Heute soll der letzte Spätsommertag sein. Na, schauen wir mal. Aussehen tut’s schon mal gut. Ich fahre in freudiger Erwartung zum Knast, doch mein Lieblings-Beamter ist leider nicht da. Das darf ja wohl nicht wahr sein! Stattdessen ist so ein maulfauler Stoffel vor Ort. Oh man, ich mag ja Menschen, die das Maul nur zum Essen Reinschaufeln aufsperren. Zum Glück geht’s aber zügig mit dem Abholen. Sonst wären mir vermutlich auch die Ohren explodiert – ha ha.
Vor Ort möchte ich kurz in Ruhe aufbauen, aber das geht leider nicht ganz so, wie geplant, sprich allein. Übereifrig sitzen nämlich schon einige dort. Da brauche ich mehr Hirnkapazität, weil ich zuhören und antworten muss, während ich vier Metaplanwände und zwei Flipchartständer bestücke. Da muss ich ja auch auf die richtige Reihenfolge achten. Nicht ganz so einfach, so früh am Morgen. Und jeder will mir sein Döneken erzählen. Irgendwie ist das auch echt putzig, aber ich bin von der ersten Sekunde an sofort gefordert. Einer eröffnet das Gespräch: „Sooooooo, da waren Sie also auch mal genervt?!“ Hää? Genauso muss ich wohl schauen, weshalb er mir auf die Sprünge hilft: „Beim letzten Mal? Ist Ihnen da nicht einer mächtig auf den Zeiger gegangen?“ Aaaaah, daher weht der Wind. Ich grinse nur und sage: „Wie gut doch der Flurfunk funktioniert.“ Sein Grinsen ist noch breiter: „So was spricht sich immer sofort rum. Und es hat so viele gefreut, weil der Kerl einfach ein Arschloch ist.“ Er spricht von dem Kollegen, den ich beim letzten Mal raussetzen musste. Ich gucke ihn an: „Hab ich auf Sie schon mal genervt gewirkt?“ Er schüttelt – immer noch grinsend – den Kopf: „Hätte nicht gedacht, dass das überhaupt wer schafft.“ Naja, er kennt Heinz ja auch nicht. Da geht das immer zügig.
Der heutige Teilnehmerkreis ist engagiert, arbeitet gut mit und hat Spaß dabei. Einer kommt später, weil er noch was erledigen muss. Ich gebe ihm die Liste und fordere ihn auf: „Schreiben Sie doch noch bitte kurz Ihren Namen drauf.“ Der kleine Schnulli grinst mich keck an und fragt: „Wollen Sie die Nummer auch?“ Ich schüttle lachend den Kopf, aber da poltert mein Kollege auch schon los. Puh, er kanzelt ihn völlig übertrieben vor allen ab, obwohl ich das zu unterbrechen versuche. In der Pause kommt der kleine Schnulli zu mir und entschuldigt sich, doch ich winke sofort ab. Er schiebt gleich hinterher: „Ich weiß, Sie sind korrekt und verstehen den Spaß. Aber der nicht. Der hat mich mittlerweile zu oft angemacht.“ Ich pflücke ihn wieder runter und erkläre den Sinn dahinter. Oh man, Gockel untereinander. Aber ich mag den Kleinen hier. Mein Kollege ist noch nicht lange dabei, etwas arg übereifrig, dabei im Verhalten wie der Klischee-Beamte in Kombination mit…mmmh, nun ja… wie drücke ich das diplomatisch aus? Er ist strulledumm. So einfach. Tödliche Mischung? Oh ja!
Es ist bei dieser Schulung immer vonnöten, dass ich bei einer Methode ganz penibel genau sein muss. Was ist tatsächlich das Problem? Dabei höre ich dann immer die ganzen Ursachen. Entsprechend sage ich an solchen Tagen 30 bis 40 Mal: „Ist das echt das Problem? Oder schon wieder eine mögliche Ursache?“ Das entwickelt sich immer zum running gag, dass die anderen dann schon rüberflöten: „Ursachöööööö!“ Der Älteste der Runde sagt dann irgendwann mal: „Aber MB hat doch gesagt, das ist nicht das Problem! Auch das ist nur eine Ursache!“ MB? Wie MB Spiele? Ich denke an Master Bitch. Hey, es gibt Menschen, die mich sogar „Prinzessin Arschkuh“ nennen, also. Trotzdem frage ich nach: „Wofür steht MB? Sind ja absolut nicht meine Initialen.“ Der Gute knetet kurz sein Shirt und schaut mich zerknirscht an: „Haben Sie selbst mal gesagt! Mistbiene.“ Da muss ich lachen. Der Kollege ist Gottseidank längst nach Hause gegangen. Besser ist das. Und passend ist der Name gerade absolut. Die Jungs passen vom Humor her. Es gab nur den einen, der jemals respektlos hier zu mir war. Wo gehobelt wird, fallen auch verbale Späne. Wir bringen den Tag erfolgreich hinter uns… und ich muss gestehen: Schee woars wieda.
Zur Belohnung bestell‘ ich mir im Biergarten neben meinem Hotel Käsespätzle. Da kann man die besten Gesellschaftsstudien überhaupt machen. Eine junge Familie tritt auf. Früher: Vater geht vor, Mutter läuft mit Rotzigem hinterher und setzt sich hin, wohin es den Herrn zieht. Heute: Der Kleine, ca. drei Jahre alt, läuft kreuz und quer. Papa setzt sich, Mama setzt sich. Der Rotzige brüllt: „NICHT SETZEN!!!!“ Mama redet beruhigend: „Doch. Wir wollen doch was essen.“ Das AK will nicht und brüllt weiter. Alle Stühle sind gleich, aber er will woanders sitzen. Mama und Papa stehen auf und setzen sich dorthin, wo der Kleine das gerne hätte. Ich bin alt geworden… ganz eindeutig. Gut, der Todesblick meines Vaters war jetzt auch bestimmt nicht das richtige Mittel. Aber wie wär’s mit: „Christopher Magnus Fabrice, willst Du was essen oder sofort wieder heim und ins Bett?!“ Wäre schon schön, wenn Kinder auch heutzutage mal ein Nein zu hören bekämen. Nein, daran zerbricht ihre Seele nicht – Doppel-Schwör!
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