Es gibt so Tage, da hock´ ich mich hin und weiß nicht, was ich schreiben soll. Prinzipiell kein Drama. Und meist schießen mir dann doch die Gedanken kreuz und quer durch den Kopf. Vorhin telefoniere ich mit meiner Cousine, die dann vorschlägt, ich solle eine Geschichte zu Karli, dem Ofenputzer schreiben. Warum? Das bleibt ein Mysterium. Ach, ist das toll, eine Frau zu sein und Geheimnisse zelebrieren zu können…
Mein Arbeitstag verläuft recht unspektakulär. Ich habe eine tolle Rücksprache mit einer Führungskraft, mit dem so ein Austausch immer Freude macht. So was schätze ich sehr. Nur sind gute Führungskräfte immer noch verdammt dünn gesät. Und solche, die dann noch offen nach Feedback fragen, Herausforderungen benennen und aktiv nach Ideen fragen, noch weitaus seltener.
Typisch ist eher das Beispiel, das ich gestern wieder erleben durfte. Wir haben eine Coach-Austauschrunde. Was dort gesagt wird, bleibt – so die Vereinbarung – auch dort. Also das Las Vegas-Prinzip: Was in Vegas passiert, bleibt in Vegas. Nach zähem Ringen haben wir dann endlich eine offenere Kultur gestalten können. Einer berichtet von seinen Stolpersteinen, weil er seinen eigenen Chef coachen solle. Etwas, das wir von Anfang an als No-Go befunden haben. Doch die Führungskräfte haben so entschieden. Ich komme quasi aus einer ganz anderen Abteilung, mache das ohnehin schon etwas länger und bin ja auch schon älter. Gut, und renitent bin ich auch von Haus aus immer schon gewesen. Damit will ich sagen: Ich kann anders auftreten und kritische Dinge unumwunden ansprechen. Nur junge Kollegen, die sich gerne noch weiterentwickeln möchten und von ihrem Chef diesbezüglich abhängig sind, können da nicht so auf die Kacke hauen.
Dieser junge Bursche erbittet also quasi kollegiale Beratung, wie er seinen Chef am besten coachen könne. Denn dieser Chef will so gar nicht sein Team beteiligen (ein Kernelement der Methode) und betreibt einfach nur System-Befriedigung. Kurze Zeit später zitiert besagter Chef seinen Mitarbeiter/Coach zu sich und erklärt ihm fast wortgetreu, was ihm da zu Ohren gekommen sei. Wohlgemerkt: Es soll ein geschützter Rahmen sein, in dem wir uns austauschen. Irgendein direkter Kollege muss ihn also bei seinem Chef angeschwärzt haben. In solchen Fällen plädiere ich ja schlichtweg für die Todesstrafe. Zu drastisch, ich weiß. Das regt mich so dermaßen auf, dass ich zumindest gerne die Prügelstrafe wieder einführen würde. Doch auch das würde ich nicht durchsetzen können. Schade.
Der junge Kollege ist völlig verdattert und kann auch dem Chef erklären, was er da gesagt hat, doch das Misstrauen ist gesät. Er bekommt einen Maulkorb verpasst. Fortan habe er immer auf Nachfrage – egal, von welcher Seite – zu sagen, es laufe in seinem Team alles hervorragend. Es gebe nichts, aber auch gar nichts, was nur ansatzweise negativ in der Außendarstellung wirken könne, das ihm je wieder zu Ohren kommen solle. Das handhabt er mit seinen anderen Mitarbeitern genauso. Der junge Kollege fragt nach, ob er denn auch was gegen das Denunziantentum unternehmen wolle, weil es doch nicht angehe, andere Kollegen anzuschwärzen, wenn man in einem geschützten Rahmen in einem Austausch sei. „Das ist eine ganz klare Devise, die ich rausgegeben habe. Ich will alles wissen und erfahren, was einer meiner Leute da draußen sagt.“ Bums. Was soll man da noch sagen? So kann ich gute, kritische, mitdenkende Mitarbeiter auch direkt zu hirnlosen Trotteln heranzüchten. Und das im Jahr 2021!!! Das war früher leider an der Tagesordnung, aber die 40er sind doch längst vorbei…und Addi längst tot. Mich gruselt´s, wenn ich so was höre. Aber ganz arg.
Um den Kollegen zu unterstützen, telefoniere ich mit ihm und erarbeite eine Strategie, wie wir das geschickt unterwandern können. Der Chef kann dann seinen Frust auf mich lenken, was nicht weiter schlimm ist. Er ist ein Depp…ein alter, müder, misstrauischer Depp, der ohnehin bald in Rente geht. Nur hat er bis dahin schon jahrelang eine vergiftete, von Angst durchsetzte Atmosphäre geschaffen. Das dauert, diese Strukturen zu verändern.
Und Karli, der Ofenputzer? Der darf derweil den Ofen putzen. So richtig schön. Mit Hingabe, Aufopferung und sämtlicher Ausstattung, die der Gute zu bieten hat. Wenn es ihm doch Spaß macht, wer sind dann wir, ihm das zu verwehren? Nur anschwärzen würden wir ihn niemals. Warum auch? Da würden wir uns doch selbst ins Knie schießen. In diesem Sinne: Ich hoffe, Eure Öfen sind alle geputzt!
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