Die Nacht war ekelhaft. Bei Migräne suche ich mir immer die eine Position, wie ich liegen kann, ohne denken zu müssen, jetzt kann ich gleich losrennen und die Fische füttern. Oh man. Diese Position finde ich aber irgendwie nicht. Wenn ich dann immer nur für ein, zwei Stündchen penne, träume ich dabei immer viel. Ein Traum ist mir besonders in Erinnerung geblieben, denn in dem stirbt eine Kollegin von mir. Sie verblutet – naja, ein bisschen Splatter muss wohl sein, hm? Aber es ist alles andere als lustig. Ich habe immer mal wieder bekloppte Träume, über die ich mich dann amüsiere. Doch wenn ich einen regelrechten Albtraum habe, dann gehe ich wackelig durch den ganzen Tag. Das passt zu meinem Kopf in Watte, den ich noch als Überbleibsel von der Migräne habe. Nicht gut. Schauen wir mal, wie der Tag so weitergehen wird.

Mein Chef wählt zum Einstieg in den Workshop heute ein paar Worte. Puh, ich hatte ihm einen kurzen Text geschrieben und ihn gebeten, sich in dieser Art was zu überlegen – aber natürlich in freier Rede. Er ist einfach nur noch ein Häufchen Elend. Es ist regelrecht zum Verzweifeln, welche Figur er dabei macht. Schlimm. Meine Kollegin im Krankenstand ist auch dabei, weil ihr das Thema wichtig ist. Sie appt mich an, was dieses Gestammel solle? Und ja, anders kann man es leider nicht beschreiben. Er stottert und stammelt sich durch gerade mal fünf Minuten. Ich weiß wirklich nicht, was los ist. Für mich selbst verspüre ich so gar keine Anspannung. Das ist, wie Essen zu kochen für die Familie oder Freunde. Und er gräbt sich sein eigenes Grab, indem er – wie ein armer Sünder – von seinem Fehler spricht, letztes Jahr nicht schon aktiv geworden zu sein. Soweit ist das ja nicht schlimm. Im Gegenteil. Ein bisschen selbstkritisch zu sein, ist voll ok. Den Fehler einzuräumen, ist auch voll in Ordnung. Wenn der dabei nicht eine Geißel auspacken und sich selbst verdreschen würde. „Des woar a großa Fehla…i hob´ docht, des wär´ net weida schlimm. Oba jetz? Na, des is fei gonz schlimm.“ Und so dreht er sich munter weiter rein: „I muass des ei´gstehn: Des hob i völlig voakonnt.“ Naja, nach fünf Minuten übernehme ich und beschäftige die Jungs und Mädels. Es macht Spaß, auch wenn ich dabei selbst gerne Teilnehmer wäre und mitmachen würde. Dazu komme ich nur am Rande.
Mein Lieblingssatz des Tages: „Ich hab´ das Gefühl, ich steh´am Zaun und schmeiß´ Bananen rüber.“ So beschreibt ein Kollege das, was er mit unserem Kunden erlebt. Wir sind Berater innerhalb der Firma. Aber es zeichnet ein ganz ordentliches Bild, denn manchmal wirkt es echt so, als wären wir im Zoo. Interessant ist es, zu sehen, wie ehrlich bzw. eben so gar nicht manche Kollegen sind. Gefühlt lästert fast jeder über jeden, aber als wir über das Thema „Kollege“ sprechen, sind alle auf Kuschelkurs. Man sollte meinen, wir seien ein Haufen, der gerne miteinander unterwegs sei. Wir seien regelrecht Freunde! Ääääääh….nein. Heinz verhält sich heute ausgesprochen ruhig. Er, der sonst immer wieder seinen Senf zu allem abgeben muss, bleibt still. Ich frage ihn später und erfahre, er sei so „im Tunnel“ und „drüber“, dass er nicht mal die erste Aufgabe hätte bewältigen können. Da ging es darum, drei Stärken am Gegenüber (das ihm zugewiesen wurde) zu finden und drei Stärken von sich selbst zu überlegen. Keine Raketenwissenschaft, oder? Aber da sieht man, wie es in ihm drin aussieht. Und da tut er mir dann doch wieder leid – auch wenn er überbezahlt ist, anmaßend und oberlehrerhaft. Er ist mit sich selbst gestraft genug.
Die Ergebnisse finde ich gut. Das Feedback ist durchweg positiv. Der Beteiligungsgrad meines Chefs, der ja unbedingt Teilnehmer sein wollte, war nahezu Null. Im Großen und Ganzen bin ich zufrieden. Immerhin ruft mein Chef dann doch zwei Stunden später an und gibt mir eine Minute lang Feedback – ohne Beispiele zu nennen. Er kann es nicht und lernt es auch nie. Wie auch? Er findet ja einfach alles nur suuuuuuuupergut, toll und überhaupt – denn dann muss er ja nichts machen. Und diese Leichtigkeit und Souveränität! Ich sei ja Null angespannt gewesen. Na, warum denn auch? Das sind ja „nur“ meine Kollegen?! Ich frage ganz vorsichtig: „Und warum warst Du dann so angespannt?“ Er seufzt. Es sei ihm gerade alles zu viel. Und es sei ihm so wichtig, was die Mitarbeiter sagen würden – auch zwischen den Zeilen. Mmmh, er weiß nicht mal, wie man „zwischen den Zeilen“ schreibt, aber gut. Es geht die restlichen 42 Minuten nur um ihn. Und ich sage ihm auch, wie sehr sich unsere Rollen verschieben. Das empfinde ich als gar nicht gut. Ich weiß nicht, ob es nur an Corona liegt. Im Grunde war er schon vorher so. Wenn alles gut läuft, dann braucht man auch keine starken Führungskräfte. Wenn die Wellen aber höher schlagen, wenn der Druck steigt, dann zeigt sich, wer wirklich führen kann und wer nicht. Ich glaube, mein Chef stößt tagtäglich an seine Grenzen, aber merkt es nicht. Es ist, als würde er hin- und hergeworfen an Deck eines riesigen Schiffes, das völlig ins Schlingern geraten ist. Eigentlich sollte er am Steuer stehen…oder zumindest ein paar Kommandos brüllen. Doch ich habe das Gefühl, ich muss ihn auch noch an einem Mast festbinden, damit er nicht über Bord geht. Dabei ist es nicht meine Aufgabe. Ich fühle mich damit auch nicht wohl. Aber der Rest wurschtelt einfach auch nur vor sich hin. Das kann es für mich irgendwie nicht sein.
Wir werden sehen, wie es weitergeht. Es sollten zumindest die Inhalte sein, die er vorgibt, auch wenn ich dann alles Weitere ausarbeite. Aber nicht mal die gibt er mir mehr vor. Es ist, wie eine völlige Kapitulation. Ich weiß nur noch nicht, wie ich damit in Zukunft umgehen soll? Kommt Zeit, kommt Rat.

Mein Wattekopf ist müde. Dieses Gefühl von geschrumpftem Hirn, was unter der Schädeldecke hin- und herkullert, bleibt mir den ganzen Tag über erhalten. Der Albtraum steckt mir auch immer noch in den Knochen. Daher habe ich den Vorbereitungskurs heute Abend auch gecancelt und werde früh schlafen gehen. Heute träume ich einfach von Seifenblasen, Einhörnern und Käsekuchen. Na, das wär´s doch, oder? Soweit der Plan…die Umsetzung? Erfahrt Ihr morgen.

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