Der Tag beginnt recht entspannt. Ich habe einiges an konzeptioneller Arbeit vor mir, was ich wenig motivierend finde, aber echte Termine? Da habe ich heute nur einen. Natürlich melden sich über Tag mehrere Kollegen, die was brauchen. Doch es ist nur ein Workshop vorgesehen. Allerdings ist der die Fortsetzung von gestern, also in englischer Sprache. Und auch, wenn sie gestern eher zurückhaltend und weniger aktiv waren, war es eine runde Sache. Heute hingegen? Puh!!! Sie verlieren sich im Kleinklein des Nerdverhaltens. IT-Spezialisten sind einfach eine Spezies für sich.
Meine Kollegin moderiert im Schwerpunkt, ich bin in erster Linie für den Einstieg da. Sie versucht, eine Struktur hineinzubringen, doch ist dies schier unmöglich. Die Jungs preschen voran – allen voran einer der beiden Auftraggeber. Den mag ich menschlich total gern, aber gerade ist er regelrecht in einem Rausch. Wenn er da drinsteckt, ist er das dominanteste Alpha-Tierchen schlechthin. Meine Kollegin versucht es mehrfach, auf die Struktur zu achten, Fragen zu stellen. Aber es ist, als würden diese ungehört verhallen. Kurzzeitig denke ich, sie habe ihr Mikro nicht eingeschaltet, was natürlich albern ist, denn dann könnte ich sie auch nicht hören. Zwischendurch schreibt sie mir im Chat, wie sehr sie das frustriere. Es ist das erste Team, das ich in dieser Methodik betreue. Sie ist quasi der „alte Hase“ auf dem Gebiet und schreibt mir – nicht zum ersten Mal – so etwas noch nie erlebt zu haben. Sie hat schon an die 40 Teams betreut, doch so was sei ihr völlig neu. Gut, das passt wiederum zu mir. Wenn alles easy läuft, wie geschnitten Brot, ist es auch keine Herausforderung. Nur heute überspannen sie eindeutig den Bogen. Irgendwann schalte ich mich wieder ein und frage, ob sie es mitbekommen hätten, welche Fragen ihnen gestellt worden seien? Ääääh…ja, schon. Aha, warum würden sie dann so gar nicht reagieren? Na, sie müssten fachlich zunächst erst noch was ausdiskutieren. Ok, verstehe ich. Aber einfach nur weiterzureden, als hätte nicht mal ´ne Mücke gepullert, ist doch nicht normal? Aber doch…im Nerd-Tunnel ist das wohl normal. Wir machen nichts von dem, was besprochen wurde. Meine Kollegin fragt zwischendurch noch mal, ob sie heute überhaupt noch benötigt würde? Bei den fachlichen Anforderungen haben wir nix verloren und verschwenden quasi nur unsere Zeit. Aber neiiiiiin, sie müsse bitte unbedingt bleiben. Und dann machen sie weiter, wie zuvor.
Mir dämmert´s: Meine Kollegin bleibt nur, um mich nicht hängen zu lassen. Doch den Zahn kann ich ihr ziehen. Nach weiteren zehn Minuten schreibt sie nur noch in den Chat, nun zu gehen, da sie keinen Input mehr liefern könne. Die Jungs machen weiter, ohne es zu bemerken. So langsam werde ich echt ungehalten. Irgendwann, ca. zehn Minuten vor Schluss, überlegen sie, wie sie weitermachen wollen und fragen mich, ob das so ok für mich sei und der Methodik entspräche? Ich hole tief Luft. Mein Dilemma: Ich mag sie. Und ich möchte, dass sie ihre Leidenschaft für das Thema beibehalten. Aber so geht das auf keinen Fall. Meine Rückmeldung ist dann entsprechend. Ich würde ihnen jetzt nicht mein Feedback vor die Füße knallen, aber wenn sie drüber nachdenken würden, müsste ihnen klar sein, welche Vögel sie heute abgeschossen hätten. Dann erkläre ich, was als Nächstes nötig sei und dass wir diesen heutigen Termin nachholen müssten. Ich sei nicht ihre Mutti und „hopefully not a pain in the ass“, aber für heute würde es echt reichen. Sie benehmen sich wie kleine Jungs, die was ausgefressen haben. Naja, da müssen wir wohl alle durch.
In der Rücksprache mit dem Hauptauftraggeber biete ich ihm in Ruhe an, es einfach auf ihre Weise durchzuziehen, aber eben ohne uns. Sie müssen die Methode ja nicht anwenden. Das sei kein Beinbruch. Doch das ist absolut nicht sein Wunsch. Sie müssten das jetzt lernen, auch wenn es anstrengend sei. Und ja, vor allem für meine Kollegin und mich. Ich bin gespannt.
Das alles zehrt echt ungemein an den Nerven und der Energie. Von außen mag das lustig anmuten, aber es ist ein zähes Ringen, das so wenig zutagefördert. Entsprechend zieht sich mein Kopf herrlich zu.
Später muss ich kurz meinen Chef kontaktieren, der mich dann nebenbei mal fragt: „Äh, dära Wöakshopp mogn…ääääh…braucht´s do no woas?“ Fällt ihm ja früh ein. Was sollte ich von ihm noch brauchen, denke ich bitter? Kennt Ihr das: Es gibt Menschen, die an sich keine Bösen sind. Nur kann man so gar nichts von ihnen erwarten. Sie enttäuschen einen permanent, weil sie einfach so gar nichts drauf haben. Wieviele Missstände habe ich schon angesprochen? Wieviele geht er aktiv an? Ooooooh, er hat nun einen wöchentlichen einstündigen Rücksprachetermin mit Heinz. Da will ich nicht mal Mäuschen spielen, weil ich mir sonst den Schädel wegpusten müsste. Er sieht täglich meine Stundenmeldungen, aber reagiert so gar nicht. Ich spreche ihn an, dass es so nicht mehr weiterlaufen könne. Das weiß er. Aber es kommt keine Resonanz. Er ist die personifizierte Inkompetenz. Und leider kann ich keine Achtung mehr aufbringen, was ich wirklich schlimm finde. Das ist eine denkbar schlechte Basis für eine gute Zusammenarbeit. Er verliert die letzten Krümelchen, die ich noch an Respekt hatte. Dabei ist es schlichtweg Unvermögen. Nur ist er leider einfach mal mein Chef. Eine Tatsache, die ich nicht so einfach übergehen kann. Ich wünschte mir ein Buch: „Wie kann ich mit meinem Chef umgehen, wenn er offenkundig ein Totalversager ist?“ Klingt hart…ist es auch. Vermutlich auch für ihn. Das stelle ich mir so vor, wie bei Dementen im Anfangs-Stadium, wenn sie merken, dass sie tüddelig werden. Viele von ihnen weinen dann ja, weil ihnen alles entgleitet. Ich schätze, mein Chef hat auch so Momente, wenn er merkt, er hat verdammt enge Grenzen und würde gerne – nur kann er eben nicht…
Meine Hoffnung ruht auf der geplanten Umstrukturierung, die vielen von uns auch Sorge bereitet. Nur wird es Zeit, Führungskräfte, die eben kein bisschen in die Führung gehen (können), endlich auszusortieren. Er darf ja gerne weiterarbeiten – wo auch immer. Nur sollte er keine Führungsaufgabe mehr übernehmen. Ich bin gerade müde…unwahrscheinlich müde. Und dazu wummert mein Kopf eine Melodie mit zu viel Bass. Es geht einfach gerade nicht, also sage ich mein Lernen am Abend ab und haue mich aufs Ohr. Meine Hände sind eiskalt, mein Schädel pocht, ich fröstel´. Danke, Körper, ich hab´s verstanden! Leider erst wieder nach anderthalb Stunden über der Soll-Zeit.
Kommentar verfassen