Heute soll der vorerst letzte schöne Tag für dieses Jahr sein. So sieht es auch aus, als die Sonne langsam emporkrabbelt. Durch die kahlen Bäume sehen die durchschimmernden Sonnenstrahlen toll aus. Ach ja…und ich darf dazu arbeiten. Hin und wieder schweift mein Blick allerdings ab, wobei ich einen Buntspecht in den Bäumen entdecken kann. Ich werde mich nie an Home Office gewöhnen. Das liegt bei mir einfach an der Verführbarkeit und Ablenkungsmöglichkeiten. Viele würden es ja durchaus begrüßen, öfters von daheim aus arbeiten zu können. Bei mir ist es einfach nicht so. Zum Glück ist jeder Jeck anders.

Der Tag plätschert so dahin. Gegen Mittag habe ich dann eine Skype-Konferenz mit drei Kollegen – alle alt gedient, sehr von sich überzeugt. Heute soll das Thema klassisch vs. agil besprochen diskutiert werden. Na hossa! Es ist für mich immer wieder erstaunlich, wie so viele an Altbewährtem festhalten wollen. Klar, neue Methoden müssen nicht immer per se besser sein. Aber als Berater würde ich eine gewisse Neugier und offene Haltung voraussetzen. Das suche ich hier allerdings vergeblich. Da ist nichts von Offenheit zu entdecken. Es findet zwar alles ohne Bild statt, aber ich sehe vor meinem geistigen Auge ganz klar die verschränkten Arme bei herunterhängenden Lefzen. Und dann lausche ich einem Kollegen, wie er „agil“ übersetzt und sagt, wie sehr sie doch immer schon agil gearbeitet hätten – auch mit klassischer Vorgehensweise. Zunächst stutze ich, weil ich Agilität völlig anders verstehe, aber zur Sicherheit befrage ich lieber noch mal den lieben Dr. Google. So bestätigt, erkläre ich meine Sicht. Und plötzlich macht es „pling“, wie mein Chef so hübsch bemerkt. Sie verstehen, was damit gemeint ist. Ich verstehe nur nicht, warum mir diese Aufklärungsarbeit zufällt? Sie beschäftigen sich schon viel, viel länger mit dem Thema. Und dann soll ich doch bitte formulieren, wie wir das zukünftig den Kunden präsentieren wollen. Ääääh? Und dann bitte auch gleich auf dem Whiteboard notieren. Ach, und wenn ich schon mal dabei bin: Kann ich das irgendwie für meinen Chef in eine Doku packen, weil er ja auch mit unserem Chef-Chef darüber reden müsste. Da äußere ich mal meine Bitte: „Darf ich da bitte dran teilnehmen?“ „Jo, selbstverständlich, wennst des moagst.“ Jo, des moag i fei scho, denn da soll ja auch was bei rumkommen. Meine Ma hat das immer so schön formuliert: „Lass´ mir oder mich arbeiten, hm?“ Trotzdem springe ich immer drauf an, weil ich es ja auch erledigt haben will.
Im Anschluss sprechen mein Chef und ich dann noch die Aufgaben fürs nächste Jahr durch. Ich kann die Zusatzaufgabe, die er mir unbedingt umhängen will, in der verkürzten Zeit nicht stemmen – beim besten Willen nicht. Das sieht er auch so. Daher will er es zwischen Heinz und mir aufteilen. Leider müssten wir dazu im regelmäßigen Austausch sein und miteinander arbeiten. Aaaaaaaaaaah! Trocken merke ich an: „Na, wenn das nicht mal ein beschissenes Geburtstagsgeschenk ist. Ich habe zwar erst in knapp anderthalb Monaten, aber danke fürs Drandenken!“ Mein Chef lacht leise: „Do bringst jetz Du mi in a bleede Situation.“ Ich kann nicht anders: „Ach was?! Du mich aber noch mehr, Schönne!“ Er weiß es, findet aber keine andere Lösung. Ich frage nach: „Hast Du eine Ahnung, welche Foltermethoden ich diesem Kerl in meinen Gedanken schon habe angedeihen lassen?“ Da lacht er wieder: „Na, abo des setzt ja net um, gä?“ Gerne würde ich darüber nachdenken, aber das ist natürlich keine Option. „Woas mi so wundan daat: Wie konn des sei, des dea Dia so noh kimmt? Du bis eam doch total üba!“ Ich seufze: „Ja, aber das weiß er erstens nicht, und zweitens verdient der Dünnbrettbohrer mehr als das Doppelte von mir für weit weniger Arbeit, während er sich aber drittens so aufführt, als sei er Gott.“ Mein Chef verneint: „Des is doch bloß dem sei Unsichaheit.“ Ist es das? Keine Ahnung. Und ehrlich? Es ist mir auch wurscht. Wenn einer gut ist, kann ich gut gönnen. Wenn einer faul ist, andere für sich arbeiten lässt, aber sich mit fremden Federn schmückt, sich über alle erhebt und jeden von uns herablassend behandelt und mit „ich ergänz´ das gerade noch mal von XY“ spickt, während er dabei mit Kohle zugeschissen wird…mmmmh, dann triggert mich das bis zum Aderplazen. Ich schlage meinem Chef vor, er solle den anderen Kunden (den Heinz dann übernehmen soll) doch fragen, ob sie zeitinteniv und viel Unterstützung bräuchten, dann würden sie Heinz bekommen, oder ob sie auch mit weniger Zeit einverstanden wären, dann gäbe es mich. Da lacht er wieder: „Die Froage muss i net stell´n. Da kenn´n ma beidä die Antwoat.“ Das Ego in mir schreit: „Tu´s trotzdem, und zeichne es bitte auf!!!!!“, doch ich unterdrücke mein Ego mal brav. Mein Chef befürchtet dann nur, dass der Kunde trotzdem immer mehr fordern würde und ich absaufen würde. Mir persönlich wäre das immer noch lieber, als mit Heinz arbeiten zu müssen. Doch so, wie es aussieht, komme ich aus der Nummer nicht raus. Aber mein Chef bietet sich als Puffer an und würde bei gemeinsamem Austausch dabei sein. Na prima, das hilft mir aber ungemein.
Hat irgendwer eine Ahnung, wie sehr ich mich aufs nächste Jahr freue? Richtig, so gar nicht. Warten wir´s ab, ob ich nicht doch meine Foltermethoden in die Tat umsetze. Leider kann ich dann nicht mehr hier schreiben, weil es im Knast kein Internet gibt. Naja, einen Tod muss man halt sterben, hm?

Und nachher geht´s in die nächste Runde. Nicht mit meinem Chef oder Heinz, dafür aber mit meiner Fortbildung. Die zwei Stunden werde ich locker runterrocken, bevor ich dann wieder zeitig pennen gehe. Wem geht das eigentlich noch so: Ich denke jeden Tag, wenn es dunkel wird, dass ich jetzt gleich ins Bett gehe, weil ich schon so müde bin – dabei ist es dann gerade mal 17 Uhr. Dabei arbeite ich jetzt nicht mehr als sonst. Aber irgendwie bin ich wohl eine Art Tier, das Winterschlaf halten will, aber von anderen davon abgehalten wird. Komisch, komisch. Die sonnigen Tage scheinen echt vorbei zu sein – das weiß ich spätestens seit heute. In diesem Sinne: „Der Hauptgrund für Stress ist der tägliche Kontakt mit Idioten.“ Albert Einstein. Dabei kannte der Heinz nicht mal! 🙂

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