Es klappt recht gut mit dem Schlafen. Niemand lässt mehr Musik laufen, was ich dankbar zur Kenntnis nehme. Was will ich mehr? So kann ich dann auch frisch gestärkt zur Tat schreiten. Da hab ich nix dagegen.
Heute hab ich wieder die Schweißer. Die Hälfte ist in der Substitution, was es nicht einfacher macht. Sie sind wie weggetreten. Bei einem Spiel zur Verdeutlichung einer Methode bescheißen sie total, was so völlig sinnfrei ist. Darauf angesprochen, sagt einer: „Wir sind eben alle Drecksäcke. Sonst wären wir nicht hier.“ Naja. Deswegen muss man ja nicht so einen Nonsens machen – zumal ich die Anleitung mittlerweile auch fünf Mal erklärt hab. Eine Wurzelbehandlung kann kaum anstrengender sein. Echt wahr. Zwischendurch kommen natürlich die gewohnten markigen Sprüche. Was man hier wieder gut merkt: Sind sich die Vorgesetzten nicht einig, merkt das die Mannschaft sofort. Es hat einen Wechsel gegeben, aber in erster Linie, weil sich die Verantwortlichen spinnefeind waren und immer noch sind. Einer ist ehrgeizig und in ständiger Konkurrenz. Der andere ist behäbig ruhig und will nur in Ruhe arbeiten. So was geht leider selten gut. Und die Inhaftierten? Spüren das, bekommen mehr mit, als man denkt und schlachten dies aus, wie Kinder bei zerstrittenen Eltern. Krass, wie so was immer höhere Wellen schlägt. Zum Abschluss der Schulung fragt noch ein Inhaftierter beim Rausgehen, ob er meine Telefonnummer bekäme? Äääääääh… nö. Und mal ehrlich? Wozu auch? Er hat ja nicht mal Telefon. 😂 Aber schon kess, oder? Sein Kommentar zur Abfuhr: „Aber einen Versuch war es wert, oder?“ Jo, hat er recht, nutzt aber trotzdem nichts.
Zum Schluss des Arbeitstages treffe ich auf meine Russen. Ah, die sind mir so ans Herz gewachsen! Ich frage, wie es ihnen geht. Im Gegenzug erkundigen sie sich auch. Und dann denke ich, dass jeder Mensch auch gerne gute Sachen hört. Warum also nicht auch hier? Wobei ich sie nie anlügen würde. Also berichte ich dem Boss, wie sehr sie mich nachhaltig beeindrucken würden. Zunächst lacht er und fragt, warum? Ich erkläre es ihm, während der kleine Putin hinzukommt. Ihr Ehrgefühl, ihr Zusammenhalt, ihre Hilfsbereitschaft – so etwas imponiert mir. Der Kleine sagt: „Geht doch nicht anders.“ Doch, geht eben schon. Sehe ich ja auch tagtäglich. Und dann fasse ich mir ein Herz und frage sie, ob sie wohl wüssten, was meine Sorge sei? Nein. Ich schaue sie an und sage nüchtern: „Dass einer von Ihnen mit einer Kugel im Kopf endet, wenn Sie draußen sind.“ Der Ältere zuckt mit den Schultern und erwidert: „Das normal. Das Leben!“ Ich antworte, wie sehr ich das bedauern würde und welche Verschwendung ihres Intellekts das sei. Es würde mich treffen, sollte ich je davon erfahren. Da verneigt sich der Junge leicht, legt seine Hand aufs Herz und sagt: „Danke.“ Nicht gespielt, einfach ehrlich. Ich hoffe so sehr, dass sie auf sich acht geben. Es wäre wirklich eine Tragödie, wenn solch tolle Menschen so sinnlos über die Klinge springen müssten. Mir wird das immer ein Rätsel bleiben.
Zum Abschluss des Tages besuche ich dann noch den Biergarten neben meinem Hotel. Zum zweiten Mal in meinem Leben bestelle ich mir eine Haxe… aber leider, leider schmeckt sie nicht so gut. Nun liegt sie mir schwer im Magen. Selbst schuld, aber irgendwie auch passend nach diesem doch eher zähen Tag. Trotzdem: Wäre die Frage, ob ich lieber so einen Tag hätte oder einen Tag mit Heinz im Büro verbrächte, wäre die Antwort keine Sekunde Überlegung wert. Die Wahl würde immer auf meine Knastis fallen. In diesem Sinn freue ich mich wieder auf morgen.
Kommentar verfassen