Feurioooooo, es ist vollbracht. Also erstmal ist Wochenende. Es ist bisweilen immer noch eigenartig, nicht lernen zu müssen. Ob ich mich irgendwann daran gewöhne? Vermutlich nicht. Diese innere Unruhe treibt mich mal wieder (oder immer noch?) um. Wer weiß, was in den nächsten Wochen und Monaten so passieren wird? Aber die trübe Tristesse darf dann endlich mal weichen.

Was also vollbracht ist? Na, zunächst mal die Woche. Und als weiteres Highlight das Färben meiner grauen Haare. Gottseidank bin ich ja groß, so dass mir die Wenigsten dauernd auf den Scheitel schielen können. Einen Vorteil muss es da ja geben, groß zu sein. Erst gestern habe ich nämlich mal wieder einer kleineren Frau dabei geholfen, beim Einkaufen etwas aus dem obersten Regal zu nehmen. Ich konnte beobachten, wie diese Frau sich abmühte, an die Verlockungen des obersten Regaleabschnitts zu gelangen. Ziemlich entnervt stieg sie auf die Erhöhung des untersten Fachs, nur um feststellen zu müssen, dass ihre Arme immer noch zu kurz waren. Amüsiert habe ich ihr meine Hilfe angeboten und ihr drei Pakete von irgendeinem süßen Kuchen gereicht. Auch herrlich, wie sie sich sofort verteidigt hat: „Die schmecken meinen Kindern so gut, müssen Sie wissen.“ Nee, muss ich nicht. „Und die gibt es so selten, da wollte ich gleich drei nehmen.“ Ich versichere ihr, sie müsse mir nichts erklären. Warum tun Menschen so was? Sich ständig rechtfertigen, meine ich. Ich kann das auch sehr gut, was mir dann regelmäßig im Nachgang auffällt. In vielen Fällen habe ich es mir bereits abgewöhnt, weil es doch eigentlich nur eine Person gibt, der gegenüber wir Rechenschaft ablegen müssen: Uns selbst. Und dazu muss ich keinen anderen vollquatschen. Und doch sind wir wohl in Summe darauf gepolt, gefallen zu wollen und Zustimmung zu erhalten. Wir Menschen sind schon eigenartig. Was ich aber eigentlich sagen wollte: Kleinen Frauen hilft man. Große Frauen scheinen immer alles allein hinzubekommen, was manchmal nervig ist. Daher ist so ein Vorteil, wie der mit dem nicht-auf-den-Scheitel-schauen-Können mal ausgleichende Gerechtigkeit. Kann ich kompliziert denken, hm? 🙂

Aaaaaber es gibt noch ein viel wichtigeres „Es ist vollbracht“! Gestern lag nämlich mein Lohnsteuernachweis vom letzten Jahr in der Post. Am Ende des Jahres denke ich immer: Nächstes Jahr erledigst Du das sofort. Und dann kommt der Nachweis aber immer erst im März. Dieses Jahr ist also schon mal eine zeitliche Steigerung zu verbuchen. Da von Dezember bis März einige Zeit verstreicht, verschiebt sich auch mein Anspruch, weshalb ich den Wisch immer irgendwo erstmal parke. Ich weiß aber immer davon, was mein Gewissen plagt und mich entsprechend nervt. Doch dieses Jahr mach´ ich´s anders. Frisch gefärbt, epiliert und gut gelaunt, mache ich mich dieses Mal tatsächlich sofort ran. Und schwups, ist der Rotz ausgefüllt, verschickt und raus aus meinem Köpfchen. Man, bin ich gut. Wäre ich nur in anderer Hinsicht auch so zackig unterwegs. Geduld, Geduld, ich weiß. Aber die Geduld ist wohl diejenige, die meine Motivation weiterhin in der Karibik herumlungern lässt. Beide Damen machen sich leider sehr rar in meinem Leben. Entsprechend bin ich dann stolz, wenn ich unliebsame Aufgaben – wie die Steuererklärung – anpacke und erledige.

Diese Woche hat mich eine Geschichte meiner Mom amüsiert. Es ist sehr schade, dass sie nicht mehr die Mom ist, die ich mal hatte. So ein Schlaganfall verändert eben alles. Und gleichzeitig entdecke ich auch die lustige Seite an dieser Sache. Immerhin ist der Vorfall nun schon fast 23 Jahre her. Wenn ich da nur die Düsternis sehen würde, wäre ich mittlerweile wohl total verzweifelt. Meine Mom ist seit ein paar Jahren wöchentlich zweimal in der Tagespflege. Und da ist sie die Einäugige unter den Blinden. Klingt hart, ist aber echt so. Während viele Demente um sie herumschwirren, ist sie geistig noch relativ fit. In ihrem Verhalten ist sie auch oft wie ein Kind, keine Frage. Und sie berichtet auch von Dingen, die sie sich in ihrer Phantasiewelt zusammengesponnen hat. Den ausgeprägten Sinn für Phantasie habe ich eindeutig von ihr geerbt. Meine Mom entscheidet sich abends auch schon mal, das Buch, das sie bis zum Ende gelesen hat, weiterzuträumen. Ja, echt schrullig, aber so ist sie.
Dieses Mal berichtet sie von einer Frau aus dem Ort, die verstorben sei. Ich habe sie nicht sonderlich geschätzt, was noch mild formuliert ist. Sie war eine biestige Zicke und hat einigen Menschen das Leben schwer gemacht. Meine Mom wollte mir nun verklickern, dass ich besagte Dame wohl als Kind verehrt haben soll. Die Dame war immer geschminkt, hatte lackierte Fingernägel und dergleichen, was ich schon als Kind bei anderen Frauen cool fand. So was war bei uns im Dorf dann doch eher selten zu finden. Trotzdem weiß ich, dass ich diese Frau als Kind schon doof fand, weil sie so arrogant war, immer alles besser wusste und kein bisschen herzlich wirkte.
Und nein, das ist nicht die Geschichte, die mich amüsiert hat. Bei all dem, was meine Mom immer so erzählt, geht es in der Regel um die neusten Corona-Zahlen, die Ukraine-Krise, wer im Dorf verstorben ist, wer krank geworden ist usw. Ständig kommt auch der Ausdruck: „Ich mache mir Sorgen um…“, durch den ich sehr stark geprägt worden bin. Umso erheiternder sind dann ein paar lustige Dönekes von der Tagespflege. So vor kurzem geschehen: Es war Mittagszeit, so dass alle am Tisch versammelt waren. Der derzeit einzige Mann vor Ort bekommt natürlich ohne Ende Aufmerksamkeit. Er wollte zur Mahlzeit eine Cola, die er auch prompt bekam. Meine Mutter sollte das Tischgebet sprechen und bereitete sich schon innerliche darauf vor, als eine 92-Jährige, die meist nur vor sich hin schweigt, das Wort ergriff und schmetterte: „Ein Schluck Cola vor dem Tanz, hebt die Stimmung und den Schwanz.“ Ein Bruchteil einer Sekunde war Stille, bis alle losgeprustet haben. Sie müssen so gegackert haben, dass eine Betreuerin aus dem Büro eilte und nach dem Grund fragte. Meine Mom, ihres Zeichens da die Anführerin (ich weiß echt, von wem ich mein flottes Mundwerk geerbt habe), hat dann berichtet, was das alte Ömken rausgehauen hätte. Die jedoch war total verdutzt und hat sich entschieden gewehrt, so was gesagt zu haben. Der Witz an der Sache: Sie ist so dement, dass sie es echt sofort wieder vergessen hatte. Eine ehemalige Mitschülerin, der ich das erzähle, fragt grinsend nach: „Und wieviele Liter musste der alte Mann dann trinken, damit sich endlich was tat?“ Das hat mich dann losprusten lassen.

Manche Kolben, die so alte Menschen raushauen, zeigen mir mal wieder, dass sie gar nicht so bieder und schicklich waren, wie man uns immer hat weismachen wollen. Es wurde ihnen abtrainiert, weshalb sie es ewige Jahre unterdrückt haben, aber im Grunde ihres Wesens war niemand so heilig. Schließlich sind wir alle nur Menschen mit Bedürfnissen, Sehnsüchten und Spinnereien. Ich will echt nicht wissen, was in manchen Altenheimen so abgeht und wer da in der Demenz mit wem schnackselt. Dazu gibt es schon Studien. Aber mal ehrlich: Wenn sich die beiden am nächsten Tag nicht einmal mehr daran erinnern können, ist doch alles in Butter. Mich amüsiert so was total. Dieses ständige: „Das gehört sich aber nicht!“, was ich in jungen Jahren immer zu hören bekommen habe, wird da völlig vergessen.
Wie schön wäre es, wenn wir alle mehr das leben würden, was wir wirklich denken bzw. fühlen? Anstatt das zu leben, was uns beigebracht und regelrecht eingetrichtert wurde? Spürt Ihr Euch eigentlich noch so richtig? Und nein, ich will jetzt keine Räume ausräuchern oder esoterischen Kram starten. Ich merke nur, wie sehr ich mich im ewigen Hamsterrädchen bewege, brav meine Steuern zahle, Rentenvorsorge betreibe und an später denke – ohne zu wissen, ob es dieses Später tatsächlich für mich geben wird…und ohne derzeit Freude an dem zu haben, was ich tu´. Und was ich so von dem ein oder anderen aus meinem Umfeld mitbekomme, geht es kaum jemandem anders. Ich möchte mehr lustige Geschichten hören – von Alten und von Jungen. Welche habt Ihr zu erzählen?

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