Heute wird’s nicht mal richtig klar da draußen. Die ganze Zeit herrscht diese dicke Wolkensuppe am Himmel und lässt die Sonne nicht mal für einen kurzen Augenblick raus. Herrliches Wetter für Bügelstunden. Dazu lausche ich dem Radio und muss schmunzeln. Meine Sis ist, was Musik betrifft, zwar wahnsinnig musikalisch (viel mehr als ich), aber Künstler- oder Bandnamen sind nicht so ihres. Vor Jahren hat sie zwei Mal getippt, das sei doch jetzt wohl REM, was beide Male völlig daneben war. Selbst die Jungs ziehen sie damit auf: „Wer singt das, Mama? Bestimmt REM, oder?“ Tja, das haben sie von mir gelernt. In unseren Breitengraden nennt man das „kreete“. Als vorhin dann „Losing my religion“ im Radio läuft, rufe ich laut lachend ins leere Haus: „Jetz abba ma! Da ham wir die Jungs von REM!!! Bingo, Bingo, Bingo!“ Das ist so ein Phänomen: Ich rede mit zunehmendem Alter und anhaltendem Single-Dasein immer öfter mit mir selbst – beim Einkaufen auch. Da murmel ich so vor mich hin, bis ich das registriere und mir selbst den Mund verbiete… nur um dann laut über mich zu lachen. Ich werd‘ echt immer schrulliger.
Ist aber nicht so, als würde meine Sis sich nicht auch über mich lustig machen. Sie will nähen, was sie bekanntlich in dem Raum macht, wo ich derzeit schlafe. Klar, wenn ich nicht da bin, muss der ja nicht brachliegen. Jetzt ist der Raum natürlich etwas voller, aber sie kann nach wie vor hier nähen. Damit wir aber weiter „mullen“ (=quatschen, quasseln, reden, klönen) können, begleite ich sie. Hand anlegen werde ich selbstverständlich nicht – es soll ja gut werden. Ich eigne mich nur für niedere Dienste, wie Maskenbügeln. Irgendwann sucht meine Schwester das Bad hier unten auf, was ich immer gleich mit okkupiere. Schließlich haben die oben ihr eigenes und im Erdgeschoss ein Gäste-WC. Meine Sis kommt zurück und haut sich lachend auf die Oberschenkel. Ich vermute, ich hab eine fette Spinne übersehen, weil ich immer erst oben die Brille anziehe und aufgrund der Kurzsichtigkeit vieles gar nicht so genau registriere. Aber nein, das ist nicht der Anlass zur Heiterkeit. Im Bad haben sie hinter dem Waschbecken ein Mäuerchen hoch gefliest. Sie habe bislang nie verstanden, wozu man das brauche… Aber ich hätte sie doch nun wirklich nicht mehr alle. Das kann ich wiederum nicht verstehen. Wenn ich doch eine Ablagefläche habe, dann muss ich die doch auch voll nutzen, da sich die Gute sonst unnütz (was für ein Wortspiel!) vorkommt. Es ist also die gesamte Fläche ausgeschöpft. Da stehen die elektrische Zahnbürste, Zahnpaste, Deos (immer zwei, denn der Winter könnte hart werden), Parfüm, Haarpflegeprodukte (ja, Mehrzahl!), Cremchen, Tübchen, Püderken, Rouge, Eyeliner, Wimperntusche, Abschminkzeug, Augenbrauenpinsel, Lippenstift, Pinzette und und und rum. Ich sag ja: Es könnte ein verdammt harter Winter werden. 🤷♀️ Meine Sis hat im Bad oben nicht mehr Platz als ich, den sie aber zu viert nutzen und noch lange nicht vollgestellt haben. Kann ich nicht verstehen. Das ist, als hätte ich einen AMG in der Garage stehen und würde nur zum Einkaufen um die Ecke fahren. Oder ich hätte einen Mann, würde allerdings nie mit ihm schnackseln. Oder wäre beim Italiener und würde mein eigenes Bütterken auspacken. Denn ja, ich bin ein Mädchen. Und zu echten Mädchen gehört, dass sie Macken haben müssen. Ok, ich hab vielleicht ein paar besonders ausgeprägte, doch die sind voll ok für mich.
Ach ja, Familie ist eben, wenn man völlig verschieden ist, sich trotzdem lieb hat und gegenseitig richtig gut auf die Schippe nehmen kann. Oder, wie lautet der Spruch: „Zuhause ist da, wo Du den Bauch nicht einziehen musst.“ Bequeme Joggingbuxe eben… Da bin ich mal gespannt, wie das an Weihnachten so sein wird.
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