Es könnte so schön sein… wenn manche Menschen einfach tot umfallen würden. Wahlweise könnte auch ein Hai sie fressen. Ich bin auch offen für die Schiffsschraube. Dafür hat mein Neffe mir auch schon mit der Hölle gedroht. Und ich sag ganz entspannt: Lass kommen.
Aber von vorn. Heute ist unser Tag für die Yacht. Es geht zu einer wunderschönen Insel. Da ist es auch egal, ohne Frühstück raus zu müssen. Da es eine rein deutsche Tour ist, verwundert es auch nicht, dass wir allesamt früher da sind und dadurch fünf Minuten vor der Zeit starten. Ein Blick aus dem Busfenster kündigt schon meine schlimmste Befürchtung an: Ein Vollpfosten, wie er im Buche steht, steigt ein. Wir haben ganz Deutschland, die Schweiz und sogar Österreich vertreten. Nur Moto Moto, wie wir ihn liebevoll taufen, fällt aus dem Rahmen. Wer Moto Moto nicht kennen sollte, kann sich gern auf Youtube anschauen, wen bzw. was wir meinen.
Das Einzige, was ihn interessiert, ist Rum. Warum ballert er sich nicht Zuhause allein damit die Rübe weg? Da wäre allen geholfen. Wir fahren eine ganze Weile mit dem Bus, während uns Franklin, unser Guide, einiges über Land und Leute erzählt. Er sieht aus wie der ältere Bruder von Denzel Washington und ist langmütig wie der Dalai Lama. Er berichtet, dass 53 Prozent der Dominikaner ein Problem mit den Ohren habe, was wohl geh genetisch bedingt sei. Aufgrund dessen würden die Dominikaner Stille hassen. Es müsse alles laut sein. Ein Mofa, das zu leise sei, würde man am Auspuff bearbeiten oder einfach Büchsen anhängen. Sachen gibt’s. Wie viele Haitianer in der DomRep leben würden, wisse keiner so genau. In Haiti seien sie noch ärmer, daher würden sie rüberkommen und die niederen Arbeiten übernehmen. Die Zuckerrohrplantagen würden durchweg von ihnen bewirtschaftet. Die Regierung sei korrupt, weshalb sie auch gar nicht danach schauen würden, wieviele Haitianer hier seien. Immerhin wären jetzt mittlerweile Schulen für ihre Kinder errichtet worden – nach Jahrzehnten ohne Schulbildung. Dabei war Haiti bei der Gründung durch die Franzosen viel reicher als die DomRep, weil die Spanier durch teure Kriege in Europa nahezu bankrott war. Daher konnten sie sich auch keine Sklaven leisten – im Gegensatz zu Haiti. Durch die Sklaven sei die vorrangige Religion auch bis heute dort Voodoo. So was finde ich ja spannend und verkürzt die Busfahrt ungemein.
Ich erkenne einmal mehr, dass ich kein Guide sein wollte. Es gibt immer diese Moto Moto Typen, die alles sprengen, immer zu laut sind, alle nerven und unverschämt rumpöbeln. Wäre nichts für mich. Ich wäre da erzieherisch unterwegs, was ja nicht ginge. Wir besteigen ein kleines Motorboot, das uns zur Yacht bringt. Das allein ist schon abenteuerlich, denn bei Wellengang vom kleinen Boot auf die Yacht zu wechseln, ist nicht so einfach, wie es klingen mag. Moto Moto fragt natürlich gleich nach den Vitaminen (=Rum). Die Crew stellt es in 5 Minuten in Aussicht. Wie ein guter Spritti zählt er laut die Minuten runter. Fremdscham macht sich breit. Die vier Leute, die mit ihm unterwegs sind, sind ok. Nur er prollert durchgehend rum mit Rum. Distanz ist ein Fremdwort für ihn. Mit jeder weiteren 1:1 Rum-Cola-Mischung steigen Lautstärke und Distanzlosigkeit. Zwischendurch bietet er – besoffen plump subtil durchgeführt – meinem Neffen so eine Mischung an, der ablehnt. Ich wette, der Rum hat mehr Promille als er IQ, aber gut. Mein Neffe darf hier trinken, was er möchte. Ich halte ihn von nichts ab. Dann höre ich den Vollidioten laut flüstern, Lennys Mutter müsste ja nichts mitbekommen. So was liebe ich ja. Der Kleine stellt klar, ich sei seine Tante, nicht seine Mutter. Er wolle einfach nicht. Kotzen mich solche Typen an…
Auf der Insel, die traumhaft schönen weißen Sandstrand bietet und dazu kristallklares Wasser, bringe ich erstmal Abstand zwischen ihn und mich. Das Schwimmen meide ich wieder und verbrenne mir trotz Sonnenschutz und nur 20 Minuten am Strand den Nacken, Hals und Arme. Ich rette mich in den Schatten, wo auch der „Kühlschrank“ wartet – eine Kühlbox mit Softdrinks und Rum. Moto Moto hat dort seinen x-ten Besuch und gibt meinem Neffen schon Zeichen, der den Kopf schüttelt. Ich sage: „Er darf, möchte aber nicht.“ Moto Moto mault direkt los: „Hab ich was gesagt?“ Oooh, wie ich Besoffene liebe, die meinen, sie seien so unauffällig. Ich antworte: „Nö, gerade hast Du nichts gesagt, aber vorhin.“ Dafür ernte ich ein: „Du bist ganz schön garstig.“ Und Du ein dummes, ungehobeltes Schwein, könnte ich sagen… tu ich aber nicht. Beim Weggehen raunt er noch: „Bleede Kuh, bleede.“ Wer mit Alkohol nicht umgehen kann, sollte es lassen. Zwischendurch schnauzt er den Kellner noch an, er habe doch vier Rum-Cola gesagt, nichts ein. „So a Depp, so a Bleeder!“ Widerlich. Bei der nächsten Runde labert er die Leute hinter uns voll, dass wir ja viel zu wenig Zeit auf der Insel hätten. Und dann fragt er laut: „Wie geht’s n Euch mitm Scheißen?“ Es folgt eine Schocksekunde und dann die Ergänzung: „Ich hob a ganz an sensiblen Moochn. Außerhalb von Europa geht nix. Ich scheiß hier aber jedn Dooch mehrfach.“ Er ist ein widerliches Schwein. Ihn kümmert es nicht, wie pikiert die Leute schauen. Auf den Sandbänken später im Meer möchten seine Freunde einfach ruhig entspannen, aber das kann er ja nicht. Permanent mit zur Schau gestellter Kimme, weil die Hose zu klein ist, lässt er sich ins Wasser fallen, schubst seinen besten Kumpel und lässt laut die Böhsen Onkelz laufen. Gut, von jemandem, der den FC Bayern mit Eichenkranz auf dem Oberarm tätowiert hat, erwarte ich auch keine andere Musik, aber wir sind 31 Leute auf der Yacht. Wir richten uns natürlich gerne nach dem Arschloch. Er schleppt sich nach oben, wo ich hocke und rülpst so laut, dass ich befürchte, es käme Land mit. Ein Crew-Mitglied schaut mich mit aufgerissenen Augen an. Ich schüttel den Kopf und sage: „Mal hombre…loco en su cabeza. No ne gusta!“ Der nickt: „Muy enojado.“ Der Freundin seines Kumpels rät er, ihre „Möppele“ besser einzucremen, da die schon rot seien. Er würde das für sie übernehmen, sie bräuchte sich auch nicht so zu zieren. Versteht Ihr nun, warum ich die Lösung mit der Schiffsschraube präferiere? Auf der Rückfahrt sagt einer laut im Bus zu ihm: „Halt endlich die Fresse!“ Stunden zu spät, aber immerhin.
Mein Erfolgserlebnis des Tages: Ein Dominikaner fragt mich tatsächlich, ob mein Neffe mein Freund sei? In der DomRep ist so ein Altersunterschied gar nicht so selten. Oh mein Gott! Meine Erkenntnis des Tages: Vermutlich wäre selbst die Schiffsschraube an Moto Moto gescheitert. Eine weitere Erkenntnis: Ich bin und bleibe ein Weißbrot, das höchstens rot wird, was auch kein Sonnenschutz verhindern kann. Ich schwanke nach der langen Bootsfahrt noch stundenlang innerlich. Ich liebe das Meer… auch wenn ich hier schneller verbrenne. Das ist mein Element und bleibt es wohl auch. Und jetzt? Genieße ich noch eine Piña Colada…mmmh.
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