Was ist das nur für eine Zeit? Gestern Abend jagt dann noch ein Highlight das nächste. Mein Prüfungsvorbereitungskurs startet, wo uns verkündet wird, dass die Gesundheitsämter wohl prüfen wollen würden, aber große Bedenken hätten, dass eine Prüfung im März überhaupt realisiert werden könnte. Sie denken nicht darüber nach, ob es einen Ausweichtermin geben sollte. Nö, die Prüfung würde dann erssatzlos gestrichen werden – so, wie letztes Jahr. Dies würde zur Folge haben, dass ich demnach erst nächtes Jahr im März geprüft werden könnte, also ein komplettes Jahr nach meinem originären Prüfungstermin. Ihr könnt Euch meine Freude vorstellen? Und obwohl es deutschlandweit eine einheitliche Prüfung gibt, darf ich mich nur hier vor Ort prüfen lassen. Dabei gibt es auch Gesundheitsämter, die noch ausreichend Plätze zur Verfügung hätten. Die Logik kann mir vielleicht mal ein schlauerer Mensch, als ich es offensichtlich bin, erklären? Ich wäre echt dankbar. Eine Ausnahme gäbe es dann aber doch: Ich könnte mich anderswo prüfen lassen, wenn ich nachweisen könnte, dort wirklich anschließend eine Praxis zu eröffnen – vorzugsweise mit einem Mietvertrag, den ich vorlegen müsste. Hä? Wie dumm müsste ich sein, Praxisräume anzumieten, wenn noch nicht einmal klar ist, wann ich die Prüfung ablegen darf? Verstehe einer die Bürokratie dieses Landes. Mir erschließt sie sich absolut nicht.

Als sei dies nicht genug, ruft mein Vermieter an. Jaaaaaaaaa, alsoooooo, er sei sehr zufrieden mit mir als Mieterin. Ääääääh, ja, er wolle die Miete erhöhen. Was ich denn dazu sagen würde? Leider habe ich meine Fanfare gerade verlegt, sonst würde ich prompt reintröten. Daher frage ich nur trocken: „Was erwarten Sie? Freudensprünge?“ Seine ehrlich betroffene Antwort: „Jo, a Mieterhöhung is immer a Scheißdreck, i woaß.“ Na dann! Aber die Miete läge ja deutlich unter dem Mietspiegel. Da muss ich dann doch kurz ironisch auflachen und ihm stecken, dass das so nicht stimme. Es sei sein Recht, die Miete zu erhöhen, aber die Miete sei nicht niedrig, und eine Wertsteigerung habe auch nicht stattgefunden. Jo. Un nu? Es gab im letzten Jahr die Möglichkeit für Mieter, Mieten aufgrund der finanziell angespannten Situation durch Kurzarbeit auszusetzen – gesetzlich sogar gestärkt. Habe ich nicht in Anspruch genommen. Und zum Dank, weil ich ja so eine gute Mieterin bin, bekomme ich jetzt die Erhöhung? Wir reden von 920 Euro Miete für 52 Quadratmeter. Nein, nicht in München. Nein, ohne vergoldete Armaturen. Nein, es steht auch kein Fuhrpark zur Verfügung. Nein, Dwayne Johnson weckt mich nicht persönlich. Nein, Essen ist nicht inklusive. Nein, auch sonst keinen Firlefanz oder Schnickischnacki. Für mich erhöhen sich die Nebenkosten, da ich im Home Office sitze, was er ja weiß, weil seine Mutter in derselben Firma hockt. Sein Vorschlag: „I konnt´ jo a die Miete jetz´ a bissl erhöhn und näxst Joar no a bissl?“ Spitze. Ich weiß nicht, was er von mir will? Die Absolution? Da muss er zu den Pfaffen laufen. Also sage ich ihm wieder: „Es ist Ihr gutes Recht. Tun Sie, was Sie für richtig halten.“ Wie sagt man auf bayrisch: So a Depp, so a bleeder. I mog nimma. Ich will ans Meer, will meine Füße im Sand vergraben. Umziehen ist keine Option, weil mich das auch wieder jede Menge Geld kostet und ich mir sicher bin, dass ich in spätestens zwei Jahren eh hier weg will. Also wieder radikale Akzeptanz. Ach, die können mich langsam alle mal muscheln.

Der Arbeitstag verläuft dann ganz ok. Ich rufe einen eher tiefenentspannten Kollegen an, um zu fragen, wie wir mit der Teamentwicklung weitermachen sollen? Dazu komme ich allerdings erst nach 53 Minuten. Vorher schimpft er sich einen zusammen, wie Scheiße alles sei. Er hat eine Wut im Bauch, wettert über unsere Führungsriege und deren absolute Inkompetenz. Wow. Ich sehe das ja schon lange so, aber dieser Kollege hatte fest darauf vertraut, dass unsere Chefs in Zeiten der Not und des Sturms das Steuer tatkräftig packen und an vorderster Front stehen. Nun sieht er aber, wie sich alle wegducken, die eigenen Leute im Regen stehen lassen und sich nur um sich selbst kümmern. Noch mal: Für mich ist das keine neue Erkenntnis, aber meinen Kollegen nimmt es richtig mit. Und er berichtet von einem wohl eher typischen Männerthema. Er habe drei Bereiche gehabt: Arbeit, seine Frau mit Kind und das Privatleben mit seinen Kumpels. Seit Monaten gäbe es kein Privatleben mehr, weil sich Männer – seine Aussage – in Niederbayern in der Kneipe träfen oder auf dem Sportplatz. Sie kämen nicht auf die Idee, sich zu einem Kumpel auf die Couch zu hocken, was wir Frauen ja immer wieder praktizieren. Die Arbeit sei nun auch abhanden gekommen, weil wir ja nur noch im Home Office säßen. Dadurch fehle der Austausch auch da. Seine Frau sei dann auch noch genervt, weil die Kleine mehr Aufmerksamkeit brauche, er ja Zuhause sei und sich doch auch mehr kümmern könne. Mannomann. Ihr seht schon, wofür wir die 53 Minuten gebraucht haben. Und es wären noch mehr geworden, hätte ich noch einen Anschlusstermin. Runde zwei kommt nächste Woche. Zum Schluss sagt er ganz kleinlaut: „Sorry, jetzt habe ich mich nur ausgekotzt. Wie geht´s denn Dir?“ Naja, ich habe keinen Mann Zuhause, der nörgelt. Ich bin eine Frau und kann auch mal auf einen Kaffee zu einer Freundin oder telefonieren/skypen. Hoppla, mir geht´s dann wohl doch recht gut.

Die Krönung bildet dann die Rückmeldung meiner Kollegin am Abend. Mein Chef hatte ihr eine ominöse Mail geschickt, dass er sie gerne anrufen wolle, aber ihre private Nummer nicht habe. Was er besprechen wolle, ginge so schlecht am Telefon. Aaaaaaaaaaaaaaaah! Andeutungen sind was Feines. Vor allem, wenn man im Krankenstand Zuhause ist und das Schlimmste befürchtet. Diese Furcht habe ich gestern noch versucht, ihr zu nehmen. Dennoch schläft sie schlecht. Sie ruft ihn mittags an, nachdem ich ihr seinen Terminkalender durchgegeben habe. Und was will er wirklich? Sich kurz erkundigen, wie es ihr gehe, um dann sofort mit neunmalklugen Ratschlägen aufzuwarten. Es seien nicht die oberflächlichen Dinge, wie schnittige Autos, die Glück ausmachten. Ach! Ja, das habe er im letzten Jahr gelernt (da war er schon 60, immer schon als eitler Pfau bekannt, der spätestens nach zwei Jahren ein neues Auto als Prestigeobjekt brauchte). Er gehe jetzt jeden Tag spazieren, wobei er heute einen Eisvogel gesehen hätte. Wunderschön. Das seien die Dinge, auf die man sich konzentrieren müsse. Diesen Eisvogel bringt er immer wieder ins Gespräch ein. Ob er ihn als Metapher verwenden will, wird zu keinem Zeitpunkt so richtig klar. Er hat wohl im wahrsten Sinne des Wortes einen Vogel. Er habe ihr dann von all den Problemen seiner Mitarbeiter berichtet, von der psychischen Instabilität seines Kollegen und seines Chefs. Äääääh? Vertrauliche Personalien!!! Und dann kam noch mal der Eisvogel. Ob der wohl auch psychisch instabil ist? Ob das der versteckte, subtile Hinweis sein soll? Ihr Kommentar mir gegenüber: „Mir ist´s Blech weggefallen!“ Da muss ich dann doch lachen. Was denkt sich so ein kranker Vogel eigentlich, wenn er so was absondert? Und ja, ich weiß, er hat´s bestimmt nur gut gemeint. Das kann ich langsam nicht mehr hören! Das Gegenteil von „gut“ ist „gut gemeint“. Ich kann doch nicht niemals in die Führung gehen, dann nach dreieinhalb Monaten Krankenstand anrufen und von den eigenen Befindlichkeiten sowie einem Eisvogel schwafeln und über die Krankheiten der anderen um ihn herum jammern. Soll er doch den Vogel volllabern! Mich regt das auf, während ich es gleichzeitig unbezahlbar finde, wie völlig jenseits manche Menschen doch sind. Wenn ich das irgendwo läse, würde ich es nicht glauben. In einer Soap würde ich rufen: „Völlig überzogen.“ Wobei, wartet mal…das hätte ich getan, bevor ich diesen Chef kennengelernt hätte. Heute würde ich den Autoren ausfindig machen und ihm mehr von diesen Geschichten gegen cash anbieten. Ach, was gäb´ ich drum, manchen Vogel mal so richtig abschießen zu können?

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