Der Tag startet ruhig. Ich bin erst um 10 Uhr zum Frühstück bei meiner lieben Kollegin verabredet. Statt des Kurzarbeitstages am Freitag habe ich ja heute frei. Nach dem kompletten Schulungs-Wochenende ist das echt ein Segen. Bevor ich losstarte, rufe ich aber erstmal meinen Chef wegen der Rechnung an. Er rührt sich nicht – mich wundert´s nicht. Als ich es eine Stunde später versuche, bekomme ich ihn dann doch noch ans Rohr. Eigentlich weiß ich ja, dass offene Fragen immer zielführender sind. Da ich aber weiß, dass mein Chef seine Mails regelmäßig nicht liest, habe ich „DRINGEND“ in den Betreff geschrieben, in der Hoffnung, dass die scheele Minka das dann doch entdeckt. Trotzdem frage ich geschlossen, nachdem er sich noch nicht mal meldet und ich nur anhand der Hintergrundgeräusche schätze, dass da jemand am anderen Ende ist: „Hast Du meine Mail von gestern Abend schon gelesen?“ Seine sagenhafte Antwort: „Jo.“ Stille. Gut, streng genommen hat er meine Frage ja beantwortet. Ich will ihn dennoch schütteln: „Und? Hast Du schon beim Einkauf nachgefragt? Oder kannst Du mir den Kontakt nennen, an den Ihr das weitergegeben habt?“ Nein, er habe sich auf die Suche nach der Rechnung begeben, die er an den Chef-Chef weitergeleitet habe. Damit ihm der Ernst der Lage klar wird, sage ich: „Wenn die Kohle nicht angewiesen wird, darf ich nicht teilnehmen.“ Völlig verdutzt reagiert er: „Worum des net?“ Alter! Ich finde das Verhalten von Menschen in Konzernen bisweilen schräg. Noch schräger wird´s, wenn man seit der Ausbildung – also seit 45 Jahren – in ein und demselben Konzern tätig ist. Das sind Leute, die auch nie ein Bewusstsein für Geldeinsparungen haben, weil es ja nicht ihres ist. Und so fehlt ihm dann auch das Gespür dafür, dass Selbständige vorab ihre Kohle erhalten müssen, da sie sonst oft genug auf den Kosten sitzenbleiben. Gut, er würde sich kümmern.
Na, dann kümmere ich mich mal um die Semmelbeschaffung und fahre zu meiner Kollegin. Wir freuen uns auf das Wiedersehen, weil schon wieder Wochen vergangen sind. Es geht ihr endlich besser, was mich so sehr freut. Es tut mir leid für jeden, der psychisch angeschlagen ist, weil das einfach eine richtig ätzende Scheißzeit für diese Leute zu den jetzigen Bedinungen ist.
Ich habe meinen Laptop im Gepäck, um meine Vorbereitungen für den Kurs für morgen zu machen. Ursprünglich hätten wir den zusammen gemacht. Nun holt sie das im neuen Jahr nach. Eigentlich sollte es Präsenzunterricht sein, nun ist es aber online mit Programmen, die ich leider noch nicht so gut kenne. Mir reicht es ja schon, wenn ich die Thematik noch nicht so kenne. Wenn dann noch technische Erschwernisse dazukommen, verspüre ich mehr als nur leichte Panik. Und dann kommt der Klopper: Das Handbuch ist auf Englisch. Der Unterricht zwar morgen und übermorgen auf Deutsch, aber die Prüfung für die Zertifizierung am Freitag wiederum auf Englisch – mit etlichen Fachtermini. Mein Hirn streikt. Manchmal ist es ja förderlich, als Steinböckchen Hörner zu haben – hier leider nicht. Ich mache komplett dicht. Meine Vorstellung ist, dass ich den Test im Vorfeld nur mit wenigen Fehlern absolvieren darf. 85 Prozent benötige ich zum Bestehen. Meine Kollegin klärt mich in meiner Panik auf: „85 Prozent bei der Abschlussprüfung. Hättest Du die jetzt schon, bräuchtest Du den Kurs ja gar nicht.“ Ach so! In panischen Momenten setzt meine Logik leider völlig aus. Ich absolviere den Test, bei dem ich in 30 Minuten 30 Fragen beantworten muss – auf Englisch. Aus Panik (wieder einmal), das zeitlich nicht zu schaffen, hetze ich so, dass ich noch acht Minuten Restzeit habe. Ich bin so ein Spaten! Das Ergebnis liegt bei 60 Prozent. Alles gut. Trotzdem bin ich völlig fertig und müde.
Es hilft aber alles nichts: Ich habe noch meine Prüfungvorbereitung zu meiner privaten Ausbildung heute Abend vor mir. Das liebreizende, supertruper Kracherthema ist Suizidalität…ok, gewürzt mit hervorragenden, fröhlichen Infos zur Rechtskunde. Ich bin knatschig. Aber auch die Zeit geht rum. Vorher telefoniere ich noch mit meinem Chef, verschicke Mails an den Trainer für morgen, dem ich auf die Mailbox quatsche, ob ich denn nun teilnehmen dürfe? Er könne zurückrufen…ich sei allerdings ab 18:30 Uhr in einer Online-Schulung. Er ruft zurück, und ich darf teilnehmen – juchuuuuu! „Aber heute Abend noch eine Fortbildung? Mach´ nicht zu lange! Die nächsten beiden Tage werden sehr anstrengend.“ Na, wer braucht da noch Motivation? Zum Suizid, meine ich…? 😉
Es wird alles klappen, aber Samstag und Sonntag werde ich ausschließlich rumgammeln, weil ich zu mehr nicht mehr in der Lage sein werde. Ich weiß: Alles selbst gewähltes Schicksal…und es freut mich auch total. Aber so langsam ist mein kleines, armes Hirn müde. Wen wundert´s?
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