Nach zwei Tagen nahezu Dauerregen, scheint heute echt die Sonne. Damit hatte ich so gar nicht gerechnet. Aber sie scheint so, wie ich das mag: Angenehm und nicht stechend. Dazu gibt es immer mehr Gelb-, Rot- und Rosttöne um mich herum. Ich liebe diese Farben an den Bäumen und Sträuchern. Wenn dann die Sonne scheint, ist es einfach wunderschön. Und so fühle ich mich innerlich friedlich.
Heute geht’s zum Frühstück in die Münchner Innenstadt. Auf S-Bahn angewiesen, kann ich es eh nicht richtig timen, also bin ich 20 Minuten zu früh vor Ort. Dabei bin ich schon geschlendert und nicht im Stechschritt – wie sonst – unterwegs. Die Luft ist klar und frisch, was total gut tut. So macht das Schlendern Spaß. Und im Glockenbachviertel sieht es zudem auch nett aus.
Ziemlich überrascht bin ich davon, wie viele Leute in dem Laden sind, den wir ausgesucht haben. Zum Glück habe ich reserviert. Es gibt tatsächlich einige ganz Harte, die draußen in der Kälte sitzen. Da der Außenbereich vormittags komplett im Schatten liegt, ist es hier echt zapfig. Das würde ich echt nicht packen.
Wir reden über alles Mögliche und kommen an Corona natürlich auch nicht vorbei. Eine der beiden ist seit März bereits zweimal geflogen. Für mich derzeit noch unvorstellbar. Die andere hofft, dass ihre Reise übernächste Woche nach Griechenland nicht noch gestrichen wird. Sie wird von dort aus einen Segelturn machen. Mmmh, ich bemerke mal wieder, wie konservativ ich wohl bin. Mein Chef nennt mich zwar gerne eine Grenzgängerin, aber bei Vorschriften bzw. Ermahnungen zur Vernunft bin ich einfach linientreu. Oder…vielleicht hänge ich auch mehr an meiner Gesundheit? Die beiden über zehn Jahre jüngeren und deutlich sportlicheren (wieso eigentlich die Steigerung „sportlicher“? Nahezu jeder ist sportlicher als ich, weil ich eben so gar keinen Sport betreibe…) Ladies hätten vermutlich auch mildere Verläufe, sollte es sie erwischen? Aber es gilt auch, solidarisch zu sein, finde ich. Auch wenn es mich nicht so schwer treffen würde wie einen 80-Jährigen, kann ich diese Gruppe doch auch stärker gefährden, da ich zum Überträger werden kann. Keine Ahnung, was da richtig ist. Ich merke nur ganz klar den Altersunterschied.
Ein anderer Punkt, an dem ich das festmache: Beide Mädels sagen, dass ein Raucher für sie als Partner partout nicht infrage käme. Ich schaue von einer zur anderen und bemerke trocken: „Ok, ich bin eindeutig alt. Ich mag es zwar auch nicht sonderlich, würde aber niemanden rigoros ablehnen, der raucht. Allerdings ist das in meiner Alterssparte auch weit häufiger vertreten als in Eurer.“ Tja, da geben sie mir recht.
Irgendwie gibt es hin und wieder Hinweise, dass ich nicht mehr taufrisch bin, aber meist kann ich das gut verdrängen, doch in solchen Momenten wird es mir wieder ganz deutlich. Aber mit der inneren Reife, die mit dem Alter einhergeht (haha), tut es auch nicht wirklich weh. Wenn ich daran denke, welche Gedanken und Vorstellungen ich noch vor 11, 12 Jahren hatte, dann bin ich froh, dass manche dieser von sich aus in Wohlgefallen aufgelöst haben.
In der Bahn registriere ich mal wieder Menschen, die brav die Maske tragen und solche, die zwar den Mund bedecken, nicht aber die Nase. Und da bin ich immer hin- und hergerissen: Soll ich sie auffordern oder einfach die Schnüss halten? In der Regel halte ich tatsächlich die Schnüss, weil ich keinen Bock auf Diskussionen habe. Andererseits…wenn wir alle so denken, steigen die Zahlen unaufhörlich weiter. Es sind zwei schwarze Frauen, die sich miteinander unterhalten. Bei beiden endet die Maske unter der Nase. Ich erinnere mich an etwas, das der Sozialarbeiter am Freitag gesagt hat: Das Bewusstsein der Geflüchteten zu Corona sei ein völlig anderes. Während einige Deutsche Panik schieben oder sich zumindest Sorgen machen, winken die Geflüchteten bei dem Thema ab. Sie hätten einen Krieg überlebt, seien tausende Kilometer durch diverse Länder geflohen, wo schlimme Zustände geherrscht hätten. Wenn sie das überlebt hätten, was wolle ihnen dann ein Virus anhaben? Und ehrlich? Diese Argumentation verstehe ich. Ich habe meine liebe Mühe, die Menschen zu verstehen, die Corona leugnen, es abtun als etwas, das „die da oben“ erfunden hätten, um uns zu kontrollieren. Alles Schwachfug aus meiner Sicht. Aber Menschen aus Kriegsgebieten muss so eine „Lappalie“, wie ein fürs Menschenauge unsichtbares Virus, unwichtig erscheinen. Die liebe Relation, hm?
Und ein anderes Thema kreist noch in meinem Kopf herum. Letzte Woche habe ich mit einem Kollegen in höherer Führungsposition gesprochen. Im Grunde mag ich ihn, aber er ist nicht umsonst an der Stelle, an der er ist. Als ich ihm das in einer Unterhaltung so auf den Kopf zusage, meint er grinsend: „In meiner Position und drüber findest Du ganz klar die größten Narzissten.“ Stimmt, wobei ich denke, dass es auch anders gehen kann – und muss. Aber vor allem die Frauen, die es auf diese Position geschafft haben, sind oft noch härter als die Männer. Das ist so schade. Es sind die „weiblichen Eigenschaften“, die manche Unternehmen gerade auch in der Unternehmsführung vermissen lassen. Stattdessen sind die Frauen in den Positionen aber meist weit entfernt von weiblich. Und ja, ich weiß auch, dass es schwer ist, sich zwischen all den Herren zu behaupten. Dennoch ist es kein Zustand, der so bleiben sollte. Meinem Kollegen sage ich dann auch, dass ich nicht wisse, wie ich es positiv formulieren oder abgeschwächt sagen könne, was ihm ein Lachen entlockt: „Warum eierst Du auf einmal so rum? Du bist doch sonst so direkt!“ Stimmt auch wieder. Also setze ich wieder an: „Ich nehme Dich als manipulativ wahr.“ Jetzt ist es raus. Er nickt und ergänzt stolz: „Ich kann Menschen die reinste Scheiße als etwas Tolles verkaufen. Das kann ich richtig gut.“ Puh. „Ob das erstrebenswert ist? Jeder manipuliert auf seine Art.“ Da verstärkt er sofort: „Eben! Jeder, auch Du!“ Ich pflichte ihm bei: „Und doch verfolge ich dabei nicht meine Ziele und Überzeugungen, sondern unterstütze denjenigen darin, seine selbst gesteckten Ziele zu erreichen. Du lenkst die Geschicke so, dass sie Dir in die Karten spielen. Das ist für mich ein riesiger Unterschied.“ Er stutzt, überlegt und sagt dann: „Da könntest Du Recht haben. Aber das ist für mich ok. Ich sage immer: Gut, dass keiner meine tiefsten Abgründe kennt.“ Spricht´s und grinst dazu. Meiner Miene kann man entnehmen, dass ich das eher humorlos sehe. Wenn das etwas Tolles sein soll, dann passe ich. Interessanterweise schockiert es ihn nicht mal, dass ich durchschaue, was viele um ihn herum nicht wahrnehmen. Die meisten sehen in ihm einen Menschenfreund, sozialen Typen, der immer positiv daherkommt. Dabei schart er ausnahmslos Gleichgesinnte um sich. Anders Denkende tötet er karrieretechnisch sofort. Dumm. So wird sich ja nie etwas verändern, Probleme immer auf die ewig gleiche Art gelöst und keine Entwicklung stattfinden. Es geht immer nur ums Schachern, darum, wie man sich selbst ins beste Licht rückt. Mir fehlt die Ehrlichkeit. Jemand, der sagt, was er wirklich denkt, fehlt. Wenn dies nämlich einer tut, wird er zwangsläufig zurückgestuft. Und das im 21. Jahrhundert! Ist niemandem dieser Leute mal aufgefallen, dass die Monarchie in Deutschland abgeschafft wurde?
Ich mag Menschen, die auch mal anders sind. Ich muss nicht ihre Meinung in allem teilen, um sie zu schätzen. Wohingegen mir diese Speichellecker einfach zuwider sind. Aber genau die schaffen es auf die höheren Posten. Schrecklich. In meinem nächsten Leben werde ich ein Einhorn. Dann habe ich mit diesem Driss einfach nix zu tun. Politische Ränkeschmiederei konnte mich noch nie faszinieren. Da scheine ich aber relativ allein dazustehen. Naja, Einhörner wurden zuletzt ja auch eher selten gesichtet. Die wissen schon, warum. Clevere Wesen…
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