Es gibt genug zu tun. Wobei…nee, stimmt nicht. Im Grunde gibt es zu viel zu tun. Da komme ich gerade echt nicht hinterher. Zu allem Überfluss bin ich unzufrieden. Rational weiß ich, wie bescheuert das ist. Emotional ist es nun mal anders. Und da kann keiner was dran tun, nur ich selbst. Ist das nicht doof? Ich merke immer mehr, wie sich das gerade zu einer Art Sinnkrise auswächst. Das finde ich blöd. Blöd, blöd, blöd. Komisch, hilft auch nicht.
Ich starte mit der ersten Skyperunde und verstehe mal wieder zum Großteil nur Bahnhof, weil die IT-Nerds in ihrer Geheimsprache reden. Zum Glück muss ich ja auch keinen inhaltlichen Input liefern. Es macht also nichts, weshalb ich dann derweil parallel was für die Team-Workshops vorbereiten kann. Multitasking ist ja an sich Quatsch. Ich glaube dennoch daran. Nahtlos geht´s zum nächsten Termin, dann in eine Rücksprache. Als ich gerade denke, heute doch mal eine Mittagspause zu machen, die mir ja ohnehin immer abgezogen wird, skypt mich ein Teamleiter an. Nein! Den will ich nicht!!! Wieso kann ich es in solchen Situationen nicht einfach durchbimmeln lassen – zumal ich genau weiß, was er will? Heinz, der Übereifrige, teilt mir nämlich vorher mit, dass zwei Leiter auf der Suche nach einem Coach seien. So was soll eigentlich über die zentrale Stelle laufen, die ich definitiv nicht bin. Und der Leiter, der da anruft, ist einer der coachlosen. Er und ich hängen in unserer Haltung nicht nur auf unterschiedlichen Bäumen, sondern auch noch auf völlig unterschiedlichen Planeten fest. Bislang waren wir per Sie. Als ich den Anruf annehme, duzt er mich einfach mal so. Naja, von mir aus. Er kommt gleich auf den Punkt: Er will mich als seinen Coach. Ich verweise an die zuständige Stelle, was ihn losmaulen lässt. Die kämen ja nicht aus´em Quark, nicht in die Gänge, nicht zu Potte. Hirn- und geistlose Dummbazen seien das. Dabei schwäbelt er, dass einem die Ohren wackeln. Nachdem ich heute Morgen in der ersten Veranstaltung köstlichstem Sächsisch lauschen durfte, kommt meine Vorliebe für Dialekte heute also voll auf ihre Kosten. Besonders süß finde ich den Ausdruck, dass seine Leute geschaut haben „wie´n Kälble wennsch blitscht“. Ich kenne „wie ein Schiebchen, wenn´s donnert“, aber so hört es sich noch süßer an, oder? Dennoch frage ich den Kollegen: „Wieso ich? Ich will kein Schmu, ich will kein Fishing for Compliments. Aber es gibt einen Pool mit vielen Coaches in Eurem Center. Warum brauchst Du also mich?“ Weil er jemanden wolle, der sich traue, der was sagen würde und der „a bissle au Erfahrung hett“. Ah ja. Er wisse, wir wären nicht immer einer Meinung gewesen und würden durchaus kontrovers diskutieren, aber das brauche es auch. Meine Nerven brauchen das gerade eher nicht. Ich sage ihm: „Es wird kein Spaß. Du wirst sie immer wieder von mir auf die Schnüss kriegen, weil Du weißt, dass ich die Dinge völlig anders sehe.“ Das sei ihm bewusst, aber genau das brauche es. Oooooooooh man. Dieser Mensch hat vor zwei Jahren über seine Mitarbeiter gesagt, sie seien allesamt Deppen. Ich habe ihm damals schon gesteckt, wenn er sie wie Deppen behandle, würden sie sich auch wie Deppen gebärden. Quasi: Wenn Du Menschen wie Affen behandelst, wundere Dich nicht, wenn sie nach Bananen schreien. Es wird Kampf bedeuten, Kraft und Anstrengung. Aber was soll ich machen? Es hat oberste Prio im Unternehmen. Mein Chef hat Spaß daran, weil es zeige, wie gefragt ich sei. Ist ja schön, nur spüre ich das nicht im Geldbeutel. Allerdings mache sich mein Chef Sorgen um meine Kapazität. Ach. Der Knallkopp! Warum schüttet er dann noch munter weitere Aufgaben auf den Haufen?
Die nächsten Meetings laufen durch, wobei ich bei einem meiner IT-Junge bemerke, wie schräg er jetzt gerade drauf ist. Auf Nachfrage, ich mache mir Sorgen, berichtet er, seine Mutter sei gefallen. Sie sei 90 Jahre, er müsse sich jetzt sofort kümmern. Worüber reden wir also? All das vermeintlich Wichtige im Geschäft rückt mal so was von in den Hintergrund…
Und trotzdem…dümpelt meine Laune gerade um den Nullpunkt herum. Es geht irgendwie. Nur sollte „irgendwie“ kein Dauerzustand sein. Es fällt mir schwer, zu entscheiden, was ich wirklich will. Was ich nicht will, kann ich schneller auf den Punkt bringen. Ich bin auf der Suche nach meiner Ausrichtung…vielleicht auch zum Teil nach mir? Und dazu gehört es unter anderem auch, Grenzen zu stecken. Daran bin ich mal so richtig Grütze. Ich ärgere mich, aber steh´ nicht für mich ein. Würde einer mit meinen Freundinnen – oder noch schlimmer: Mit meinen Nefffen – so umgehen, würde ich sofort zur Tat schreiten und wie eine Löwenmama kämpfen. Aber wenn es „nur“ um mich geht, bin ich doch zurückhaltend. So auch mit der Dame vom Amt, die mich schlichtweg ignoriert. Das versprochene Schreiben ist seit knapp drei Wochen noch nicht eingegangen. Mir bleibt nach diversen Mails und einem Anruf nur noch eine Möglichkeit: Ich muss mich an die nächst höhere Stelle wenden. Das mag ich nicht. Ich finde es ätzend, Menschen hinhängen zu müssen. Entweder, man klärt Dinge direkt oder eben gar nicht. Nur hängt hier jetzt einfach einiges davon ab. Und so fasse ich mir ein Herz, das wahnsinnig schnell dabei pocht, und rufe den Amtsleiter an. Natürlich kann ich nicht durchgestellt werden, da er außer Haus unterwegs sei. Ich muss also meine Beschwerde schriftlich verfassen. Ich kann so was auf den Tod nicht ausstehen. Mir ist nicht danach, dass die Sachbearbeiterin einen Anschiss kassiert. Genauso bei Heinz: Ich ärgere mich, aber sehe für mich keinen Vorteil darin, wenn er mal so richtig rundgemacht würde – auch wenn er das verdient hätte. Wenn ich umgekehrt abgekanzelt werde, dann darf ich das hinnehmen und mich in den anderen hineinversetzen. Der berühmte Spruch meiner Mutter im Hinterkopf: „Kind, da machste einfach ´ne Faust in der Tasche“ oder „Der Klügere gibt nach“. Ach, das ist so tief in mir verwurzelt, dass ich kotzen könnte. Denn obwohl ich weiß, dass ich anders könnte und auch, dass manch einer mal einen auf die Nase verdient hätte, will ich nicht diejenige sein, die diesen Schlag ausführt. Krank, oder?
Naja, da sieht man, was gerade alles so munter durch meinen Kopf wirbelt und sich hoffentlich irgendwann wieder schön an Ort und Stelle setzt.
Es wird Zeit, dass alles wieder „normaler“ wird. Ich vermisse das Miteinander immer mehr. Seit Anfang Dezember war ich nicht mehr im Unternehmen. Da muss man doch lala werden – zumal, wenn man ein kontaktfreudiger, rheinischer, sozial veranlagter Mensch ist. Mal schauen, was übrig sein wird, wenn wir uns alle wiedersehen. Ich hoffe, eine Menge. Nur gerade…da tu´ ich mich ausnahmsweise mal schwer, das Positive zu sehen. Aber das kommt bald wieder…versprochen.
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