Heute ist ein schöner Tag. Die Sonne scheint, auch wenn es freckskalt ist. An manchen Stellen, wo die Sonne nicht so hinreicht, ist es mehr als einfach nur schattig. Es ist regelrecht zapfig. Aber das macht nichts. Ich habe gute Laune. So ein ruhiger Wellnesstag, wie gestern, ist einfach wohltuend für mich. Schon auch krass, weil ich ja prinzipiell gerne unter Menschen bin. Aber im Grunde meines Herzens schätze und brauche ich eben auch Zeiten für mich. Mein kleiner Neffe ist da für sein junges Alter schon sehr klar. Er hat immer Zeiten für sich allein gebraucht und sich diese immer auch genommen. Der Große tendiert eher dazu, etwas verpassen zu können. Auch das kommt mir bekannt vor. In seinem Alter war das bei mir auch noch deutlicher ausgeprägt. Naja, beides hat sein Für und Wider – die Mischung macht´s wohl.

Am heutigen Tag steht Kontrastprogramm an. Während ich gestern hier für mich gepröttelt habe, bin ich heute zum Brunchen eingeladen. Und da die Sonne von einem strahlend blauen Himmel herunterlacht, gehe ich einfach zufuß. Ohne Ziel tu´ ich mich ja immer schwer, loszugehen, aber so ist das prima. Die Kollegin wohnt auch nur eine gute halbe Stunde fußläufig entfernt. Die Semmeln im Gepäck, mache ich mich auf. Keine Ahnung, woher es gerade kommt, aber ich könnte mal so eben Bäume umarmen. Tu´ ich nicht…zumindest nur im Geiste. Auffällig ist eine Dame, die mir entgegenkommt und nahezu panisch ihren Schal noch höher zieht. Ich gehe jetzt auch nicht ganz nah an den Menschen vorbei, aber dieses Überängstliche nervt mich schon auch an. So stelle ich es mir im Mittelalter mit der Pest vor. Herrje…auf der einen Seite haben wir die Leugner, auf der anderen Seite die Zwangsneurotiker. Das soll was werden, wenn dann wieder irgendwann vieles möglich sein wird.

Bei meiner Kollegin ist es…mmmh…mir fehlt das richtige Wort. Alles ist durchgestylt, sehr geschmackvoll und aufeinander abgestimmt. Daneben komme ich mir immer wie ein Bauer vor. Ich fühle mich dort schon wohl, denke aber immer: „Oh Gott, was wird sie von meiner Bude denken?“ Bisher haben wir es immer so gehandhabt, dass wir uns bei ihr oder einer anderen Kollegin getroffen haben. Beide sind so nach Katalog ausgestattet. Das ist echt toll. Nur kriege ich das bei mir nicht hin. Bei anderen finde ich das schön, bei mir selbst…reicht das schön Finden nicht aus, um dann wirklich einen Wandel herbeizuführen. Ach ja. Was weiß denn ich? Die zweite Kollegin kommt eine Viertelstunde nach mir an. Und ja, eigentlich ist das schon regelwidrig. Aber ehrlich: Es ist mir egal. Schließlich schmeißen wir hier keine Party für 30 Leute. Wir brunchen einfach zu dritt. Nicht mehr und nicht weniger. Und natürlich ratschen wir viel über die Arbeit. Bis wir uns dann dazu entscheiden, das Thema ad acta zu legen und uns die Folge „Zwischen Tüll und Tränen“ anzuschauen, bei der die eine Kollegin mitgemacht hat. Ich bin nach wie vor völlig geflasht davon, wie man das freiwillig machen kann. Mir wäre das viel zu intim. Und dieser Dreh, der dabei herauskommt und gerade mal 20 Minuten dauert, hat acht Stunden vor Ort gekostet. Alle können ihr dabei zusehen, wie sie mit sich ringt, welches Kleid sie denn nehmen soll. Es wird eine Geschichte drumherum konstruiert, was die Menschen schon anders zeigt, als sie wirklich sind. Klar, so funktionieren solche Formate. Ich bewundere diesen Mut. Auch dass sie das jetzt mit uns schaut. So gerne ich Theater spiele und darum weiß, dass wir das in der Regel per Kamera aufzeichnen – ich will es mir nie im Nachgang anschauen. Mir würden etliche Dinge auffallen, was ich wie hätte besser machen können. Nee, das mag ich so gar nicht. Aber sie ist da voll bei sich, nimmt sich auch selbst hops und ist sogar schon von Kollegen darauf angesprochen worden. Sie stellt sich auch der Bewertung von anderen, was ich so gar nicht aushalten würde. Es ist für mich immer noch nicht nachvollziehbar, wie vieles im beruflichen Alltag an uns Frauen bewertet wird, was nicht mit dem Job zu tun hat. Wenn ich manche Sprüche höre, puh! Da wird mir echt anders. Und meine Kollegin bietet hiermit ja noch mal mehr Angriffsfläche. Das wäre nicht mein Fall. Daher: Chapeau! Ich könnt´s nicht. Und, was noch wichtiger ist: Ich würde solche Momente auch nicht mit so vielen Menschen teilen wollen.

Der Tag ist einfach schön. Er tut gut und macht mir Mut. Wir reden über unsere Wünsche und Ziele. Tatsächlich bin ich ungewohnterweise mal stärker im Fokus, was ich normalerweise vermeiden würde. Die Mädels bestärken mich in den Dingen, die mir wichtig sind, weil ich ihnen einfach offen darlege, in welchen Bereichen ich alles mit mir hadere. Die Sicht von anderen Menschen auf eine bestimmte Sache, kann schon manche Aspekte zutage fördern, die ich so für mich noch nie bedacht hatte. Süß ist auch, als meine Kollegin mich nach meinen Neffen fragt, wie es denen denn gehe? Und dann fange ich ja immer das Schwärmen an, als wären es meine. Ach, die kleinen Pestbeulen sind schon ein wichtiger Bestandteil meines Lebens. Ich vermisse sie. Überhaupt vermisse ich Kinder in meinem Leben. Manches soll nicht sein. Aber ein Waisenhaus in Kenia schwirrt mir immer und immer wieder durch den Kopf. Es gibt so viele Menschen auf der Welt, die keiner haben will. Wie kann das sein? Das ist etwas, woran ich verzweifeln könnte! Wie kann das nur sein??? Kinder, die einfach sich selbst überlassen werden. Dazu kam jetzt auch noch mal eine Reportage im Fernsehen: In China war ja jetzt das traditionelle Neujahrsfest. Dazu reisen dann die Menschen an, die das ganze Jahr über weit entfernt arbeiten und nur zu diesem Fest zu ihrer Familie düsen. Es wurden ein paar Kinder gezeigt, zu denen es dann hieß, sie würden in diesem Jahr ihre Eltern wohl nicht sehen, da aufgrund der Pandemie alle aufgefordert seien, diese Reise nicht auf sich zu nehmen. Ich rede hier nicht von 12-Jährigen. Selbst da fänd ich es schon schlimm. Da waren aber echt 3- oder 4-Jährige dabei. Ich finde das unvorstellbar. Und noch unvorstellbarer finde ich es, wenn es diese Kleinen gibt, die nicht mal weit entfernt ein Elternteil haben, sondern die ein einsames Dasein in einem Heim fristen. Das geht mir wahnsinnig ans Herz. Ich glaube, es wird für mich immer deutlicher, dass ich da tätig werden muss. Wie und wann und in welchem Umfang, das weiß ich noch nicht. Aber da ist eine Sehnsucht in mir, die mich immer stärker treibt. Wir werden sehen, was dabei herauskommt. Doch wenn andere mutig ihre Träume leben, dann sollte ich mich ruhig auch trauen, oder? Kommt Zeit, kommt Rat…

2 Kommentare

    1. Liebe Anke,
      danke für Deine Mut machenden Worte. 😊
      Wir werden sehen, was ich mich trauen werde und was nicht. Aber ich denke doch, es geht mehr, als das, was ich bisher so mache… und eben auch viel Sinnvolleres. 🤷‍♀️
      Ich wünsche Dir einen wunderschönen Sonntag,
      Claudi

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