie und sagt dann trocken: „Wenn dann doch jetzt die Mitarbeiter in Teilen abgebaut werden, dann kann man sich doch von genau diesen Vollidioten trennen, oder? Dann hätten wir endlich mal einen Vorteil durch Corona.“ Schöne Worte, die wohl leider nur Theorie bleiben werden. Es wird spannend, wie es weitergeht und wer sich noch so alles disqualifiziert mit seinen Sprüchen.

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