Heute ist es besser. Kein Wunder, habe ich doch auch keinen Termin mit meinem Team. Allerdings erhalte ich eine Stornierung zu einem Treffen, das für morgen anberaumt war. Ich fahre nämlich noch mal in die Firma. Es sind ohnehin nur wenige Kollegen da. Und meine Kollegin, die aufgrund ihrer Wiedereingliederung vor Ort arbeiten muss, möchte ich nicht allein hängenlassen. Es ist nachvollziehbar, dass sie vor Ort sein soll, wenn sie aufgrund von Depressionen langsam wieder Stunden aufbaut, doch ist das für mich in der jetzigen Situation ein wenig kontraproduktiv. Wenn sie vor Ort dauernd allein hockt, ist das irgendwie am Sinn vorbei, oder? Daher fahre ich ausnahmsweise noch mal ins Büro. Immerhin schon den zweiten Tag in diesem Jahr. Hossa! Es ist ja nur gerade mal ein Viertel des Jahres rum. Krass, wie schnell das wieder ging, oder?
Die Terminabsage für morgen kommt jedenfalls von dem Chef des Nachbarteams, mit dem ich mich treffen wollte. Aufgrund der aktuellen Infektionslage sage er lieber ab. Ich skype ihn an, ob er mehr Infos habe, wie etwa ein striktes Verbot, reinzufahren. Nein, das gebe es (noch) nicht, aber er habe noch mal für sich nachgeschaut, da die Empfehlung laute: „Wer nicht zwingend erforderlich vor Ort arbeiten muss und Home Office fähig ist, soll bitte von Zuhause aus arbeiten.“ Wäre meine Kollegin nicht, würde ich auch nicht reinfahren. Das schildere ich ihm kurz, worin er mich dann bestärkt. Da muss man eben abwägen, gell? Wir quatschen kurz über unsere derzeitigen Themen. Ich berichte ihm auch, was mein Chef zu meinen Entwicklungsmöglichkeiten gesagt hat – nämlich, dass eben gar nichts gehe. Und da sagt er etwas, das mich erstaunt: „Weißt Du, es geht bei Führung nicht darum, nur eigene Belange durchzudrücken. Wenn ich Potenzial erkenne, dann muss ich auch mal unbequeme Wege gehen. Auch wenn das heißt, richtig gute Mitarbeiter zu verlieren, wenn ich sie dahin entwickle, dass sie ihre Potenzial in einem anderen Bereich in der Firma besser entfalten können. Die Sorge, die mich umtreibt, ist: Wenn Dein Chef nicht aufpasst, verlieren wir Dich ganz. Und das wäre verdammt schade, weil Du vieles mitbringst, was keiner von uns hat und was wir von Dir lernen können.“ Jo, da könnte man mich in solchen Momenten mal nach Worten suchen sehen, würde ich so etwas denn mal aufzeichnen. Er ist eben nicht so dumm, wie mein Chef es leider ist. Dabei steckt ja keine böse Absicht bei ihm dahinter. Macht´s unterm Strich aber auch nicht immer gleich besser.
Gestern Abend habe ich noch über dieses Thema philosophiert. Ist meine Denke wirklich richtig? Wenn ich mir Krankenschwestern, Pfleger, Polizisten usw. anschaue und höre, was die verdienen, dann geht es mir wirklich sehr gut. Würde ich heute am Tag tot umkippen, wäre das für meine Firma kein nennenswerter Verlust. Das gilt nicht nur für mich, also ich stelle damit nicht mein Licht unter den Scheffel. Es ist vielmehr so, dass es manche Menschen eben braucht, ohne die der Laden nicht liefe. Und dann gibt es den Wasserkopf. Ich bin ehrlich genug, zu sagen, genau in diesem Bereich tätig zu sein. Wie sagte mein Sparringspartner der gestrigen, philosophischen Diskussion dazu so fein: „Geht es nicht vielen von uns so? Und ja, in den helfenden Berufen wird zu wenig bezahlt. Sie wuchern aber nicht, verhalten sich nicht unanständig, wenn Sie sich mit Ihren Kollegen vergleichen und die Bilanz ziehen: Diese Bezahlung ist im Verhältnis nicht fair. Sehen Sie es als Schmerzensgeld. Auf Dauer werden Sie dem Laden eh den Rücken kehren. Aber bis dahin gönnen Sie sich das ruhig.“ Manchmal bin ich so übermoralisch, was mich selbst nervt…
Und dann entdecke ich auf LinkedIn einen Artikel inkl. Video über ein Kind, das völlig selbstvergessen tanzt. Da steckt so viel Leichtigkeit drin, was mich unwahrscheinlich rührt. Kinder scheren sich in solchen Momenten überhaupt nicht darum, wer gerade zuschauen könnte. Sie denken auch nicht darüber nach, was andere von ihrem Verhalten denken könnten. Sie sind einfach genau in dem Moment, der gerade ist und bringen tanzend zum Ausdruck, was sie gerade empfinden. Wäre das nicht wunderschön, wenn wir Erwachsene genau das auch noch könnten? Einfach zu tanzen, wenn uns danach ist? Ja, manchmal mache ich auch verrückte Sachen, aber doch immer mit Blick auf die Umgebung, wo es „angemessen“ zu sein scheint. Über den Ernst des Lebens vergesse ich immer wieder die Leichtigkeit. Und ich konstruiere mir manchmal Probleme, die es gar nicht gibt oder die klein sind und sich meist von allein auch gut auflösen. Das ist ein Phänomen, das ich zuletzt häufiger ausprobiert habe: Statt direkt Dinge anzupacken und regeln zu wollen, erstmal innezuhalten und abzuwarten. Nein, damit verfalle ich nicht in eine Lethargie. Ich lege vielmehr den manchmal schon zwanghaften Aktionismus ein wenig ab. Und plötzlich lösen sich dann vermeintliche Probleme auf. Wenn sie es nicht tun, kann ich immer noch aktiv werden. Ach ja…auch wenn ich von der Kirche nichts halte, aber an ein Bibelzitat muss ich dann doch denken: „Wenn Ihr nicht werdet wie die Kinder“. Wie wahr, wie wahr.
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