Als ich aufstehe, ist draußen alles schon ganz weiß. Ach, das ist einfach wunderschön. Und es schneit weiter. Ich nehme mir fest vor, eine Runde spazieren zu gehen…also irgendwann…also….ääääh. Aber zunächst einmal bin ich zum Telefonieren verabredet. Und da höre ich auch schon etwas Sorgen heraus. Im Gegensatz zu mir, darf die Mitschülerin von mir nämlich schon im März zur Prüfung antreten. Es wird unterschiedlich gehandhabt – einmal Stadt und auf der anderen Seite Land. Naja, und nun haben wir eben bereits Januar. Mit anderen Worten: Der März ist nicht mehr weit. Da steigt die Panik. Kennt Ihr dieses Phänomen auch? Es gibt Menschen, da bin ich mir sicher, die schaffen das ganz locker, die haben es drauf, die sind echt gut. Genau die machen sich dann Sorgen, fühlen sich nicht fit, clever, vorbereitet genug und hadern mit sich und allem. Und dann gibt es die anderen, die so augenscheinlich nichts auf die Kette bekommen, wenn sie Fragen stellen, dann sind es wirklich so aua-saudämliche. Aber die verfügen über so eine eingebaute Zuversicht. Oder ihnen fehlt die Vorstellungskraft, das Ganze wirklich zu umreißen. Ich weiß es nicht, aber mir fällt das immer wieder auf. Und natürlich gibt es immer diese Panikhummeln, die schon damals in der Schule ab der Mittelstufe fürs Abi gepaukt haben, während sich meinereiner fürs Leben interessiert hat, aber weiß Gott nicht für Schule. Meine liebe Mitschülerin von heute ist keine Panikhummel. Nur zweifelt sie an sich, ihren Erfahrungen und ihrem Können. Irgendwie ähneln wir uns da – nur steigt bei mir der Puls erst im September, falls ich denn dann zur Prüfung zugelassen werden sollte.
Ob die Prüfungen überhaupt stattfinden? Letztes Jahr im März sind sie ausgefallen. Alles steht und fällt, aus meiner Sicht zumindest, mit den Zahlen der nächsten Tage und Wochen. Wenn wieder mehr getestet wird, dann wird sich auch zeigen, wie viel noch abgesagt werden muss. Was mich wirklich richtig annervt, ist die Tatsache des Schacherns. Wenn die einen sagen: „Wir biegen da vorne ab“, sagen die anderen schon aus Protest: „Vielleicht wollten wir ja lieber geradeaus gehen, hä?“ Und wieder andere mucken auf: „Wir haben ja immer schon gesagt, wir sollten lieber umkehren.“ Mit anderen Worten: Wir sind gefühlt mitten im Wahlkampf. Ich hätte mir gewünscht, dass sich die Politiker wie vernünftige Menschen in dieser Krise gebärden und es eben nicht um Wahlkampf ginge. Diese vielen Profilneurotiker gehen mir zunehmend auf den Zeiger. Wäre ich Frau Merkel…puh, ich würde den Leuten da mal kräftig den Hintern versohlen und dann hinschmeißen. Ich bewundere sie, sich unter Kontrolle zu haben. Ich sage ja immer wieder: Ich wäre in der Politik nicht gut aufgehoben. Bei mir würde zu viel verbrannte Erde entstehen – und in Flammen stehende Hinterteile.
Und dazu rieselt draußen der Schnee munter vor sich hin. Dem Wetter ist es eben völlig pupe, was wir uns für einen Kopf machen. Gestern bekomme ich doch tatsächlich per What´s App den Auftrag, so zu bleiben, wie ich bin. Naja, könnte ich meine Macken ablegen, hätte ich das ja auch schon x-fach getan. Gemeint ist aber etwas anderes. Ein lieber, sehr humorvoller Kollege von mir hat ähnlich große (nämlich gar keine) Motivation, wieder zu arbeiten. Es seien vorher ja schon viele kranke Gestalten in seinem Team herumgesprungen. Er befürchtet nun das Schlimmste. Privat erlebt er auch zunehmende Panik bei seinen Freunden, Bekannten und Verwandten. Ein Freund von ihm wird voraussichtlich auf ein Drittel seines Gehalts zurückgestuft. Dann verdient er nur noch ca. 90.000 Euro. Ok, da würde ich auch weinen. Allerdings wären das bei mir Freudentränen. Andererseits: Wenn Du Dein Leben auf 270.000 Euro Jahresgehalt ausgelegt hast, kommt Dir der Rückschritt vermutlich wirklich wie der Bettelstab vor. Ich finde es schon abartig, wie die Gehälter auseinanderklaffen. Wenn diese Menschen sich sozial aufopfern würden, wenn sie Lahme wieder zum Gehen bewegen könnten, Tote aufwecken, die Pille, die über Nacht 20 Kilos schmelzen ließe, erfinden würden… Aber nein, wir reden von völlig normalen Jobs, die diese Gehälter nicht rechtfertigen. Und wenn dann die fetten Jahre vorüber sind, fallen sie in ein tiefes Loch. Alles irgendwie verrückte Welt. Das sind Sorgen, mit denen ich mich niemals herumschlagen muss.
Irgendwann ertappe ich mich dabei, wie ich „Schneeflöckchen, weiß Röckchen“ laut vor mich hersinge. Da muss ich dann doch lachen. So alle Latten habe ich ja auch nicht mehr am Zaun. Aber das habe ich als Kind schon immer voller Inbrunst gesungen, wenn die Flocken fielen. Irgendwo habe ich stets einen Fehler eingebaut, den meine Mutter mir nicht abtrainieren konnte. Ich denke verzweifelt darüber nach, welches Wort es war. Doch so sehr ich es auch versuche, es fällt mir nicht mehr ein. Wahrscheinlich werde ich diese Nacht irgendwann wach und singe es. Oh man. Und das ist erst der Anfang meiner Zeit allein Zuhause. Wo soll das noch enden? Ich hatte als Kind aber ohnehin immer meine eigenen Wortkreationen. Im Grunde ist das selbst heute noch so. Manchmal mixe ich platt- und hochdeutsch, vergebe andere Begriffe, die ich lustiger finde. So ist und bleibt ein Messer für mich bott und nicht „unscharf“ – so, wie Menschen eben auch „bott“ sein können, was wiederum gar nichts mit Scharfsein zu tun hat. Parkplätze nenne ich niemals so, sondern immer Parki. Oder eines meiner Lieblingsworte: „Öngeldöngerich“. Keine Ahnung, das habe ich irgendwann mal erfunden, weil ich was beschreiben wollte, was irgendwo rausgehangen hat. Aber das verwende ich mittlerweile für ganz viele Sachen. Ein Brüller ist bis heute, dass ich meinem Onkel, der Metzger war, im Kaufhaus hinter der Theke mal zugerufen habe: „Hallo, Onkel Schweinepriester.“ Ihr seht also: So ganz knusper war ich noch nie, aber es hat immer einen Riesenspaß gemacht – also, mir zumindest.
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