Entsprechend meiner gestrigen Laune, wird kurzfristig der Weg zum vereinbarten Restaurant gesperrt. Ach Murphy, Du oller Knöterich, was bist Du nur für ein fieses Aas! Ich muss einen Umweg von zwölf Minuten fahren, was mich natürlich nervt. Und so erscheine ich um 17:01 Uhr beim Italiener. Der Kellner sieht mich und lässt mich erstmal warten. Oooooh, wir werden keine Freunde mehr. Dann schlendert er rüber und fragt arrogant: „Ja bitte?“ Ich sage ihm, dass wir reserviert hätten. Er sagt mir, ich könne mir den Tisch aussuchen. Dazu muss man sagen: Es gibt diese echt fiesen, harten Klapp-Holzstühle und die Lounge-Sofas. Dort schiele ich hin, aber da eröffnet er mir auch schon, die seien reserviert. Haben wir ja auch, aber ich möchte nicht diskutieren, weil ich ihn sonst irgenwann hauen werde. Ich bin gerade so in Stimmung. Die beiden wirklich ansonsten lieben Kolleginnen kommen zu spät. Nicht fünf Minuten, nein. Die eine 18 Minuten, obwohl sie dieses Mal nicht vorher noch gevögelt hat, was ja beim letzten Mal der Grund des Zuspätkommens war. Zudem wohnt sie noch ums Eck. Die andere kommt knappe 30 Minuten zu spät. Allerdings wurde sie noch von ihrer Chefin aufgehalten. Der Ersten, die auch reserviert hatte, sage ich noch, dass ich gern die bequemere Couch genommen hätte, die aber wohl schon anderweitig reserviert war. Darauf sie: „Das sagen sie immer. Ich hätte als Erste da sein müssen. Sie halten den Tisch immer für Blondinen frei. Asi, aber so ist es nun mal.“ Soll ich jetzt lachen oder schreien? Ich kann mich irgendwie nicht entscheiden. Und tatsächlich sitzt den ganzen Abend über niemand mehr an dem Tisch. Der Kellner überschlägt sich auch bei der Blondine. Die andere Brünette und mich gibt es quasi nicht. Atmen… Soll ja helfen. Das kleine Arschloch ist leider nicht mehr da, als wir gehen. Der andere Kellner war dann zum Glück nett. Trotzdem hätte ich den Kleinen wohl gefragt, ob er eigentlich den Arsch auf hat. Nun werde ich es wohl nicht mehr erfahren.

Der Abend ist echt noch schön, auch wenn wir alle gefrustet sind von der Arbeit. Meine direkte Kollegin (die Blondine) hat einen noch schlechteren Stand bei unserem Chef. Er ist zwar auch zu mir katastrophal im Umgang, dabei mag er mich aber immerhin noch. Sie packt er inhaltlich noch weniger. Da steht er regelmäßig auf der Leitung, was ihn natürlich nervt. Daher hat er mit ihr auch noch gar kein Mitarbeitergespräch geplant. Sie hat auch keine finanziellen Aufstiegchancen bei uns, so unser Chef. Schon traurig, oder? Die andere, also die Brünette, hat eine Chefin, die von ihrem Chef gemobbt wird, dass die Heide wackelt. Ich frage mich immer und immer wieder, in welcher Zeit wir eigentlich leben? Die Gutsherrenära ist nämlich rum. Scheint nur noch nicht bei allen angekommen zu sein. Bin gespannt, wann sie wieder „lus primae noctis“ aus dem Hut zaubern. Gottseidank bin ich dafür zu alt und – wie ich seit gestern weiß – auch nicht blond genug. Nach einem solchen Kacktag hilft nur eins: Sofort ins Bett und schlafen.

Irgendwie hilft das immer. Mit anderen Worten: Ich wache gut gelaunt auf. Die Aussicht auf 45 Minuten mit meinem Chef kann mir das auch nicht gleich verhageln. Als ich in die Tiefgarage gehe, läuft eine unfassbar fette Spinne von rechts nach links über den Boden. Das wird eine enge Verwandte einer afrikanischen Vogelspinne sein. Zum Glück bin ich nicht abergläubisch. Aber ich ekle mich dafür umso mehr. Trotzdem muss ich jetzt an der blöden Kuh schnell vorbei zum Auto – was ich auch irgendwie schaffe. Wie in einem Spionagefilm, hat mein lieber Kollege den Eimer mit den Birnen für mich im Parkhaus versteckt. Kurz bevor ich losfahre, erhalte ich ein Foto von der heißen Ware. Hallo? Ja klar ist das heiße Ware! Fragt mal die Bienen und Wespen!!! Ich schicke ein Foto von mir und den Birnen zurück. Es ist also ein voller Erfolg. So gnädig gestimmt, widme ich mich meiner Arbeit mit etwas mehr Elan. Immerhin.

35 Minuten vor meinem Termin kommt mir auf dem Gelände mein Chef entgegen. „Aaaah, wir ham ja glei den Termin.“ Ich nicke und sage trocken: „Ich werde pünktlich sein.“ Sofort kommt von ihm, die Schlange an der Leberkas-Ausgabe sei ja so lang. Er schaffe es vielleicht nicht ganz pünktlich, doch ich ermutige ihn, das locker schaffen zu können. Ich hätte schließlich einen Anschlusstermin. Er zuckt kaum merklich zusammen. So, jetzt wird er definitiv pünktlich sein. Geht doch! Er ist sogar vor mir da und kräht mir entgegen: „I bin fei pünktlich!“ Ich zucke mit den Schultern und frage mich, ob er jetzt echt ein Glitzerbildchen ins Poesiealbum haben möchte, sage aber nur: „Ich auch.“ „Jo, oba bei Dia hob i a nix andres erwartet. Bei mia scho. Oba Du host so bees g’schaut vorhin.“ Es gibt durchaus Dinge, die ich wohl gut beherrsche. Böse Schauen gehört dazu. Das offizielle Gespräch eröffnet er mit: „Wie geht’s Dir denn?“ Ich möchte mein Feedback zurückstellen und erstmal hören, was er mir an Feedback zu geben hat. Es läuft aus seiner Sicht. Das wundert mich nicht. Ich arbeite, liefere ab, klage nicht, heule nicht, fordere nicht. Was will er mehr? Ruhig gebe ich ihm mein Feedback dann auch. Er versteht, warum ich nicht zufrieden bin. Ob das was bringt? Ich glaube nicht. Aber zumindest konnte ich mir Luft machen. Er bedankt sich und will zu einem weiteren Gespräch einladen. Interessant, wie ruhig ich mich dann doch immer wieder selbst runterpflücken kann. Alles andere bringt ja auch nichts. Ändern wird sich mein Chef nicht mehr… Und ich? Ich mich vermutlich auch nicht mehr so grundlegend. Ich bleibe gerechtigkeitsliebend, sehr – bisweilen vielleicht auch mal verletzend – ehrlich, leidenschaftlich, stur und meist rheinisch gut gelaunt. Und ja, ich werde mich auch weiterhin aufregen. Das bin wohl ich. 🤷‍♀️

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