„Des hoat koa Sinn net.“ So fängt mein Morgen an – mit doppelter Verneinung. Ich darf bei einem Kollegen Mäuschen spielen, wie sein Projektteam arbeitet. Und der Umgangston – mein lieber Krockoschinski. Einer der Teilnehmer plärrt so laut, dass ich rufen möchte: „Wer brüllt hat Unrecht!“ Aber ist ja nicht mein Zirkus, und daher sind’s dann auch nicht meine Affen. Ich frage mich nur, wie manche Menschen mit dieser rücksichtslosen Art durchs Leben kommen, ohne dass sie einer mal so richtig aus der Hose haut. Der ist wie so ein Rasenmäher…oder eher noch wie eine Dampfwalze, die über alles hinwegbrettert. Hossa! Und rein physisch gesehen: Der plärrt mit so viel Druck, dass meine Stimme das niemals durchhalten könnte. Es klingt so, als würde er gleich Blasen werfen, weshalb ich noch trauriger bin, nicht vor Ort zu sein. Das sieht man nämlich online nicht, da ja die Kameras ausgeschaltet sind. Echt schade. Und Ausredenlassen ist hier wohl auch aus der Mode gekommen. Ich würde ausflippen. Aber so kann ich locker weiteratmen.
Später erfahre ich dann, heute war ein guter Tag mit diesem Kollegen. Normalerweise sei er noch krasser. Sie hätten schon soooo vieles probiert, wie sie ihn zur Räson bringen könnten. Er wäre beim Feedback auch nie angepisst. Ja, kein Wunder! Er fährt ja direkt lautstark drüber. Ganz ehrlich? Ich würde ihm regelmäßig das Mikro sperren. Das würde ich vorher schon klarstellen: „Pass´ ma auf, Schönne. Wer sich an Rejeln nich hält, kriegt et Mikro abjestellt.“ Wären wir physisch vor Ort, dann könnte man da durchaus eine rote Karte hochhalten. Klingt nach Kindergarten, aber mal ehrlich: Ist das beim Fußball denn anders? Stellt Euch mal vor, das Spiel würde weiterlaufen, kein Schiri würde unterbrechen. Im Nachgang würde man dann eine Analyse fahren und sagen: „Hömma, das ist aber nicht schön, wie Du dem die Knochen weggetreten hast. Machste demnächst anders, ne?“ Da würde doch niiiiiiiiiiie mehr jemand den anderen foulen, oder? Is klar. Wenn die nicht die Sorge hätten, vom Platz zu fliegen, würde mancher Knochenbrecher noch zusätzlich Spikes dranschnallen. Also muss man so durchgreifen. Das würde ich in so einem Fall auch machen. Mein Kollege, der das Projekt betreut, hat von dem Rumgeplärre nach einem langen Termin mal richtig fette Kopfschmerzen gehabt – nach sechs Stunden. Das würde mir einfallen. Nee, rote Karte und anschließender Platzverweis. Herrlich, oder? Das glaubt einem keiner, wenn er nicht selbst dabei war.
Die zwei anschließenden Workshops laufen ganz anders. Da geht es gesitteter zu. Ich mag regen Austausch. Da darf es auch schon mal höher hergehen. Aber permanentes übers-Maul-Fahren? Nee, absolute Nulltoleranz. Trotzdem habe ich Kopfschmerzen. Liegt aber nicht an dem Plärr-Vogel am Morgen, sondern am Föhn da draußen. Am Wochenende noch fett im Minus, geht es heute auf plus neun Grad hinauf. Da soll noch einer mitkommen.
Nachmittags passe ich dann Präsentationen für die Team-Workshops an. Nebenher regle ich, was mich so richtig annervt: Die Gehaltsabrechnungen. Sie wollen, dass wir Zuhause bleiben und im Home Office arbeiten, was für mich ja einer Strafe gleichkommt. Ich halte mich aber brav daran, da ich den Sinn dahinter verstehe. Im Gegenzug können sie aber keine Abrechnung per Post schicken, da dies zu teuer sei. Solche Blödsinnigkeiten nerven mich massiv an. Ich habe mit meinem Betriebsrat des Vertrauens gesprochen. Er sagt, das sei das Normalste von der Welt, dass die Abrechnung geschickt würde, wenn ein Mitarbeiter dies wünsche. Er, der regelmäßig in der Firma vor Ort sein müsste, bekäme die Abrechnung zugeschickt – ohne dies je angefordert zu haben. Aaaaaahja. Also frage ich bei meinem Chef nach, der – wen wundert´s – mal wieder überfordert ist. Erneut funke ich also meinen Spezl an, der seufzend sagt: „Woaßt wos, i regel´ des füa Di.“ Na, geht doch! Er macht das nicht nur für mich, sondern für unsere gesamte Abteilung. Die Antwort von der Abteilungs-Assistentin auf meine Rückmeldung: „Boar…Wahnsinn.“ Ja, manchmal hilft´s, wenn man die Richtigen anspricht.
Da merke ich mal wieder, wie gut und einfach Netzwerken funktioniert. Wenn ich immer höre: „Das geht nicht“ oder „das haben wir noch nie so gemacht“, dann bäumt sich immer was in mir auf. Mein Lieblingsspruch auf letzteren Einwand: „Früher hatten wir auch ´nen Kaiser. Und?“ Nur leider schnallt den nicht jeder. Es gibt Dinge, über die will ich dann aber auch nicht mehr diskutieren. Da frage ich nur noch: „Kümmerst Du Dich oder willst Du mich von der Leine lassen?“ Im Chinesischen bin ich ja Feuerdrache. Der ist noch mal anders unterwegs als der fast lammfromme Steinbock in mir.
Apropos Steinbock: Meine Kollegin, bei der ich am Samstag war, hat ja einen Steinbock Zuhause. Die eröffnet mir heute doch im Brustton der Überzeugung: „Den Steinbock habe ich in Dir ja auch noch gar nicht gespürt. Du bist ja Null stur.“ Sie kennt mich jetzt fast drei Jahre. Äääääääh…doch. Es kommt ganz aufs Thema an und ob ich dafür meine Energie verschwenden will. Sie meint, dass bei ihr und ihrem Freund regelmäßig die Fetzen fliegen würden, wenn beide ihren Kopf durchsetzen wollten. Sie neige dann auch dazu, ganz unsachlich zu werden. Da würden dann von beiden Türen geknallt. Es hätte was von italienischem Drama. Puh, das liegt mir ja in der Tat fern. Ich könnte nichts durch die Gegend pfeffern und kaputtschlagen. Ich habe verdammt viel Porzellan, aber das würde ich doch da niemals zerschlagen?! Bei mir ist es eher so, dass ich leise werde. Seeeeeeehr leise. So leise, dass es laut in den Ohren hallt. Dann ist Matthäus am letzten. Aber brüllen? Sachen schmeißen? Türen knallen? Nö. Wobei ich manchmal denke, das würde die Luft besser reinigen als das ständige Zurücknehmen. Denn ich lasse die Wut ja nicht raus. Und – ein Hoch auf den Steinbock – ich vergesse das dann auch nicht. Manch einer weiß ein Liedchen drüber zu pfeifen, welch olle Kamelle ich noch wortwörtlich herauskramen kann. Es ist ein Fluch und Segen zugleich. Naja…jedem Tierchen sein Pläsierchen, gell? Und wer mich nicht ärgert, lernt auch nicht meine Sturheit kennen. „Es könnt´ alles so einfach sein, ist es aber nicht.“ Die Fantas haben so verdammt recht!
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