So, nun geht´s nur noch einmal. Was? Na, dass ich gezogen werde. Und diese Chance werden sie doch wohl endlich mal ergreifen, oder? Kann doch echt alles nicht wahr sein. Ich habe schon auf den Bulli verzichten müssen. Da kann der Porsche doch zumindest mir gehören.

Ich schleppe mich Müsli mampfend und Kaffee schlürfend zeitig an den Rechner. Es gibt nur lauter Kleinkram zu tun, was ok, aber irgendwie langweilig ist. Ich mache gerne Meter – nicht so das fieselige Drumherum. Darin sind ja auch manche Leute echt gut. Archivare, zum Beispiel. Die haben eine Engelsgeduld für so was. Da würde ich mir lieber die Zehennägel ziehen lassen, als mit so jemandem den Job zu tauschen. Nur gehören solche Aufgaben auch hin und wieder dazu. Trotzdem doof.

Der Chef des Nachbarteams war am Montag sehr in Eile und irgendwie angespannt. Da er schon zwei Mal Burnout hatte, würde ich ihm gerne ein drittes Mal ersparen. Kurzerhand stelle ich ihm für Montag einen Skype-Termin ein, was er damit quittiert, dass er sofort durchklingelt. Aaaaaah ja. Man, er freue sich so, dass ich einen Termin eingestellt hätte. Dauernd würde er das vergessen, dabei genieße er das doch immer so, wenn wir uns austauschen. Und auch, wenn wir meilenweit auseinanderhängen, was unsere Ausbildung und dergleichen betrifft, haben wir auch Parallelen. Er ist auch jemand, der nicht Dienst nach Vorschrift macht. Er hat ebenfalls immer den Kunden im Blick. Und genau deswegen schätzt er mich auch so. Irgendwie süß.
Ganz nebenher hat er drei gerade nahezu ausgelernte bzw. fertig Studierte Zuhause. Für die ist die Lage natürlich gerade richtig bitter. Wenn ich mir vorstelle, wie Du als Elternteil selbst die Welt nicht recht begreifen kannst in diesen Tagen und siehst dann noch die Angst und Sorgen Deiner Kinder, die am Anfang ihres Berufslebens stehen…puh, dann möchte ich da nicht tauschen. So hat wohl jeder sein Päckchen zu tragen. Nur hin und wieder hilft es doch, wenn sich mal einer erkundigt, wie es einem denn so geht, oder? Und auch bestätigt: Ja, diese Zeiten sind für keinen lustig. Wir skypen jetzt nicht nächsten Montag, sondern treffen uns übernächsten Montag live und in Farbe. Das ist ihm einfach lieber. Na, mir soll´s recht sein.

Nebenher geht dann ein Anruf ein, dass mein alter Chef (von der vorherigen Arbeit) unser Treffen für heute Abend canceln muss. Nein, nicht wegen Corona. Er leidet an ganz ordinärer Migräne. Na, der traut sich was. Ich rufe beim Italiener an und storniere die Reservierung. Dabei wünsche ich ihnen für die anstehende Schließung alles Gute und versichere, dass ich danach wieder zu ihnen käme. Der Mensch am Telefon wirkt richtig bedrückt.
Wohin ich auch gerade schaue – an vielen Ecken und Enden stöhnen die Leute, haben Angst und wissen nichts mit sich anzufangen. Das Schreckgespenst „Lockdown light“ schreckt mich irgendwie nicht. Ja, geil finde ich auch was anderes. Aber einen Monat noch mal ein bisschen zu verzichten, kann ich nicht als sooo schrecklich empfinden. Dafür werden die Klagen wieder deutlich mehr. Und die aggressive Stimmung steigt auch. Erst gestern habe ich ein paar Artikel gelesen, die sich mit dieser zunehmenden Aggressivität befassen, was in den Kommentaren für richtig Hass und Hetze sorgte. Da bin ich dann immer erstaunt. Die Leute, die am lautesten schreien, sie würden eingeschränkt in ihrer Freiheit, sind die, die dann zu gewalttätigem Durchsetzen ihrer Rechte auffordern. Ja, wo sind wir denn mittlerweile angekommen? Seit wann gilt denn wieder das Faustrecht? Irgendwie ist die Situation so absurd, dass sie fast schon wieder komisch ist…aber auch nur fast.

Gestern hatte ich dann noch mal eine Begegnung der dritten Art mit einer echt netten Kollegin. In unserem Unternehmen herrscht Krisenstimmung, da die Kurzarbeit noch nicht verlängert wurde und keiner weiß, wie es weitergeht. Also schreibe ich: „Der Betriebsrat ist – gelinde gesagt – geschockt.“ Da schreibt sie allen Ernstes zurück: „Wer ist Gelinde?“ Ich breche ab und kann nicht glauben, dass sie das ernst meint, was ich dann natürlich auch erfrage. Darauf schreibt sie: „Solche altmodischen Wörter habe ich nicht in meinem Wortschatz.“ Und da habe ich es wieder: Ich bin wohl einfach alt und in die Jahre gekommen. Als ich später den Fanatismus einiger erwähne, schreibt sie: „Fanatismus musste ich erst mal googeln.“ What??? Als ich schreibe, dass ich den Wink verstehen würde, dass ich wohl alt sei, schreibt sie noch: „Nein, Du bist nicht alt. Du weißt nur viel.“ Ist klar. Dabei handelt es sich hierbei ja keineswegs um außergewöhnliche Wörter oder gar krasse Fachbegriffe. Puh! Aber gut, mein Chef spricht ja auch immer von „propagandiert“ und „fundamentierter Meinung“. Vermutlich bin ich irgendwie hier die Außerirdische.

Da ich heute keine Pizza bekomme, entscheide ich mich kurzerhand dafür, ins Wasser zu gehen. Logischer Zusammenhang, oder? Aber keine Sorge, damit meine ich nur eine heiße Wanne. Hier war es heute wieder so usselig, dass ich mir nach einem Tag doofen Rumsitzens am Laptop den Genuss des angenehmen Wassers gönne. Herrlich! Damit ist mein Magen zwar noch nicht gefüllt, aber da finde ich schon auch noch was. Im Grunde meines Herzens bin ich ja ein Eichhörnchen: Ich sammle genug Zeugs für schlechte Zeiten an. Bis ich hier verhungern würde, ginge es eh zunächst noch an die Fettreserven, die aber noch lange aufrechterhalten blieben, da ich immer genug in der Bude habe. Ist irgendwie so eine komische Angewohnheit, die ich von Zuhause übernommen habe. Aber nein, Toilettenpapier, Reis und Nudeln habe ich nicht in rauen Mengen. Aber mit meinem Schnützkram bringe ich jeden Diabetiker locker ins Zuckerkoma. Der Lockdown darf also ruhig kommen.

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