Es ist mal wieder Montag. Vielleicht sollte ich ihn in „Mohntag“ umtaufen, weil Opium, das aus Mohn gewonnen wird, eine sedierende Wirkung nachgesagt wird. Das könnte ich montags immer wieder aufs Neue gebrauchen. Ach, was wäre das toll, völlig benebelt an so einer unsäglichen Besprechung teilzunehmen?! Alles Aufputschende würde ja eher zur Eskalation beitragen. Ich brauche da eher Mittelchen, die mich runterkochen.
Dabei scheint der gute Heinz letzte Nacht wieder neben einem Kernkraftwerk geschlafen zu haben. Dauernd hat er seine Sabbel dazwischen, findet Fragen, die mir nicht einmal im Traum, Vollsuff oder wann auch immer einfallen würden und hält damit die ganze Runde auf. Und irgendwie scheint jede(r) resigniert zu haben, was ihn betrifft. Mein Report dauert nicht mal 30 Sekunden. Wir benötigen dennoch 30 Minuten für neun Leute. Dies entspricht einer Restdauer von 29 Minuten und 30 Sekunden für acht Leute. Mathe war nie meine Stärke, aber selbst ich merke, dass hier eine komische Verteilung vorherrscht. Mein Chef sagt dann zum Ende auch: „Pünktlich geschafft!“ Dabei ist das völliger Schwachsinn. Würden wir uns an die Struktur halten, die vorgegeben ist, würden wir maximal 15 Minuten zugrundelegen. Da wir aber immer einen Puffer für Eventualitäten hinzupacken (et könnt´ ja ma ´n Kriesch ausbreschen), nutzen manche Deppen die Zeit auch komplett aus. Sollte mal ein Notfall mehr Raum beanspruchen, werden wir vermutlich eine Tagesveranstaltung daraus machen müssen. Das ist so gar nicht meine Welt und wird sie auch nie.
Es gibt unser Intranet, das uns informiert…also über die Dinge, die wir wissen müssen. Ich komme in der Regel selten dazu, das überhaupt zu lesen. Heinz, mit seiner 130 – 150 %igen Auslastung, liest sich jeden Artikel durch und schaut sich jedes Video an. Und ja, ich meine wirklich jeden Scheißdreck. Trotzdem fragt er nachher noch nach, ob einer noch weitergehende Infos hierzu hätte? So zum Beispiel zum Impfprogramm, das angeblich in 14 Tagen bei uns starten soll. Wo man sich da anmelden müsste? Es gibt noch keine Info dazu. Ja, aber ob schon jemand über den Flurfunk gehört hätte, wie es dann laufen könnte? Mit so einem Mist darf ich mich dann eine ganze Stunde meines Lebens beschäftigen. Es reißt auch nicht ab. So auch das Beispiel die Kantinethematik. Es wurde eine neue Kantine geplant. Sie ist nur der Anfang einer Reihe von Um- oder Neubauten. Das alte Gebäude ist mittlerweile abgerissen. Aber warum würde man denn nun eine neue Kantine bauen? Es soll doch mehr Richtung Home Office gehen? Da braucht´s das doch gar nicht. Stimmt, sollen die doofen Werker doch ´ne Stulle essen, gell?! In ein paar Jahren – so die Prognose – wird es einen fetten Personalzuwachs geben. Zudem plant man so was lange im Voraus. Die Gebäude sind ja auch nicht alle auf einen Schlag innerhalb von 14 Tagen fertig. „Ja, aber“ (ich hasse diese Formulierung immer mehr): Egal, mit welchen Freunden und Bekannten er spreche, keiner würde es verstehen, warum nun die Kantine gebaut werden solle??? Wo wir weniger Umsatz hätten und mehr Arbeit im Home Office. Ehrlich? Was interessieren mich seine Bekannten und Freunde bzw. deren Meinung? Habe ich einen Einfluss auf Bebauungspläne? Nein. Als Nächstes verhandeln wir hier übers Wetter, weil es nicht nach meiner Nase geht, oder was? Ich bin es satt, über Dreck zu diskutieren und mir meine Zeit stehlen zu lassen, andererseits dann aber „mimimi“ zu hören, weil sein Kalender sooooo voll sei. Kauf´ Dir ´ne Parkuhr! Die hört stoisch zu. Ihr seht spätestens jetzt, wozu ich Opium bräuchte: Ich muss diese Gefühle betäuben.
Da kommt mir ein brillanter Gedanke: Ich könnte ja auch mal doofe Fragen stellen. Zum Beispiel: „Wie konntest Du die letzten Jahre im Home Office arbeiten, ohne einen Laptop zu besitzen?“ Das wäre mal eine Frage, die richtig Zündstoff bieten und mehr Leute interessieren würde. Und vielleicht würde die dumme Nuss dann endlich mal die Klappe halten. Aaaaaaah…ich brauche mein Mohn bzw. Opium. Dabei bin ich gegen Opiate allergisch. Kennt einer gute Alternativen? Ich wäre offen dafür.
Später habe ich dann noch eine kurze Rücksprache mit meinem Chef. In diesem Zuge bin ich so dumm, nachzufragen, was sich aus der Fortbildung ergeben hat, die ich machen sollte? Da wir ein guter Kunde von einer Beraterfirma sind, haben sie angeboten, zwei Mitarbeitern von uns eine vollumfängliche, zertifizierte Ausbildung kostenlos zu ermöglichen. „Des…joo…des homm mia…ääääh…oda bessa i…ääääh, jo…verschwitzt.“ What the fuck?!?!?! Sein Ernst? Ist es. Ja, das Angebot war einmalig und wohl sehr kurzfristig. Das hatte er so nicht auf dem Schirm, weshalb das jetzt nichts gibt. Das haut einem doch echt das letzte Blech weg. Aber kennt Ihr das? Wenn Ihr so weit seid, dass Ihr Euch noch nicht einmal mehr aufregen könnt? An dem Punkt bin ich angelangt. Hauptsache, Heinz versteht nun, warum wir eine verkackte Kantine bauen. Ich brauche eine Lobotomie!!!
Interessant ist dann auch mein herausforderndes Projektteam, bei dem nun der eine „Spieler“ den Prozess bzw. die Beteiligten ein wenig gegeneinander ausspielen will. Dazu holt er sich eine gaaaaaaaaanz erfahrene Kollegin aus der IT, die ja schon x Projekte begleitet habe. Mag auch stimmen, wobei sie sehr jung ist, aber gut. Und sie erklärt uns dann das Leben, den Sinn und überhaupt. Nach halbstündigem Monolog, den er und diese wahnsinnig Erfahrene halten, fragen sie dann doch mal den Projektleiter und mich, wie wir das denn finden? Ich kann nicht anders: „Wie ich das finde? Dass alles beschlossen wird, ohne das Team zu fragen? Und Ihr denen etwas präsentieren wollt, was in deren Zuständigkeits- bzw. Abstimmungsbereich liegt? Bombe. Ganz große Klasse. Da brauchen wir dann aber auch nicht von ´Scrum´ zu reden, weil das ja alles ad absurdum führt, wofür Scrum steht. Machen wir doch alles, wie vorher und hängen kein Schildchen ´agil´ dran. Dann passt´s auch wieder besser.“ Neiiiiiiiin, so soll es natürlich nicht sein. Und stimmt, ja, wir müssten das Team doch auch mit ins Boot holen. Ehrlich? Es ist Montag. Dieser Dreck passt hervorragend ins Gesamtbild.
Und dann fahre ich den Laptop runter – noch voll mit Groll – als mein Telefon klingelt. Eine Freundin ruft an. Sie ist ähnlich genervt von diesem Montag. Bis wir dann das Gespräch auf andere Themen lenken. Das passiert völlig natürlich. Frauen können ja 800 Themen in 30 Minuten besprechen. So was können auch nur wir. Einem Mann würden solche Themen gar nicht erst einfallen. Und ein Mann würde sich auch nicht so aufregen können, wie wir das tun. Wir können das: Uns kurz auskotzen, die Suppe hochkochen, um dann richtig herzlich zu lachen und den Ausgleich wiederherzustellen. Gott/Jahwe/Buddha/Allah/Pacha Mama – was bin ich froh und dankbar, eine Frau zu sein. Nix anderes will ich – ok, außer im Stehen pinkeln zu können. Aber sonst ist alles fein.
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