Die Unterlagen sind da. Juchuuuu! Wenn das mal keine frohe Botschaft ist. Welche Unterlagen? Na, die für meine Reise. Übernächsten Mittwoch düse ich mit dem „Kleinen“ meiner Sis endlich in die Karibik. Und dann werden wir es uns gut gehen lassen. Bis dahin liegt noch ein kleiner großer Haufen Arbeit vor mir, aber das wird schon. Kennt Ihr das? Wenn Ihr noch sauviel zu tun habt, aber Ihr könnt schon das Licht am Ende des Tunnels – wenn auch nur vorübergehend – sehen? So geht es mir gerade. Ich arbeite am Anschlag, aber das Gefühl der erdrückenden Last ist derzeit nicht mehr da, weil ich weiß, dass ich bald wegfliege. Trotzdem weiß ich, dass ich da was ändern darf. Ob mir das gelingt…? Ich weiß es nicht.
Die Woche war emotional. Meine Ausbildung hat nicht das gebracht, was ich mir ursprünglich erhofft hatte. Oder es war schlichtweg so, dass ich schon zu vieles wusste/ kannte. Das klingt so anmaßend, was ich aber gar nicht meine. Es ist wohl eher so, dass ich nicht so sehr an mich und meine Fähigkeiten glaube. Ach ja…das wunderbare Imposter Syndrom.
Bei der Graduation sollte jede*r sein/ihr Thema vertiefen und den anderen Teilnehmer*innen präsentieren. Es ist schon interessant zu sehen, wie manche Themen dann die totale Leidenschaft bei dem/r Vortragenden entfacht. Und damit spingt dann auch der Funke aufs Publikum über. Ich kann es schwer beschreiben…es war einfach ein wohlig-warmes Gefühl für mich. Ich mag es so gerne, wenn Menschen das tun, was sie wirklich begeistert und sie dann augenscheinlich total aufblühen.
Wieder einmal trifft mich die Erkenntnis wie ein Schlag: Um ein wievielfaches könnten wir gesünder, produktiver, zufriedener sein, wenn wir mehr von dem täten, was uns so begeistert? Wieviele Menschen sind in einem Job, weil die Eltern das schon gemacht haben oder dazu geraten haben, weil es sich um einen vermeintlichen sicheren Job handelt? Wieviele von uns hocken in Jobs, in denen sie zwar gut sind, es aber nicht mit Freude tun. In anderen Bereichen wären sie nicht nur gut, sondern herausragend. Wenn ich mir den derzeitigen Arbeitsmarkt anschaue, dann werden Firmen umdenken müssen. Wenn ich mir die hohen Krankenquoten anschaue, muss noch viel mehr von diesem Umdenken stattfinden. In kleinen Schritten beginnt es, doch für viele Menschen noch viel zu langsam.
Der Abschied fällt uns nicht schwer, doch eine gewisse Sentimentalität ist durchaus vorhanden. Wir schreiben uns noch gegenseitig Karten, die wir erst Zuhause lesen. Und das ist auch besser so, denn bei so was bekomme ich ja Pipi in den Augen. Die Karten habe ich dann abends noch gelesen, was einfach wie eine schöne, warme Dusche war. Bestärkende, mutmachende Worte, Augenöffner, Dank. Das tut doch jedem/r von uns gut. Darüber habe ich eine Karte vollkommen übersehen…und zwar die der Haupt-Trainerin. Über diese stolpere ich heute Morgen, und die Überschrift rührt mich total: „In Claudia steckt viel Liebe drin“. Ich bin oft Kämpferin, schlagfertig, lustig, provokant…aber ja, das meiste davon kommt aus einem inneren Antrieb von Liebe. Ich liebe schlichtweg Menschen. Nicht alle, keine Frage. Und doch will ich selbst für die Zwiebelfischer noch das Beste rausholen. Bisweilen verpulvere ich da meine Energie, weshalb die Wünsche meiner Mitschüler*innen fast alle in die gleiche Richtung gehen: „Sei so gut und wertschätzend zu Dir selbst, wie Du es zu anderen bist.“ Das tut einerseits weh, weil es eine bittersüße Erkenntnis ist, aber es bestärkt mich andererseits eben auch, meinen Weg zu gehen.
Weniger liebevoll ist der Umgang in meiner Firma. Das ist dann schon totales Kontrastprogramm, wenn ich nach solchen Tagen wieder ins Büro darf. Ich arbeite sowohl Mittwoch, als auch Donnerstag länger als erlaubt. Nächste Woche muss ich drei Tage Schulung geben, wozu ich zwar eine pdf-Datei als Fotodokumentation erhalte, jedoch keine Powerpoint, keinen Ablaufplan mit Zeiten oder sonst was. An die 60, 70 Flipcharts muss ich auch noch pinseln. Und natürlich nebenher auch noch einen Ganztages-Workshop mit meiner lieben Kollegin durchführen, der ebenfalls vorbereitet werden muss. Letzte Woche habe ich auch mehrere Stunden außerhalb meiner Arbeitszeit gearbeitet, weshalb ich Donnerstagmorgen meine Chefin anrufe. An ihrer ängstlichen Stimme merke ich sofort, was ihr Sorge bereitet: Ich könnte mich krank melden. Doch ich beruhige sie sofort und sage, sie solle bitte meinen Gleitzeittag von heute rausnehmen. Ich würde zwar nicht arbeiten, aber meine ganzen Stunden außerhalb der Arbeit an diesem Tag nachtragen. „Ja sicher! Gar kein Problem! Das mache ich sofort, wenn ich im Büro bin. Und danke fürs Durchhalten.“ Tja, es geht doch. Ich muss es nur einfordern. Freiwillig kommt keiner um die Ecke und bietet mir was an. Dann eben so. Wobei ich mittlerweile bei über 180 Stunden Plus angekommen bin. Nicht gut. Ein paar werde ich zumindest am Anfang und Ende meines Urlaubs abfeiern können.
Der Workshop ist dann ein weiteres Highlight meiner Woche. Mittwochs sage ich meiner Freundin und Kollegin noch, im Grunde könne sie den Workshop auch alleine durchführen. Es brauche mich nicht, was sie anders sieht. Am Donnerstag gestehe ich mir bei den 16 Teilnehmer*innen ein: Sie hat recht. Es handelt sich um militärisch geprägte Kolleg*innen und externe Herren einer Behörde. Alter Falter. An der Sprache erkennt man sofort die Unterschiede. Hier werden Ansagen gemacht, keine Bitten oder Wünsche formuliert. Und doch sprechen sie von Respekt und Vertrauen, was irgendwie lustig anmutet, da kaum jemand von ihnen diese Werte auch nur ansatzweise erkennen lässt. Als dann der Obermufti noch sagt: „Es wird Zeit, dass wir endlich auf der Sachebene miteinander reden und die Befindlichkeiten und Emotionen rauslassen“, kann ich nicht anders. Ich stelle mich hin und sage: „Ach, wie schön. Das ist meine Traumvorstellung. Hat noch jemand Lust auf Arbeit mit Robotern?“ Ich erwähnte ja vorhin, dass ich Provokation so gerne mag. Ich erkläre, dass die Prozesse noch so hübsch sein könnten, sich aber keiner daran halten würde, solange eben die Beziehungsebene nicht geklärt sei – so unangenehm sich das Wort „Beziehungsebene“ auch für den ein oder anderen anhöre. Das bringt mir ein Schmunzeln von einigen ein.
Am Tag zuvor haben wir noch den Hinweis von einer Auftraggeberin erhalten, wir könnten jederzeit abbrechen, weil die Fronten doch sehr verhärtet seien. Äääääh? Das ist ja schon eine Aussage, mit der ich meine liebe Herausforderung habe. Meine Kollegin und ich sind uns einig, dass wir gar nichts abbrechen werden. Und das ist dann auch gar nicht nötig. Anspruchsvoll ist es mit den Herren durchaus. Rückblickend erinnert es mich an ein Zitat, das ich unlängst im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg gelesen habe:
„Krieg ist ein Ort, an dem sich junge Menschen, die sich nicht kennen und nicht hassen, gegenseitig umbringen, und zwar auf Beschluss von alten Menschen, die sich kennen und hassen, aber nicht umbringen.“
Es gibt in der Zusammenarbeit auf beiden Seiten alte Männer (leider wirklich nur Männer), die sich selbst zu diesem Workshop eingeladen haben. Auf der anderen Seite sind jüngere Menschen (Männer und Frauen), die wirklich an einer guten Zusammenarbeit für die Zukunft arbeiten wollen. Doch die alten Stänkersäcke torpedieren dies unentwegt, packen olle Kamellen aus und grotzen rum. Einer sagt sogar ganz klar, unsere Firma sei Scheiße. Von der Behörde schreitet keiner ein. Das ist schon faszinierend. Derjenige, der das sagt, trägt auch diesen herrlich verachtenden Gesichtsausdruck im Gesicht. Ergebnisse präsentieren, will er nicht: „Ich will ja keine Karriere mehr machen, sondern nächstes Jahr in den Vorruhestand. Das sollen sie mir genehmigen.“ Ergebnisse aus Gruppenarbeiten notieren, will er auch nicht: „In unseren Ausschreibungen steht doch auch immer: Wenn sich Männer und Frauen mit der gleichen Qualifikation bewerben, werden Frauen bevorzugt. Das tu´ ich doch damit: Ich bevorzuge sie, indem ich ihnen das Schreiben überlasse.“ So ein richtig nettes Arschloch, Ihr merkt´s schon. Nach einer Übung im Freien, zündet er sich erstmal genüsslich eine Zigarette an, obwohl es weitergeht. Dabei grinst er mich provokant an. Ich lächle ihn an und sage: „Lass´ Dir Zeit. In der Zeit kann schon keiner sagen, unsere Firma sei Scheiße“ und gehe weiter. Und ehrlich, ich schwöre, ich kann meinen Augen selbst nicht trauen: Der Typ drückt hektisch seine gerade begonnene Zigarette aus und beeilt sich plötzlich mit den Worten: „Das geht nicht! Das muss ja einer sagen!“ Für manche Menschen fehlt mir wirklich der Baseballschläger.
Als ich irgendwann dem Grummelpitter aus meiner Firma sage, ob ich ihm mal meine Sicht dazu darlegen solle, verneint dieser. So weit, so fein. Doch die beiden Auftraggeber bitten dann explizit darum. Ich antworte im Grunde noch viel zu diplomatisch, indem ich sage, dass die beiden altgedienten Herren sich am besten mal zusammentäten, um die alten Themen auszudiskutieren und aus der Welt zu schaffen, während die anderen schon in die Zukunft gerichtet gemeinsam weiterarbeiten sollten. Dem fieseren der beiden, also der „Ihr seid Scheiße“-Typ, biete ich später noch meine Hilfe an: „Sag´ mir, an wen ich mich wenden kann, damit Deinem Gesuch stattgegeben werden kann. Ich veranlasse gerne alles, dass Du schnellstmöglich gehen kannst.“ Doch die eigentliche Aussage sieht er gar nicht. Er meint nämlich, alle Welt sei auf ihn und seine Expertise angewiesen. Dabei ist er der mieseste, fetteste Bremsklotz von allen. Möge sein Wunsch bitte, bitte in Erfüllung gehen.
Diese Woche war mal wieder ein Beispiel für den Tanz in zwei Welten. Ich mag Polaritäten. Wenn alles nur heile Welt wäre, wäre es auch uninteressant. Und doch würde ich mir wünschen, wir könnten öfters in der Welt tanzen, die uns erfüllt und die Leidenschaft in uns entfacht. Klingt pathetisch? Na, dann geh´ doch auch in den Vorruhestand! 🙂
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