Entwarnung: Es geht mir wieder gut. Es ist auch nichts weiter passiert. Und die Schulung am Wochenende hat mich dabei gut unterstützt. Natürlich bin ich erleichtert. Vor allem die Tresorübung hat mir dabei gut geholfen. Heute Morgen öffne ich noch nicht mal zögerlich die Tür. Wenn das mal kein Fortschritt ist! Was ich allerdings schade finde: Ein guter Bekannter und Kollege hat mich angerufen und direkt losgelegt: „Woaßt, des is des, wos i immo scho sog. Die Ausländer homms net verdient. Du konnst nua enttäuscht wer’n. I net. I hob’s vorher gwusst.“ So was finde ich enttäuschend. Punkt 1 ist: Ich glaube das nicht. Punkt 2 ist: Was soll mir diese Aussage bringen? Wie hilft sie mir? Gar nicht.

Meine Mitstreiter am Wochenende sind ein bunter Haufen. Wir haben zwei Ärzte, aber auch Psychologen und Heilpraktiker für Psychotherapie. Die Einzige mit Traumatherapie-Ausbildung bin überraschenderweise ich. Samstags sind für mich viele Wiederholungen dabei. Es geht um ein paar Grundlagen und Techniken zu Ressourcenübungen, Tresorübung und der so wichtige, sichere Ort. Da mir der Freitag doch noch nachhängt, bin ich entsprechend müde und erschöpft. Dabei lernen meine Freundin und ich „Heidi aus den Bergen“ kennen. Es gibt ja so Leute, wo es direkt passt. Sie gehört genau zu diesen. Wir lachen und bekräftigen, wie gut das Bild doch passt: Heidi aus den Bergen und die beiden Böckchen. Die erste Übung geht mir richtig leicht von der Hand, da ich Ressourcenübungen immer wieder in meiner Arbeit einfließen lasse. Das ist quasi schon in meiner DNA verankert. In der zweiten geht es um den sicheren Ort, was ich auch als einfach empfinde. Der erste Tag verläuft also alles in allem ruhig und angenehm, weshalb ich wie ein Stein schlafe.
Der zweite Tag ist für mich bereits deutlich spannender. Jetzt geht´s ans Eingemachte. Ich bin froh, die Methodik von der Pike auf zu lernen und nicht, wie es auch angeboten wird, in sogenannten Crashkursen. Dazu spricht die Trainerin mir aus der Seele, da sie keineswegs dogmatisch ist. 80 Prozent der therapeutischen Arbeit mache die Beziehungsebene zwischen Patient und Therapeut aus. Die Methoden seien also eher zweitrangig. Und da ist es wichtig, nicht eine als das Allheilmittel zu sehen, sondern zu schauen, was zu einem selbst, aber auch zu dem Patienten passt.
Mittags gehen wir munter plappernd zu einem Restaurant – Heidi und wir beiden Böcklein. Da es zügig gehen muss – unsere Pause ist arg begrenzt – gehe ich auf den Kellner zu und frage ihn direkt, ob wir den Tisch auf der Empore nehmen könnten? Er schaut kurz nach und bestätigt. Die anderen traben strahlend los, was ich in seine Richtung so kommentiere: „Man, man, man, drei Frauen auf einen Schlag glücklich gemacht. Das schafft so schnell keiner, hm?“ Den beiden ist das peinlich, was ich dem Kellner dann auch noch erkläre: „Die beiden schämen sich, weil ich eben Rheinländerin bin. Ich kann gar nicht anders.“ Der junge Mann amüsiert sich lediglich über uns drei alte Weiber. Am Tisch haut Heidi dann den Klopper schlechthin raus: „Ich habe tatsächlich mal jemandem die Diagnose Manie geben wollen. Der war so quirlig und ist auf alle möglichen Menschen einfach so zugegangen und hat mit denen gesprochen. Dann habe ich erfahren: Der ist Rheinländer! Da hatte sich die Diagnose dann erledigt.“ Ich schmeiß´ mich weg! So sans, die Leit aus die Beag, gä? Meist doch eher introvertiert und abwartend. Ich kann es mir zum Beispiel auch nicht sparen, den Assistenten der Trainerin zu fragen, woher er denn käme? Interessieren tut´s nahezu alle, fragen traut sich aber keine. Warum, erschließt sich mir nicht. Und da ich ihn auch noch lecker finde, frage ich eben nach. Er antwortet auch ganz locker und plaudert mit mir, während mich große Augen von den anderen mustern. Ist das echt so verwegen? Ich erfahre einfach gerne viel über Menschen und ihre Biographien.
Am Nachmittag ist dann eine Live-Demonstration, was mich wieder sehr fasziniert. Die Methode EMDR ist mittlerweile wissenschaftlich belegt und trotzdem ist es einfach besonders, dabei zuschauen und es erleben zu dürfen. Und noch toller ist es, es anschließend selbst ausprobieren zu können. Ich entdecke einmal mehr: So möchte ich arbeiten. Das ist es, was mich fasziniert und anspricht. Meiner Freundin ergeht es leider erstmal genau andersherum – doch das liegt an diversen Themen.
An diesem Wochenende lerne ich auch eine Frau kennen, die ich richtig toll finde. Anfangs kann ich es nicht genau greifen, aber da ist einfach etwas, das mich total anspricht. Mit und mit erkenne ich, dass sie genauso viel Wert auf Sprache legt, wie ich das ja immer tu´. Sie schaut einen auch anders an…nicht oberflächlich, sondern so, als würde sie einem in die Seele blicken. Klingt esoterisch, ich weiß. Aber mich spricht sie damit voll an. Und sie hat etwas unwahrscheinlich Beruhigendes. Und wie es der Zufall so will, fragt sie mich, ob ich Brené Brown kenne? Ich würde sie an die erinnern. Witzig, weil ich darauf ja vor fünf Jahren mitten in Peru angesprochen worden bin. Seither kenne ich die Dame, die so wunderbar von Verletzlichkeit sprechen kann und dabei oft selbstironisch und mit Augenzwinkern unterwegs ist, weil sie eben auch so stark auftritt und liefern will. Schon eigenartig, finde ich. Als ich gestern die Interseite dieser Bekannten öffne und exakt meinen What´s App-Spruch dort als Erstes entdecke, staune ich nicht schlecht. Sachen gibt´s…

Beschwingt vom Wochenende starte ich in die Woche. Und es hält genau bis dann an, als ich auf meine Chefin treffe. Sie geht mir immer massiver auf den Zeiger. Und das Wegducken meiner Kollegen empfinde ich auch als immer nerviger. Es kann doch so nicht laufen?! Alle sind unzufrieden, aber niemand packt es an. Das ist so ein Dilemma von mir. Vermutlich bin ich durch die Geschichte mit meiner Nachbarschaft ohnehin gerade sehr dünnhäutig, was das Thema Verantwortungsübernahme betrifft. Und dann habe ich einen Ganztages-Workshop mit einer Person, die nicht in der Lage ist, mir das Ziel unseres Teams in einfachen Worten zu erklären. Und das ist seit Oktober letzten Jahres so. Sie legt dann irgendwelche englisch-sprachigen Folien auf, die über und über mit Schlagwörtern befüllt sind. Und ich frage erneut nach: „Was wir machen sollen – also, wie man das nennt – ist mir klar. Aber was ist das eigentliche Ziel, was die Firma damit verfolgen will?“ Dabei suggeriert sie ständig, dass ja alles längst klar sei, bis ich an den Punkt gelange und in die Runde sage: „Gut, ok. Ich geb´s auf. Sag´ mir einfach, was ich wie erstellen soll, dann erledige ich das.“ Schweigen, sie starrt mich an. Nein, nein, nein! Ich soll das ja gedanklich mitentwickeln. Ich erkläre ihr noch mal, dass ich ja augenscheinlich zu dumm sei, das zu verstehen, weshalb ich einfach nur noch ausführen werde, was man mir anschaffe. Aber das wolle sie ja nicht (, weil sie keinen blassen Schimmer hat, was zu machen ist). Nur so macht´s mich unendlich müde. Es ist nicht, wie „Gorillas im Nebel“, sondern „Stochern im Nebel“. Mit zähem Ringen formuliere ich einfach in einem Satz das Ziel, das ich mir wünschen würde. Und siehe da, das nehmen wir jetzt. Da hocken sich also hochbezahlte Menschen über Monate hinweg zusammen, strukturieren eine Organisation komplett um und geben einem kein klares Ziel vor??? Ich fühle mich komplett verarscht. Aber gut, nun haben wir ja ein Ziel, das ich formuliert habe. Dann frage ich nach dem Wozu? Wieder kommen englisch-sprachige Folien zum Vorschein, die alles und nichts aussagen. Ich glaube, ich flippe demnächst jedes Mal aus, wenn einer „disruptiv“, „volatil“, „Subsidiarität“ oder „VUCA“ sagt. Oder ich schreie. Nach 30 Minuten wäre ich vermutlich heiser…manche Meetings würden mich dann schon nach 15 Minuten heiser bekommen.
Ehrlich: Wer fühlt sich da angesprochen? Unsere derzeitige Praktikantin bringt es noch mal auf den Punkt: „Ich betrachte das mal als Mensch, der gerade erste Schritte in die Arbeitswelt macht. Da frage ich mich als Mitarbeiterin schon: Woher soll ich meine Motivation nehmen? Da will ich emotional angesprochen werden und nicht solche Buzz-Words hören.“ Ich strahle sie an und könnte sie knutschen. Die anderen nicken leicht verhalten. Das Wozu und auch das Warum zum Wozu liefere ich dann, weil ein Kollege beim Warum tatsächlich „Disruption“ sagt. Am Ende steht dann endlich das, was wir schon im Oktober benötigt hätten und wonach wir auch aktiv gefragt haben – aber gut…Zeit ist ja relativ. Als das erstmal steht, fragt ein anderer Kollege: „Bist Du denn jetzt endlich zufrieden, Claudia?!“ Ich hole tief Luft, zähle bis zehn und sage: „Alles, was gerade Positives entstanden ist, machst Du mit dieser Frage wieder vollkommen platt. Danke für keinerlei Wertschätzung! Es geht nicht um mich und meine Zufriedenheit. Es geht darum, den Mitarbeitern genau das zu transportieren, was wir eigentlich von ihnen wollen, denn sie müssen es schließlich mit umsetzen.“ Kaum sind wir draußen, raunt die Praktikantin mir zu: „Von Kommunikation verstehen die hier wirklich nicht viel, kann das sein?“ Ja, das kann sein. Bitter, aber wahr.
Betreffender Kollege kommt zum Feierabend noch mal zu mir, um mir mitzuteilen, wie gut und ergiebig dieser Tag doch endlich mal gewesen sei. Ich antworte ihm ehrlich: „Das ist sehr schön für Dich. Ich bin allerdings einfach nur müde und erschöpft.“ Und genau da stehe ich derzeit, was echt schade ist.

Da meine Sis und mein Schwager heute angereist sind, um einen Zwischenstopp bei mir einzulegen, hören sie ca. 15 Minuten von einem Meeting mit. Anschließend sagt mein Schwager dann trocken: „Wenn ich mir das jeden Tag anhören müsste, würde ich ausflippen!“ Dabei hat er noch ein gutes Meeting erwischt. Schon erschreckend, oder? Und gleichzeitig freut es mich, so was zu hören, denn das sagt mir, dass ich nicht völlig lala im Kopf bin. Zwischendurch denke ich nämlich schon regelmäßig, ob nicht ich das Problem bin? Und vermutlich bin ich das sogar auch, weil ich mehr will. Ich will ein vernünftiges, wertschätzendes Miteinander und kein planloses, unstrukturiertes Rumgeeier, bei dem es darum geht, andere niederzumachen und möglichst hell zu strahlen. Ich schätze – trotz Hörnern – werde ich diese Felsbrocken nicht bröckeln lassen. Immerhin habe ich ein paar erste Anpassungen an meinem Lebenslauf vorgenommen. Der erste Minischritt ist gegangen. Auf der Suche nach dem Sinn, trippel´ ich mal weiter…Hauptsache, es passiert überhaupt irgendwas.

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