Es ist Montag. Heute kann ich mich nicht vor unserem Team-Meeting drücken. Ich täte es aber echt gern. So ein ganzes Wochenende Fortbildung ist an sich schon anstrengend genug, da brauche ich nicht auch noch diese Runde hier. Die Diskussion VOR dem eigentlichen Meeting ist im Grunde die interessantere. Da diskutieren nämlich die beiden faulsten Hunde von uns, was im Intranet bei uns steht. Eine Umstrukturierung ist ja bereits angeschoben. Ich schätze, das gibt es zu Corona in den meisten Firmen. Jedes Unternehmen schaut, wo es sparen könnte. Jetzt gibt es aber erste Gespräche mit Leuten, die von den Abteilungsleitern benannt werden mussten, die „betrieblich entbehrlich“ seien. Zugegeben, die Formulierung ist krass. Sie bieten einem ein Abfindungsangebot, das man annehmen kann, aber nicht muss. Es wird keine Kündigung ausgesprochen. Was ich daran schädlich finde: Wenn diese Leute dann bleiben, mit welcher Motivation sollen sie noch für so ein Unternehmen arbeiten? Das ist es jedoch nicht, was meine Kollegen hierbei umtreibt. Sie finden es unverschämt, die Arbeit an sich infrage zu stellen, was ich jedoch recht legitim finde. Aber dass gerade die beiden sich darüber aufregen, ist erstaunlich. Denn würden sie ab morgen fehlen, würde das nicht zu Buche schlagen. Ganz ehrlich? Würde ich morgen tot umkippen, würde das auch kein großes Loch reißen – und ich arbeite mehr als diese beiden Dampfplauderer. Es ist doch immer wieder erstaunlich, wie manche Menschen ticken.
Meine liebe Omma hat immer gesagt: „Nimm´ Dich nicht so wichtig!“ In Teilen fand ich das falsch. Der wichtigste Mensch in meinem Leben bin ich. Aber andererseits ist da eben auch ein wichtiger Aspekt mit drin: Muss ich mich immer gleich soooo wichtig nehmen? Wer nicht weiß, dass die Welt auch sehr gut ohne ihn/sie funktioniert, hat für mich einen Minderwertigkeitskomplex zuzüglich diverser anderer Probleme. Bei einer Mutter von kleinen Kindern kann ich das noch sehr gut nachvollziehen, dass sie wirklich nicht entbehrlich ist. Aber bei einem popels Mitarbeiter in einem Konzern? Hallo?! Doch es war klar, dass genau diese beiden Kollegen über dieses Thema herfallen und sich aufregen…spannend.

Mein Chef stottert sich mal wieder durch die Veranstaltung. Und nein, er stottert normalerweise nicht. Er ist einfach überfordert, weshalb er nicht geradeheraus kommunizieren kann. Das hat mich ja gestern schon bei der Psychologin gestört, was meine Sis mit einem trockenen: „Du hast aber auch einen zu hohen Anspruch“ kommentierte. Mag sein. Mir doch egal! Ich finde, ab einem gewissen Bildungsniveau und/oder einer gewissen Gehaltsstufe kann ich so was erwarten. Aber immer hübsch Anglizismen bayrisch verwenden. Da zieht´s mir fast die Plomben raus. Ja, ich gehöre noch zu der Generation, bei der es Amalgam in die Hackerchen gab. Hält immer noch. Nur wenn ich so was höre, dann löst sich die eine oder andere Stelle vielleicht doch noch. Und dann – Vorhang auf, Spot auf die Mitte der Bühne gerichtet – tritt Heinz auf. Mein Mitleid ist gerade mal wieder abgehauen. Vielleicht schlüft es mit meiner Motivation zusammen Mojitos auf Kuba? Sie haben ihr GPS einfach deaktiviert, dieses renitente Pack!
Aber zurück zu Heinz: Er holt Anlauf (und tief Atem), bevor er uns in epischer Breite erklärt, wie er mit unserem Chef seine Arbeitspakete strukturiert hat. „Ich möchte Euch, Kollegen, wieder mit Gleichmut und Freude gegenübertreten können. Aber dafür muss ich einfach Aufgaben nach hinten schieben und ihnen die Priorität entziehen.“ Wisst Ihr, was mich in solchen Momenten glücklich macht? Eine stabile Blasenfunktion. Ehrlich! Wenn ich mir vorstelle, ich hätte Kinder gebären dürfen und mein Beckenboden wäre nicht mehr der stabilste…puh, dann hätte ich jetzt nasse Füße. Es hat so was Pastorales, wie er das hier vorträgt. Und einmal mehr bin ich dankbar für die Stumm-Funktion des Mikros. Ich vermute, er endet noch mit „Urbi et orbi“, aber das unterlässt er dann doch. Prekär ist allerdings, dass ich als Nächstes dran bin. Ich sage nur trocken: „Ich mach´s knapp: Schwerpunkte diese Woche Thema A und Thema B.“ Natürlich sage ich nicht A und B, sondern die Themen, aber das war´s. 15 Sekunden. Tschakka! Einer muss doch die Zeit aufholen, die wir durch das Geschwafel verloren haben. Der gute Heinz erläutert das nämlich bis auf die 18. Stelle hinterm Komma – damit wir aussagefähig seien. Wenn ich immer mit dem Kopf auf die Tastatur knallen würde, wenn mir danach wäre, dann hätte ich ein hübsches Muster im Gesicht und einen verdammt hohen Verschleiß an Tastaturen. Alter Falter. Hier müsste ich echt zum Alkoholiker werden, wenn mir das denn zumindest Spaß machen würde. Tut es aber auch nicht.

Nachmittags habe ich dann meinen Tiefpunkt erreicht. Ich habe mal wieder meine englische Runde. Die Jungs schaffen es nicht, sich an Struktur zu halten. Ich komme mir dabei reichlich unzulänglich vor. Manchmal denke ich, sie würden gerne Weihwasser auf mich sprenkeln und „weiche, Satan“ zischen – nur fehlt ihnen dazu vermutlich das englisch Äquivalent. Diese IT-Nerds wollen vor allem immer nur fachlich abdriften. Die beiden Auftraggeber kontaktieren mich danach noch mal. Sie seien total happy, aber ich wirke nicht so. Ich versuche, es so zu erklären: „Mama, Du musst mit zum Spielplatz! Ich muss Dich immer sehen können, damit ich weiß, dass Du da bist. Aber ich mache auf keinen Fall, was Du willst. Ich will machen, was ich will! Und nachher sagen können, meine Mama war dabei, wenn der Papa fragt. Aber eigentlich will ich Dich gar nicht dabei haben. Also setz´ Dich da auf die Bank, und beweg´ Dich nicht. Na, ist das nicht toll?!“ Die beiden müssen lachen. Nee, nee, nee, so meinen sie das nicht. Naja, meinen und tun – zwei unterschiedliche Dinge. Es ist bisweilen wie Zähneziehen. Aber mei…so ist es dann. Ich bemühe mal einen Hass-Spruch von mir: „Nur unter Druck entstehen Diamanten.“ Man, werde ich funkeln, sag´ ich Euch!

Auch dieser Montag ist vorübergegangen. Ich genieße jetzt meinen Feierabend und schaue, was ich mir Gutes tun kann. Irgendwas werde ich finden – und wenn ich einfach nur lese. Alles ist besser als Meetings mit meinen Kollegen. Na, wenn das nicht mal das perfekte Wort zum Montag ist. Also: Ein Hoch auf alle stabilen Blasen dieser Welt, die mir den Montag – gemeinsam mit dem nötigen Galgenhumor – dann doch versüßen…oder zumindest retten.

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