Der Tag plätschert nur so dahin. Der Kleine liegt komatös im Bett. Tja, so ist das, wenn man mit den Großen trinken möchte. Aber er hat nach zwei Wochen Praktikum nun zwei Wochen Ferien vor sich. Beim Praktikum ging es auf große Baustellen in Köln und Düsseldorf. Und entsprechend früh musste er jeden Morgen los. Da darf man im Anschluss auch mal feiern, finde ich. Nur ist damit auch Schlafen über Tag angesagt. Der Große kommt irgendwann auch zurück von seiner Süßen. Wesentlich besser als der Kleine sieht er nun auch nicht gerade aus. Aber immerhin ist er auf den Beinen.
Auch das hat sich zu früher verändert. Wir mussten jeden Sonntagmorgen zur Messe – egal, wo wir am Abend zuvor wie lange waren. Für meinen ältesten Cousin galt dasselbe. Und er war immer da – nur sein Zustand war stets derangiert. Beim Friedensgruß während der Messe hatte meine Mom mal das Gefühl, von seinem Atem noch betrunken zu werden. So etwas hätten meine Eltern nie geduldet. Bei meinem Cousin wurde darüber gegrinst. Bei uns wäre es ein absolutes No-Go gewesen. Gut, das war es ebenso, lange wegzubleiben. Ich habe ja immer schon meine Schlafzimmertür geschlossen, dass meine Mutter dachte, ich sei Zuhause. Sie hatte zum Glück einen tiefen Schlaf. Meist war ich ja ohnehin mit meinen Cousins unterwegs. Aber die Rockfabrik fand mein Vater indiskutabel. Da würden nur Drogen vertickt. Pfffff…dafür brauchte man nicht in die Rockfabrik zu gehen. Aber das zu sagen, war müßig. Mein Vater war – und ist – sachlichen Argumenten gegenüber bis heute nicht aufgeschlossen. Meine Sis hat die Strategie entwickelt, den Kopf einzuziehen und zu schweigen. Meine Hörner hingegen lassen sich schlecht einklappen. Als Kind schon nicht. Naja, immerhin weiß man so bei mir immer, woran man ist. Nach meinem ersten Besuch der Rockfabrik – darauf stand bei uns nahezu die Todesstrafe „nur über meine Leiche geht Ihr dahin!“ – habe ich am nächsten Morgen die Ärmel hochgezogen und meine Venen gezeigt. Mein Kommentar: „Guck´ mal, ich war gestern in der Rockfabrik. Komisch, keine Einstiche.“ Für einen Augenblick haben alle – meine Sis, meine Mutter, mein Vater und ich – gedacht, jetzt zimmert er mir eine, aber dann ging es ohne das vorüber. Meine Mutter hat bis vor ein paar Jahren immer noch gedacht, ich müsste doch Drogen ausprobiert haben. Schlimm, wie wenig sie ihr Kind gekannt haben…und kennen. Aber ich muss mittlerweile auch zugeben, dass ich den Informationsfluss auf oberflächliches Blabla reduziert habe. Sie verstehen meine Welt ja doch nicht – so, wie ich ihre auch nicht. Da finde ich es echt gut, wie offen meine Neffen groß werden und wie locker wir miteinander umgehen können.
So müde vom Abhängen, kommt nach dem Mittagessen die Idee auf, jetzt einen Espresso zu trinken. Nur haben sie hier keine Espressomaschine. Ich habe erst vorgestern einen Espressokocher geerbt – ganz ohne dass jemand sterben musste! (Danke noch mal!!!) Der lag noch im Auto, weil ich ihn ja mit nach Dachau nehme, wenn ich übernächste Woche zurückreise. Wir sind in diesem Haushalt nur drei Koffein-Abhängige. Meine Sis und der Kleine verabscheuen schon Kaffee – da passt auch kein Espresso ins Bild. Aber wir drei anderen haben es dann ausprobiert. Ich bin bei so was erstmalig immer nervös. Das Wasser wird eingefüllt, das Sieb mit dem Kaffeepulver befüllt und die Kanne obenauf festgespannt. Dann ab auf den Herd und warten – sowie hoffen. Dazu muss man sagen, ich hatte da mal eine Begegnung der dritten Art. Wir haben im Freundeskreis eine Art „perfektes Dinner“ unter Freunden gemacht. Reihum haben wir einander bekocht. Als wir bei einer Freundin waren, hat sie ihren Espressokocher befüllt. Leider hat sie im Eifer des Geplauders den Dichtungsring vergessen. Irgendwann gab es einen Knall, und das feuchte Kaffeepulver hat sich über die ganze Küche und die Menschen darin verteilt. Nach einer Schrecksekunde haben wir festgestellt, dass niemand verbrüht worden ist. Erst danach haben wir uns über die Kaffeepulver-Sommersprossen kaputtgelacht. Den Umriss eines Anwesenden konnten wir genau an der Wand nachzeichnen. Mannomann…ich habe die Küche viel später mal mit meiner Freundin neu gestrichen. Wir sind noch an Kaffeepulver-Rückständen ausgekommen und haben uns beglückwünscht, dass das so glimpflich abgegangen war. Daher bin ich eher hibbelig und aufgeregt. Es läuft, wie am Schnürchen. Und so trinken wir zu dritt, was die Kannee hergibt. Die Espresso-Tässchen sind gut gefüllt. Mein Schwager und mein Neffe trinken zwei davon. Ich mag ja nichts wegschütten, was so gut schmeckt, also trinke ich drei Tässchen. Alle denken noch, ich würde nun wie ein Duracell-Hase rumflippern, aber stattdessen könnte ich pennen. Ich gehöre zu den Menschen, die auch nachts noch Kaffee oder Erpresso trinken und trotzdem danach schlafen können.
Ich penne allerdings kein Ründchen, denn ich will ja in der Nacht gut schlafen. Morgen wird es ja bekanntlich einen Showdown geben. Da muss ich fit und ausgeschlafen sein. Entsprechend gehe ich früh ins Bett, denn ob die Nationalmannschaft gewinnt oder ein Sack Reis in China umkippt – mich juckt beides nicht. Ich freue mich über meine neueste Errungenschaft, die ich als Kriegsbeute mit nach Dachau schleppen werde. Ach, das Leben ist schön – mit oder ohne Kater und mit oder ohne Espresso (mit aber natürlich schöner).
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