„Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus“, heißt es doch im Volksmund. Das glaube ich nicht so ganz. Gerade habe ich nämlich freien Blick auf noch kahle Bäume. Und was da abgeht? Puh! Meine Mom meint immer, die Laute, die Krähen so von sich geben, klängen ordinär. Stimmt irgendwie. Sie sind wuselig dabei, Nester zu bauen. Es gibt ein Nest, dessen Material von allen geklaut wird. Doch selbst dabei gibt es eine Hackordnung. Ganz schön aggressiv. Ähnlich, wie es bei den Menschen zu sein scheint. Ich finde mit Mühe und Not einen Parki beim S- Bahn- Parkplatz und trotte los. Ein junger Bursche (ja, ich verwende noch solche Worte) geht zwei Meter vor mir. Drei junge Typen kommen dem Burschen entgegen, rempeln ihn an und maulen ihn an: „Altaaaa!“ Er dreht sich im Gehen leicht um: „Was’n Digga? Ich lauf doch geradeaus.“ Die Rempler moppern weiter, während alle dabei weitergehen. Der Bursche vor mir dreht sich noch mal zur Seite und zischt noch mal. Ich muss einfach lachen, was ihn wohl verdutzt und aufbegehren lässt: „Is doch wahr!“ Ich grinse ihn an und sage: „Nicht jeder wurde mit gleichviel Hirn bedacht. Aber gegen drei wird’s doch etwas schwer, hm?“ Er schnaubt: „Ich hau auch vier von denen um.“ Ach, die Jugend war schon cool, oder? Da hab ich auch gedacht, keiner könne mir was. Ich wünsche dem Kleinen einen schönen Tag und gehe meiner Wege. Verstehen kann ich ihn schon. Und wahrscheinlich hätte ich den Mund auch nicht halten können. Der Unterschied ist nur: Ich könnt’s mit drei Typen nicht aufnehmen – außer verbal natürlich. Das brächte mir vermutlich eine dicke Lippe ein… wir werden es allerdings nicht erfahren.

Was so spielerisch jugendlich aussieht, ist im Erwachsenenalter ja gar nicht so viel anders. Da geht’s nicht mehr um Anrempeln auf dem Weg, aber beruflich dann eben doch. Es läuft nach wie vor sehr zäh mit Misstrauen und Kontrolletitum. Da ich mir gut vorstellen kann, dass wir wieder in Kurzarbeit schlittern können, beantrage ich die Genehmigung von Nebentätigkeit. Eine kleine Formalie, die normalerweise durchgewunken wird – zumal es keinerlei Schnittstellen zu meiner Tätigkeit gibt. Meine Chefin hab ich im Februar eh schon mal vorabinformiert. Jetzt erhalte ich dann erstmal die Einladung zu einem halbstündigen Termin – nur mit ihr. Ich habe ca. sechs bis acht Stunden pro Woche ausschließlich Team-Besprechungen. Nein, das ist leider keine Übertreibung. Eigentlich ist es so, dass wir auch richtige Kunden haben, für die ich arbeiten darf. Es nervt. Montag hab ich dann mal beschlossen, es meinen männlichen Kollegen gleichzutun, die knapp mit ja, nein oder „basst“ antworten. Es gelingt mir gut. Es bringt mir allerdings prompt einen Anruf meiner Chefin ein. Wie es mir gehe? Ok. Wenn was wäre, könne ich mit ihr sprechen. „Mmmh“, ist meine Antwort. Sie wartet, ich auch. Dann übertrieben freundlich: „Ich wünsche Dir eine gute Woche.“ Ich halte es nicht durch: „Ääääh? Wir haben in 30 Minuten das nächste gemeinsame Meeting?!“ Sie schnippisch: „Ich kann Dir doch trotzdem eine gute Woche wünschen!“ Ich kapituliere: „Stimmt. Das kannst Du.“ Sie ist bemüht, kann es aber nicht. Man merkt leider irgendwann zu sehr, dass sie weiterkommen will – egal, auf wessen Kosten. Und dabei verwendet sie nur Worthülsen, ohne es so zu meinen. Schade. Meine Kollegen waren von Anfang an nicht für sie. Mich hat sie leider auch verloren…

Umso glücklicher bin ich in anderer Hinsicht. Meine Fortbildung, zu der ich gerade fahre, findet heute hybrid statt. Gar nicht meins… vor allem nicht als Trainer. Aber ich bin ja Teilnehmer und darf es mir aussuchen. Ich wähle Präsenz, weil ich Zuhause sonst was mache – nur eben nicht am Ball bleiben. Wir sind nur zu viert vor Ort, doch das tut der guten Stimmung keinen Abbruch. Doch das, worüber ich mich noch viel mehr freue: Mein Sommer-Date vom letzten Jahr wird die zweite Coaching-Einheit im nächsten Monat nicht abhalten. Das ist ein Gefühl, als wäre Weihnachten, und ich sähe den Christbaum zum allerersten Mal. Es ist eine Portion Extra-Lametta. Perfekt! Ich hab außerdem noch Eierlikör im Gepäck, weil es meine Wettschulden sind. Ich hab meine Prüfung ja letztes Jahr bestanden. Und genau heute findet der nächste Prüfungszyklus statt, was mich an meine Zeit vor fünf Monaten erinnert. Entsprechend fühle ich mich gerade einfach nur gelöst und glücklich. Am Ende des Tages bin ich zwar müde, aber das war’s wert. So darf es bitte, bitte weitergehen.

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