Der Tag beginnt gut. Die Arbeit geht leicht von der Hand. Die Vorbereitungen für einige Schulungen, die ich ab nächster Woche geben darf, sind im vollen Gange. Meine süße Studentin hat es derweil beim Snowboarden zerlegt. Sie ist noch so jung und doktort – wie ich jetzt erst nach meinem Urlaub erfahren habe – schon seit Wochen daran herum. Dauernd muss sie die Position wechseln: Sitzen, stehen, liegen. Die Prognose des Arztes: Sie wird noch lange „Freude“ daran haben. Und dann mault sie: „Dabei ist kein Wirbel gebrochen, kein Knochen, nichts! Die Muskeln hat´s wohl an der Stelle zerlegt. Das kann doch nicht wahr sein, sich dafür so anzustellen!“ Tja, sie ist ungeduldig. Das kann ich so gut verstehen. Und sie will wieder zum Sport. Ääääh, gut, das kann ich nicht so gut verstehen. Aber mal Scherz beiseite: Schmerzen machen einen mürbe. Ich hoffe, sie kommt bald wieder auf die Strümpfe. Sie ist auch zu jung für ständiges Schmerzmittel Nehmen.

Und dann rede ich mit meinem Betriebsrats-Spezl. Er hat eigentlich noch Urlaub, aber skypt dennoch mit mir. Ich frage, wie es ihm gehe? Da legt er auch schon los: Ein guter Bekannter von ihm ist am Wochenende verstorben – Mitte 50. Hirnhautentzündung, Krankenhaus, zweieinhalb Wochen, das war´s. Von seinem Freund sind die Eltern innerhalb von drei Tagen kurz vor Weihnachten verstorben. Und dann berichtet er von einem Mitarbeiter unserer Firma, der an Corona verstorben sei. Als er den Namen nennt, haut´s mich komplett um. Ich bin geschockt! Er war ein knurriger Kerl, der eine Wahnsinnskompetenz an den Tag gelegt hat. Keiner kannte sich mit dem Maschinen in seinem Bereich so aus, wie er. In den letzten beiden Jahren habe ich sein Team bei einem Einführungsprozess begleitet. Ich höre ihn noch sagen: „Des Problem is, die junge Leit wärn heit net mära richtig ausbildät. Ois is zackzack, oba des geht net zackzack. Des braucht Zeit, die mia nimma homm diafe.“ Recht hatte er. Geändert hat´s dennoch nichts.
Wir haben immer miteinander gefrötzelt. Sprüche, wie: „Für a´hn Preiss bist scho in Ordnung!“, habe ich mir häufiger anhören dürfen. Im Sommer 2020 habe ich ihn an einer Eisdiele getroffen. Wir haben uns noch versprochen, gemeinsam mal ein Eis zu essen, wenn dieser ganze Corona-Wahnsinn vorüber sei. In jedem Meeting, in dem wir beide waren, haben wir uns gegenseitig daran erinnert – zuletzt im November 2021. Das geht jetzt nicht mehr… Es erschüttert mich einfach. Man hört von Todesfällen, keine Frage. Aber es ist immer was anderes, wenn man einen kennt.
Als mein Spezl davon berichtet, frage ich noch: „War er denn geimpft?“ Saublöd, oder? Es ging mir auch nicht darum, ihn zu verurteilen, wäre er es nicht gewesen. Mein Spezl sagt nur: „I hob koa Ahnung net, oba is des net scheißwurscht?“ Recht hat er. Ich habe es anders gemeint, das weiß er auch. Und trotzdem ist die Frage überflüssig. Ich konnte es einfach nicht fassen und wollte nach einer Erklärung suchen. Doch was würde die helfen? Ob er nun geimpft war oder nicht, ist vollkommen einerlei. Er ist nicht mehr da, was ich schrecklich traurig finde.

Gestern war ich ja noch mit meiner Kollegin unterwegs, was sehr schön war. Doch auch wir haben über Corona gesprochen. Wie kann man das in diesen Tagen auch ausblenden? Welche Folgen werden da noch auf uns zukommen? Mich hat nachdenklich gemacht, als sie meinte: „Kanntest Du mit fünf Jahren das Wort ´Quarantäne`? Ich nicht. Hatten wir Angst, Oma und Opa könnten sterben, wenn wir sie umarmen? Ich nicht.“ Und das stimmt. Ich stelle nicht die Maßnahmen infrage (ok, manche schon…vor allem, dass es keine einheitlichen Regelungen innerhalb Deutschlands gibt). Ich stelle lediglich mit Entsetzen fest, wieviel sich so radikal verändert hat. Mir geht es immer noch gut, keine Frage. Und doch beschäftigen mich manchmal solche Gedanken, wie sich das alles noch entwickeln wird und wie wir alle auch geistig/psychisch gesund durch die Zeit kommen können? Leichtigkeit ist wichtig, auch wenn das Leben nicht immer noch leicht sein kann. Doch diese blöden, grauen Wolken über uns schlagen dann doch hin und wieder aufs Gemüt. Ich bin froh, dass es mir gut geht…aber ich sorge mich um alle, denen es nicht gut geht. Nicht die Keifer und Hasser, die sind mir wurscht. Aber all die anderen, die Angst haben, nicht wissen, wie ihre Zukunft aussehen kann, die alleine sind und/oder überfordert – mit Kindern, mit ihren Ängsten…mit allem Möglichen. Ich hoffe, dass Beziehungen tragfähig genug sind, diese Zeit zu überstehen. Denn wir Menschen brauchen einander. Das war immer so und wird auch so bleiben. Hoffentlich sehen das wieder mehr Leute ein. Alles andere frisst unnötig Energie.

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