So langsam wächst mein Arbeitsvolumen wieder richtig hübsch an. Da kommt in den nächsten Wochen einiges auf mich zu. Und da ich auch neue Konzepte stricken muss/darf, passt es sogar mit der Arbeit von Zuhause. Nur ist das Konzeptionieren so gar nicht meine Spaßarbeit. Trotzdem muss ich es machen, weil es manche Kollegen so gar nicht können. Der gute Heinz (ich muss mal eine Lanze für den Vogel brechen, weil er sich echt bemüht) tut sich damit furchtbar schwer. Man kann ihm so ziemlich jede Präse geben, die er dann mit ganz viel heißer Luft aufbläst, was sogar auf den ersten Blick kompetent wirkt. Aber einen Aufbau, zielführende Auflockerungen und adressatengerechte Aufbereitung liegen ihm einfach nicht. Und auch, wenn ich sehr, sehr gerne mit anderen Menschen zusammenarbeite – konzeptionell arbeite ich am liebsten allein. Ist ähnlich, wie mit dem Schreiben. Wenn wir früher Sketche oder Gedichte für Familienfeiern benötigt haben oder es ums Verfassen von Theaterstücken ging, konnte ich nie etwas damit anfangen, wenn es hieß: „Lass´ uns das doch gemeinsam machen.“ Dann wird nämlich endlos diskutiert, aber es kommt nix aufs Papier. Daher bereite ich immer gerne was vor, das man dann nachher auseinandernehmen, ergänzen oder aufhübschen kann. Manche Sachen gehen – zumindest in meiner Vorstellung – am besten allein. Jaja, ich werde immer schrulliger mit dem Alter.
Ich habe doch letztes Jahr noch mit verdammt heißer Nadel inklusive Wochenendarbeit an einem Teamentwicklungs-Workshop gestrickt. Den haben sie dann ja einen Tag vorher abgesagt, weil die Ansteckungsgefahr zu groß gewesen wäre. Der Ausweichtermin war für den 02.02. vorgesehen. Ratet mal…richtig. Wir dürfen doch ohnehin nicht mehr ins Büro, wenn nicht gerade die Hütte brennt und wir die einzige Person mit einem Feuerlöscher weit und breit sind. Also habe ich die Führungskraft kurzerhand angeskypt. Was soll ich sagen? Es gibt Sorgen, die verblassen vor dem Hintergrund richtiger Probleme. Der Vater meines Kollegen hat letztes Jahr im Sommer eine Krebs-Diagnose erhalten. Puh, da wurde schnell mit Chemo geschossen, was sich dann auch richtig gut zu entwickeln schien. Alles lief super, alle haben sich gefreut, wenn die Nachricht kam: „Ohne Befund“. Kurz nach Weihnachten kam dann allerdings die totale Kehrtwende. Es ging ihm dramatisch schlechter. Das verlief so rapide, dass er mittlerweile ein kompletter Pflegefall ist und in ein anderes Krankenhaus verlegt werden musste. Wenn dies nicht schon schlimm genug ist…aber nein. Aufgrund von Corona-Vorgaben dürfen sie seit dem Krankenhauswechsel nicht mehr zu ihrem Vater/ Mann/ Opa/ Schwiegervater/ Bruder usw. Der Patient selbst, verfügt zwar über ein Mobiltelefon, kann Anrufe aber ausschließlich mit Hilfe entgegennehmen. Und für so etwas ist gerade tragischerweise so gar keine Zeit da. Die Betten sind voll belegt, die Erschöpfung von Pflegern und Ärzten seit Monaten auf einem Höhepunkt angelangt – ohne Aussicht auf baldige Entspannung. Die Angehörigen haben schon fast Skrupel, einmal pro Tag im Krankenhaus anzurufen, weil die Schwestern genervt und am Ende ihrer Kräfte sind. Allen ist klar, dass der Kranke nicht mehr gesund werden wird. Alle wissen, dass das Ende für ihn naht. Nur kann keiner an seinem Bett sitzen, ihn trösten, sich selbst verabschieden und diesen Trauerprozess durchleben. Irgendwie hoffen sie noch, ihn nach Hause holen zu können, damit er im Kreise seiner Lieben versterben darf. Ob dies realistisch ist? Keiner kann was sagen. Einen Arzt bekommen sie nie ans Telefon.
Ist das nicht bitter? Ich verstehe alle Beteiligten – die Organisation drumherum, die vorgibt, dass nicht noch „kontaminierte“ Menschen das Krankenhaus heimsuchen. Ich verstehe den Kranken, der schmerzlich seine Lieben vermisst, eine Hand, die ihm Trost spendet, liebe Worte, die ihm vergeben und Entlastung ausdrücken. Und die Angehörigen, die so gerne mehr tun wollen, die so hilflos sind und nicht wissen, wie sie sich verhalten sollen. Ich sage immer, ich komme gut durch diese Zeit, was auch bislang stimmt. Aber in so einer Situation würde auch ich garantiert verzweifeln. Es sind schlimme Zeiten, die sich hoffentlich bald bessern werden. Dann wird es immer noch Krebs-Diagnosen geben und Menschen sterben, aber sie dürfen in Würde gehen, nicht in Einsamkeit.
In einer späteren Konferenz zeigt sich das Gefühl der Einsamkeit nicht so dramatisch, aber eben doch auch eindrücklich. Ein Kollege macht einen Witz auf Kosten eines anderen Kollegen. Es wird gelacht, wobei eine Kollegin anmerkt: „Tja, ich würde sagen, das kostet Dich einen Kaffee, mein Lieber.“ Besagter Kollege, der für flotte Sprüche bekannt ist, sagt eher nachdenklich: „Weißt Du, was? Ich gebe Euch allen liebend gerne einen Kaffee aus. Das wär´s mir wert, denn es würde bedeuten, wir würden uns endlich alle wiedersehen.“ Es folgt ein kurzes, betretenes Schweigen und dann zustimmendes Gemurmel. An allen Ecken und Enden lechzen die Menschen danach, sich wieder zu sehen und ihre Unbeschwertheit zurückzuerlangen. Ich kann´s verstehen und hoffe, ich komme weiterhin gesund an Körper und Geist durch diese Zeit. Und dann freue ich mich auch auf einen Kaffee mit den Leuten, auf unbelastetes Lachen und viele Umarmungen.
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