Manchmal fühlt sich das Leben schon ein bisschen so an wie „und täglich grüßt das Murmeltier“, oder? Wobei ich dann ja immer diesem WDR4-Hörschaden meiner Mom danke, da ein kleiner Teil meines kleinen Hirns für mich eher innerlich ein „Ich glaub´, es geht schon wieder los…das darf doch wohl nicht wahr sein…“ von Roland Kaiser schmettert. Ja, in meinem Leben ist viel Musik. Zu fast jedem Wort oder einer Redewendung fällt mir dann auch ein Lied ein. So habe ich gestern noch bei einem Skype-Termin einem Kollegen eröffnet: „Du siehst ja voll wie Mark Forster aus!“ Er trug eine nahezu identische Brille und so eine Kappe. Er winkt direkt ab. Aber hey, ich wäre nicht ich, wenn ich nicht dranbliebe, oder? Er sagt also was, während ich leise lossinge: „Ich bin weg o – o – o – o au revoir.“ Niemand hat behauptet, dass es anderen mit mir immer Spaß machen muss. Nachher frage ich ihn dann aber doch noch, auf welche Musik er denn so stehe? Na, schon eher auf Metal. Na, geht doch! Ich mache die Pommesgabel und rufe den Wacken-Schlachtruf: „Leck´ das Huhn!“ Und da strahlt der Gute dann doch noch. Ich kann eben nicht nur WDR4 von vor vierzig Jahren. Man, bin ich ein Allrounder.
Gestern war so ein komischer Tag. Auf der einen Seite hatte ich mein Mitarbeitergespräch. Ein leichtes Magengrummeln kann ich da nicht verleugnen. Nicht, weil ich Angst habe, was ich zu hören bekommen. Es geht vielmehr darum, dass ich befürchte, was ich alles sagen werde. Ein lieber Kollege ist vor mir dran, und wir frötzeln schon im Vorfeld. Er kommt erst nach anderthalb Stunden von dem geplanten einstündigen Termin zurück. Das Gespräch ist ihm am Heck vorbeigegangen, war aber alles in allem wohl ok. Es ist einfach so unwichtig. Ich mag ergiebige Gespräche, von denen man was mitnehmen kann. Darauf wartet man bei uns leider vergeblich. Nur ist es natürlich nicht gerade der Brüller, wenn wir alle in dieser Du-kannst-mich-mal-Schleife stecken. Da ziehen wir uns vermutlich noch gegenseitig zusätzlich runter. Die Fragen, die wir vorab erhalten, sind identisch und so gewollt. Es braucht ein paar Vorgaben, das weiß ich. Es ist nur so müßig, wenn Du weißt, wie völlig scheißegal es ist, ob Du was sagst und was Du sagst. Wir machen weiter, wie bislang. Nichts ändert sich, aber wir geben uns den Anstrich, als sei uns offene Kommunikation sooooo unendlich wichtig. Ach, ich brauche diese Alibi-Veranstaltungen nicht.
Als ich dran bin, kommt der obligatorische Satz meiner Chefin, den wir alle nur noch belächeln: „Danke, dass Du Dir die Zeit nimmst.“ Als wäre das eine freiwillige Sache und als müsste ich irgendwo von der Front abgezogen werden, um mir diesen Termin hier richtig rauszuschwitzen. Egal. Sie beginnt mit dem Blatt, auf dem die Fragen stehen, zu denen wir uns im Vorfeld Gedanken machen sollten. Ich stelle gleich klar, wie wenig authentisch diese Gespräche dadurch seien. Wie die letzten Monate denn so für mich gewesen seien? Planlos, strukturlos, chaotisch, blinder Aktionismus, Blindleistung. Dem stimmt sie sogar zu, aber so sei es nun mal derzeit. Ah ja. Wie konnte ich in Herrgottsnamen nur meine Motivation verlieren??? Is ja ´n Ding, Donnerknispel noch eins. Meine Chefin sei seeeeeehr zufrieden mit mir. Ich erhalte auch noch ein Incentive (von dem ich nicht weiß, wie das aussehen wird), weil ich ja so überdurchschnittlich in allem Engagement erkennen ließe und meine Ergebnisse immer suuuuuper wären. Die sollte mich mal erleben, wie ich arbeite, wenn ich richtig Bock darauf habe! Ich bedanke mich auch artig und weiß, ich sollte mich freuen. Es fühlt sich dennoch alles falsch an. Vor allem schätze meine Chefin meine Leidenschaft, mit der ich an Dinge herangehe. Ich zucke mit den Schultern und räume ein: „Ich weiß schon, dass das nicht immer einfach ist mit jemandem wie mir.“ Sie reißt überrascht die Augen auf – wieso das denn? Ich würde die Dinge klar ansprechen, wäre immer voll dabei und würde mich nie wegducken. Und ich würde nicht nur Missstände ansprechen, sondern auch Lösungen anbieten. Genau das braucht´s. Aha… Für mich ist es dennoch anstrengend und aufreibend, weil die Lösungen ja doch nicht umgesetzt werden. Naja…unterm Strich bin ich ein fleißiges Bienchen und ein Gewinn – da sollte ich eventuell glücklich drüber sein. Im Gefühl kommt´s nur leider so gar nicht an.
Auf der anderen Seite treffe ich dann meinen ehemaligen Chef, der aussieht wie ein Schluck Wasser in der Kurve – und nicht wie ein Mann, der gerade ein Haus am Gardasee geschossen hat. Ich frage ihn, was denn los sei? Und da steht dieser 62-jährige Mann vor mir mit schwimmenden Augen. Seine Mutter sei letzte Woche verstorben. Und auch wenn er wüsste, dass es rational das Beste für sie gewesen sei, sie ihr Leben gelebt habe und nur noch schwerstdement war, so würde es dennoch weh tun. Eine Mutter bleibt immer eine Mutter, schätze ich. Und so kann ich dann nicht anders und nehme ihn in den Arm. So was geht mir schon ans Herz – egal, wie alt seine Mutter gewesen ist. Wir sind eben unterm Strich alle auch die Kinder von irgendwem. Und in seinem Fall war seine Mutter wohl auch eine ganz tolle Mutti. Er lässt ein paar Tränen rollen. Ich frage mich im Nachgang, wieso wir für solche Gespräche so selten Zeit erübrigen können? Ständig werden wir von A nach B gehetzt, obwohl unser Job echt keine große Bedeutung hat. Das Menschliche hingegen, also das, was es wirklich ausmacht, fällt ständig hintenüber. So arbeite und lebe ich nicht gerne.
Zusätzlich bangt meine Freundin den gestrigen Tag lang um ihre Mutter, die operiert werden soll. Auch diese ist schon recht alt und vor allem sehr krank. Wer noch nie in der Situation war, kann sich das auch nicht vorstellen: Du begleitest diesen Menschen und weißt nicht, was Du ihm/ihr eigentlich wünschen sollst? Wünschst Du der Person, dass sie gehen darf oder dass sie bleiben soll? Denn keiner weiß, wie erfolgreich so eine OP ist. Das Warten und Bangen ist für die Angehörigen das Schlimmste. Ich erinnere mich noch zu gut an diese Zeit vor 23 Jahren – wie es war, auf das OP-Ende zu warten. Nicht zu wissen, was gelingt und was nicht…was nachher „übrigbleibt“ und was nicht. Zu beten und zu hoffen, ohne das ganze Ausmaß wirklich zu umreißen. Nach so einer Aktion ist man fertig wie ein Brötchen und fühlt sich, als wäre man stundenlang von einem Rasenmäher überfahren worden. Wenn ich daran denke, bin ich sofort wieder in dem Gefühl von damals…und denke rückblickend manches Mal, wie ich das gewuppt habe? Zuhause habe ich nur geschlafen und geweint, weil ich mir das am Bett neben meiner im Koma liegenden Mom immer verboten habe. Gott, ist das schon lange her, dann doch so präsent und wiederum wie aus einer anderen Welt. Ich sag´ ja: Wer so was nie erlebt hat, dem kann man so ein Gefühl nur schwer beschreiben.
Und dann gibt es auf der anderen Seite meine liebe Kollegin, die auf den Antrag ihres Schatzes wartet. Er hat angekündigt, sie fragen zu wollen. Gut, das wäre nichts, was ich so haben wollen würde, aber jede(r) ist anders. Sie hat sich auch schon den passenden Ring ausgesucht, der ihm allerdings zu teuer sei. Doch der sei genau jetzt im Angebot und somit 20 Prozent günstiger – was sie ihm natürlich auch mitteilt. Das lässt mich grinsen. Wie gesagt: Nicht meine Welt. Ich würde überrascht werden wollen, würde dem Geschmack meines Zukünftigen vertrauen wollen, weiß aber auch um die vielen Kerle, die damit heillos überfordert sind. Ich freue mich für sie, wenn ihr Wunsch in Erfüllung geht, denn sie passen wirklich gut zueinander.
Und ich? Brauche das mit dem Heiraten nicht mehr. Ich schaue mich um und bemerke einmal mehr, wie nah Freud und Leid beieinanderliegen. Jede(r) darf seinen/ihren eigenen Weg gehen und herausfinden, was ihn/sie glücklich macht. Ich merke wieder einmal, wie wichtig Freunde für mich sind, die meine Höhen und Tiefen mit mir teilen. Alles geht nicht…aber vieles eben schon. 🙂
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