„Et reeschnet, et reeschnet, die Ärdö wird nass, da kommen zwei Pastürkes, die waschen sich de Üürkes…“ Ich habe nachgeschaut: Es gibt ein Kinderlied, das „Es regnet“ heißt. Der Text fängt ähnlich an, aber dann ist er eben so ganz anders. Da kommen keine Pastöre drin vor. So hat es aber jedenfalls bei uns immer geklungen, wenn es geregnet hat. Hach, ich habe schon als Kind gerne Regenlieder gesungen. Und natürlich musste immer ein Schuss Plattdeutsch dabei sein. Ich weiß noch, wie ich mit meiner Schwester mal im Auto saß und es nonstop geregnet hat. Mein Vater hat zur damaligen Zeit für ein Kinderheim gearbeitet. Wir sind dann irgendwohin gefahren, weil er einiges nachliefern musste, das sie da fürs Zelten oder was auch immer gebraucht haben. Und meine Sis und ich haben dann ewig im Auto gesungen, während es gegossen hat. Da es bei uns im Dorf nicht viele Möglichkeiten gab, waren wir – wie selbstverständlich – im Kinderchor, später dann im Kirchenchor (ich im Letzeteren nicht freiwillig…aber was soll´s?). Mannomann, wir haben auch schon mal auf einer Goldhochzeit „So nimm denn meine Hände“ gesungen. Und die Leute haben geflennt. Dabei dachte ich noch, dass wir gar nicht so schlecht waren. Später hat meine Mom mir dann erklärt, es sei Ergriffenheit gewesen. Damit konnte ich nicht so wahnsinnig viel mehr anfangen, aber es war ok. Auf meiner Kinderkommunion habe ich dann auch ganz allein vorne gestanden und was vorgesungen. Heute hätte ich Sorge, dass der Blitz neben mir einschlüge, wenn ich das in einer Kirche täte, aber damals war das ganz ok. Eine Frau aus dem Dorf hat meiner Mutter dann eine ganz große Karriere für mich vorausgesagt. Ha ha, das wäre es gewesen. Wenn überhaupt, hätte ich in einer Rock oder Heavy Metal Band mitgemacht. Und das hätte dann eher wieder nicht in unser Dorf gepasst.
Ja, solche Erinnerungen kommen mir, wenn mein Hirn langsam wieder das Köcheln aufhört. Draußen rauscht es herrlich. Gut, ein Gewitter war nicht dabei, was mich ein wenig traurig stimmt, aber das tut´s auch, was da draußen gerade los ist. Es ist so beruhigend und gleichzeitig so erfrischend, wenn es nach dieser ekligen Hitze so richtige Schauer gibt. Da ich zum Lüften über Nacht einfach mal alles aufgerissen habe, meinte wohl ein Grashüpfer, es wäre tatsächlich Tag der offenen Tür. Er hängt jetzt da oben an der Decke, und ich weiß nicht, was ich mit ihm machen soll. Ignorieren? Oder mein Trampolin wieder runterklappen? Vielleicht ist er ja auf Reha hier und braucht ein bisschen Sprung-Unterstützung? Aber wenn der nicht mit mir spricht, kann ich ihm auch schlecht helfen, gell? Ist vermutlich ein Mann. Wäre er eine Frau, würde das Vieh mir ja ein Ohr abkauen. Ich weiß, meine Logik ist bestechend. Das höre ich immer wieder.
Ich packe mir eine Peel-Off-Maske ins Gesicht, die schön schwarz ist, und stelle mich ans Küchenfenster. Doch Oppa ist heute nicht da. Dabei hatte ich gehofft, ihn auch mal amüsieren zu können, wie er das mit seiner Nudistenvorstellung immer wieder schafft. Aber nix. Oppa hat sich beim Regen einfach nach drinnen verkrümelt. Dabei könnte er locker im Trockenen und trotzdem dabei draußen sitzen. Vermutlich hat er den Braten gerochen. Nee, nicht den Sonntagsbraten, den seine Else gerade zubereitet, sondern den Braten im übertragenen Sinne, dass ich auch mal einen coolen Einfall hatte. Oder er schläft noch, weil er eine heiße Nacht mit Omma hinter sich hat. Oh je, ich will gar nicht so genau darüber nachdenken. Ob ich das ekelig finde? Nö, gar nicht. Es ist eher der Neid, so lange schon so männerlos zu sein. Und nein, er ist keine Alternative für mich. Erstens gibt es Omma und zweitens…äääh…naja, sooo groß ist meine Verzweiflung dann doch auch nicht.
Da es wieder normaltemerapturig (geniales Wort, oder?) ist, kann ich auch wieder mehr denken. Und so habe ich gerade mal die Flüchtlingshilfe kontaktiert. Ich fänd es toll, hier traumatherapeutisch tätig werden zu können. Jetzt heißt es abwarten und hoffen, dass sie sich melden und Bedarf haben. Es fehlt mir im Job schon ungemein, wirklich etwas zu bewegen. Geht es Euch auch so? Ich denke da wieder an meinen kleinen Neffen, der sagte, wie toll es sei, wenn man am Abend sehen könne, was man tagsüber so alles getan habe. Das geht mir ab. Die meisten von uns arbeiten wohl in Jobs, die ganz ok oder sogar gut sind. Aber wer verwirklicht sich so richtig? Bin ich da zu idealistisch? Vermutlich schon. Wahrscheinlich erwarte ich zu viel. Aber ich kann irgendwie nicht anders. Irgendwas möchte ich bewirken. Mal schauen, ob mir das gelingt oder ich immer eine „Getriebene“ bleibe. Könnte der Grashüpfer doch nur reden. Ich würde gerne mal seine Meinung dazu hören.
Vorhin habe ich mit meiner Sis telefoniert. Gestern ging schon mal das Telefon, aber als ich nach zweimaligem Klingeln rangegangen bin, war das Gespräch bereits weg. Ich habe also spekuliert, sie hätten sich irgendwie verwählt. Aber Pustekuchen! Dem war nicht so. Es kam aber auch kein neuer Anruf. Meine Sis hingegen hat gedacht, ich hätte sie weggedrückt, weil sie stören würde. Göttlich! Heute hat sie dann vorab eine Nachricht geschickt, ob es passen würde zu telefonieren. Es war gestern abends, kurz vor 20 Uhr, als sie angerufen hatte. Wobei also sollte sie da schon stören? Ich habe ihr feierlich erklärt, keinen Herrenbesuch oder dergleichen gehabt zu haben. Mein Leben ist gerade so was von langweilig! Da sagt man immer, Singles hätten aufregende Leben. Aber das kenne ich nur von „Sex and the City“. Die Wahrheit sieht eher stinkelangweilig aus. Mein Highlight ist Oppa gegenüber mit oben ohne. Trotzdem lustig, wie man ein und dieselbe Situation so unterschiedlich interpretieren kann. Und – sind wir mal ehrlich – da sind wir Frauen Meisterinnen unseres Handwerks, oder? Wenn ich überlege, was alles wie gedeutet werden kann. Puh! So kompliziert können Männer gar nicht denken. Und da diese ja meist so wortkarg sind, interpretieren wir Mädels da ja am allerliebsten jede Menge hinein. Gott, wenn ich daran denke, wie viele Kerle der Mädels in meinem Freundeskreis bereits mit Amnesie oder gebrochenen Armen irgendwo in einem fernen Krankenhaus gelegen haben! Allein daran wäre unser Gesundheitssystem kaputtgegangen. Dabei ist es manchmal einfach so schnöde, wie es ist: Wenn sich ein Kerl nicht mehr meldet, hat er einfach kein Interesse. In den seltensten Fällen ist er wirklich krank, hat appe Hände oder eine Lobotomie erfahren. Und trotzdem macht es immer wieder Spaß, sich Geschichten auszudenken, was alles vorgefallen sein könnte. Hach, ich bin doch froh, eine Frau zu sein und mir mit meiner Phantasie das Leben bunt malen zu können. In diesem Sinne rede ich jetzt vielleicht doch mal mit dem Grashüpfer. Wer weiß, was ich da alles erfahren kann?
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