Heute schlafe ich mal so richtig mächtig lang aus. Um sieben schiele ich auf die Uhr und denke: Nö, da geht noch was. Ich schaffe es tatsächlich bis 10 Uhr, im Bett zu bleiben. Schon krass, oder? Ist auch mal schön – und wohl auch nötig. Na denn.
Ich habe einen Telefontag, der sich über einige Stunden hinzieht. Auch so kann Frau den Tag verbringen. Richtig schön – zumal ja draußen eh nur die Sonne ballert. Ernsthaft: Das hält in dem Glutofen doch koa oide Sau aus. Alles klebt – auch ohne die kleinste Bewegung. Das macht so gar keinen Spaß. Entsprechend finde ich die Telefonmarathon-Variante viel gescheiter. Allerdings kommt es natürlich auf die Gegenseite an. Wären das Schnarchzapfen, hätte ich selbstverständlich auch keinen Bock darauf.
Apropos keinen Bock darauf: Als ich gestern heimkam, blinkte mein Telefon. Der Anruf in Abwesenheit war vom General. Schon komisch, dass ich immer denke: JETZT hat er es aber echt geschnallt, nur um dann feststellen zu müssen, dass dem nicht so ist. Nach der angeblichen Blumenaktion hatte ich echt mit keinem weiteren Versuch gerechnet. Doch ich habe wohl die Hartnäckigkeit unterschätzt. Puh! Verstehen muss das keiner, oder? Beharrlichkeit ist etwas, das ich schätze. Aber wenn der „Kaas gessn is, is er gessn“. So einfach. Wie in dem Vorstellungsgespräch: „Meine Stärke ist Beharrlichkeit.“ „Wir melden uns bei Ihnen.“ „Ich warte hier.“ 😂 Ich kann auch beharrlich schweigen, wenn es denn sein muss. Bei Generälen scheint das vonnöten zu sein… to be continued, schätze ich mal.
Tage, wie diese, sind irgendwie nie einfach nur abhängen. An solchen Tagen denke ich noch viel mehr nach als sonst, analysiere, reflektiere. Manchmal werde ich dabei regelrecht schwermütig. Nicht lange, nicht schlimm. Aber ich hänge Erinnerungen nach. Die meisten haben wir wohl alle an die eigene Familie. Und auch, wenn ich vergleichsweise keine schlimme Kindheit hatte, war sie doch auch alles andere als unbeschwert. Sie beeinflusst mein Selbstwertgefühl nachhaltig und noch bis heute. Nur eben leider alles andere als positiv. Es hat gedauert, mich freizuschwimmen. Es hat gebraucht, mich nicht mehr abhängig von ihnen zu machen. Das hat mich zu der Person gemacht, die ich bin. Daher ist es gut, wie es ist. Aber wenn ich dann erleben muss, wie es meiner Sis ans Leder geht, dann macht mich das rasend vor Wut. Ich kann es nicht verstehen, wieso manche Menschen vor Neid, Missgunst und Bitterkeit zerfressen sind. Wenn es der eigene Vater ist, macht es das sogar noch schwieriger. Nur auflösen, lässt es sich nicht so leicht. Und auch, wenn wir rational wissen, wie er ist, ist und bleibt er eben auch unser Vater.
Das Tragische dabei: Wir stellen uns infrage. Wir zweifeln, ob wir nicht doch schlechte Kinder sind, weil wir ihn nicht mehr ertragen. Wir sind die mit dem schlechten Gewissen, was es echt pervers macht. Er hingegen kennt keine Selbstzweifel und bemerkt nicht, wie sich die Menschen nach und nach von ihm abwenden. Er ist der Geisterfahrer, der der felsenfesten Überzeugung ist, als Einziger auf der richtigen Spur zu fahren. Erschreckend, wie manche Menschen so sind. Noch erschreckender, wenn es jemand ist, der Dir so nahesteht… oder es aufgrund des Verwandschaftsverhältnisses nach sollte.
Vermutlich ist er auch ein Grund dafür, dass mein Kollege Heinz mich so triggert. Während ich zweifle, ob ich wirklich genug gearbeitet habe, meine Teilnehmer richtig erreicht habe, meine Leistung gut genug war usw., heftet sich Heinz Tag für Tag neue Orden an und hält sich für den Größten. Und diese Art von anmaßender Ignoranz bringt mich auf die Palme… vermutlich weil ich sie von kleinauf kenne. Obwohl ich viel gelernt habe, tu ich mich mit einer Sache immer noch so schwer: Akzeptanz. Ich kann akzeptieren, wie Menschen zu Straftätern werden. Aber ich kann diese Art von Ungerechtigkeit in meiner Familie einfach nicht akzeptieren. Und wenn mich andere Menschen daran erinnern, triggern sie mich ungemein. Paradox, ich weiß. Und energieraubend… und vor allem: Unnötig, weil nicht änderbar.
Dafür lerne ich heute ein neues Wort: Kalokagathia. Frei übersetzt so etwas, wie „ideal im Aussehen und Geist“. Das Wort gefällt mir – da es etwas beschreibt, das es nicht gibt, finde ich. Wer mich kennt, weiß ja, wie gern ich Bullshit-Bingo mit Fremdwörtern spiele. In der Arbeit sind es Wörter, wie „Volatilität“ und „Subsidiarität“. Bei letzterem schauen mich meine Kollegen immer schon grinsend an, weil ich behaupte, dass 90 Prozent unserer Führungsmannschaft dieses Wort nicht mal fehlerfrei dreimal schnell hintereinander aussprechen kann – geschweige denn weiß, was sich dahinter verbirgt. Aber klingen tut’s geil, ja ja. Privat mag ich Wörter, wie despektierlich, echauffieren oder indoktrinieren nicht. Ich gebe zu: Es ist nicht immer leicht mit mir. Aber mal ehrlich: Leicht wäre ja auch zu langweilig, oder? 😉
Apropos leicht: Gegen Abend kühlt es leicht ab, so dass wir Hühner uns im schattigen Biergarten eines Griechen treffen können, um endlich noch mal ausgiebig zu ratschen. Allerdings schaffe ich es heute nicht, mich zurückzuhalten. Es mehren sich wieder die Videos zu Verschwörungstheorien. Als heute dann meine Freundin anfängt, über die Panikmache zu schimpfen und darüber, wie sehr die da oben uns verarschen würden, kann ich nicht mehr: „Wer sind DIE?“ „Na, die Regierung. In der Zeitung steht jeden Tag eine neue Corona-Meldung.“ Ich hole tief Luft: „Welche Zeitung?“ Sie nennt sie mir. „Aha. Wie seriös ist die Zeitung? Die verkauft sich mit reißerischen Stories besser. Und die Zeitung ist nicht die Regierung.“ Dauernd fällt sie mir ins Wort: „Ich sag Dir eins: Ich lasse mich nicht impfen. Das wird niemand tun, denn es ist jetzt ein neuer Impfstoff, der die Zellstruktur verändern kann. Davon kann man Krebs oder eine Autoimmun-Erkrankung bekommen.“ Ich kontere: „Du trinkst Cola Light, was krebserregend sein soll. Du rauchst, was krebserregend sein soll. Irgendeinen Tod wirst Du wohl eines Tages sterben müssen. Du musst Dich nicht impfen lassen. Nur lass Dich bitte auch nicht von Deinen Verschwörungstheoretikern mit Hiobsbotschaften impfen. Die sind nämlich Panikmache und krankheitsfördernd.“ Sie schaut mich verdutzt an. Ich weiß es doch auch nicht, ob es eine Impfung geben wird und welche Nebenwirkungen sie aufweisen wird. Von Panikmache durch die Regierung bekomme ich allerdings nichts mit. Es wird dazu angehalten, Corona nicht auf die leichte Schulter zu nehmen und an die Regeln zu denken. Das finde ich voll ok, da ich auch merke, wie kurz ich mir mittlerweile nur noch die Hände wasche und keine Maske anziehe, wenn ich in die Gemeinschaftsküche in der Arbeit gehe. Ich schätze, es wird Zeit, dass wir alle wieder etwas abkühlen. Die Hitze der letzten Wochen scheint einigen nicht zu bekommen. Und dann schauen wir, wie es sich weiterentwickelt. Ich wünsche mir bis dahin nur einfach weniger Verschwörung und mehr Miteinander. Scheint allerdings ein frommer Wunsch zu bleiben… leider.
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