„Du wirst uns fehlen, Sophia! Die im Kindergarten werden staunen, wenn sie Dich kennenlernen!“ Ist das nicht toll? Ich wünschte, das würde man zu allen Kindern sagen. Ach, was red´ ich? Zu allen Menschen! Wo ich das gehört hab´? Na, auf einem Schaufelraddampfer am Ammersee. Mir war vorgestern wieder nach Wasser zumute. Ich brauche Wasser und Wind, wenn ich nachdenken will. Und das wird wohl wieder Zeit.

Montag gehe ich brav wieder zur Arbeit. Nicht, weil ich wirklich wieder fit bin. Immerhin bin ich negativ getestet. Schnupfen und Husten werden mich – laut Prognose – noch ein paar Wochen begleiten. Ich habe einfach keine Lust, länger auf meiner Couch zu bleiben. Und meine geplanten Schulungen will ich nicht weiter schieben. Immerhin will ich die Azubis abgeben. Dafür muss die Kollegin zumindest mal daran teilnehmen. Nächste Woche ist sie in Urlaub. Daher muss das jetzt sein. Die Begrüßung eines Kollegen fällt sehr nett aus: „So, wie Du aussiehst, solltest Du besser ins Bett.“ Ach ja, ich liebe sie auch alle…wobei sie ja recht haben.
Meine Chefin spricht mich wieder auf meine Überstunden an, was ich brav wegnicke. Es ist mir gerade einfach egal. Die Azubis nerven in Teilen. Es sind auch Nette dabei. Aber einige von ihnen sind dicke-Eier-Kartoffelsalat-Typen. Naja, 14 Testosteronis auf einen Haufen, sind wohl immer eine Herausforderung. Und einer ist dabei, der absolut von sich überzeugt ist. Er würde der neue Vorstandsvorsitzende werden. Dabei stört er permanent, ist zu cool für diese Welt und auch nicht die hellste Kerze auf der Torte. Dafür hat er die Haare schön – immerhin. Er ist Typ Mensch, der maximale Gewinne einfahren will, ohne dabei auch nur einen Finger krumm zu machen. Und alles ist dabei dann immer unfair. Davon gibt es leider schon genug. Mehr von dem Kaliber brauche ich nicht. Später erfahre ich, dass er beim Ausbildungsleiter auch schon nachgefragt hat, wie er Vorstandsvorsitzender werden könne? Wir reden hier vom ersten Lehrjahr. Und ja, ich mag Ambitionen. Selbstüberschätzung nervt mich hingegen immer mehr an.
Abends bin ich dann so richtig platt. Aber Mittwoch ist eben der Tag, weswegen ich vor allen Dingen da sein muss: Das Gespräch mit dem Personalchef steht an. Mittlerweile habe ich meine Bewerbungsfotos fertig. Aber bevor ich was verschicke, will ich schauen, ob meine Firma nicht doch den Knall gehört hat. Der Herr ist freundlich, ich bekomme ein Wasser angeboten. Vermutlich muss ich dafür die nächsten zehn Jahre dankbar sein? Doch als es ans Eingemachte geht, kassiere ich nur große Augen. Nein, wir hätten keinen Bedarf. Wir seien bestens aufgestellt. Ja, psychische Belastungen seien durchaus ernst zu nehmen, aber da haben wir ja eine Dame, die dafür zuständig sei. Die ist zwar in Teilzeit da und für 5.000 Leute zuständig, aber damit sind wir dann eben bestens ausgestattet. Liegt an meinen schlechten Rechenkünsten, vermute ich. Präventivarbeit? Naja, alle Führungskräfte würden ja einmal in ihrer Karriere einem Vortrag verpflichtend beiwohnen müssen, in dem es um Sucht gehe. Das sei ein echter „eye opener“. Eine Pflichtveranstaltung. Naja, danach ist man dann ja ein Experte im Umgang mit Sucht. Unsere psychische Gefährdungsbeurteilung ist grottig ausgefallen. Die Mitarbeiter haben mitgeteilt, dass sie überfordert seien. Aber klar, wir haben keinen Handlungsdruck. „Wir sind bestens aufgestellt.“ Sind die ignorant? Arrogant? Saudumm? Völlige Sozialkrüppel? Sei es drum… es soll nicht sein. Dann darf ich jetzt schauen, welche Firmen so weit sind, sich wirklich um ihre Mitarbeiter zu kümmern. Nicht nur auf dem Papier – denn da tun das komischerweise ja alle.

Um darüber nachzudenken, wo ich tätig werden will, brauch´ ich eben Wind und Wasser um mich herum. Meine Chefin, aber auch andere Kollegen sind völlig schockiert von der Haltung des Personalchefs. Ich spiele am liebsten mit offenen Karten, daher wissen einige Bescheid. Ich hasse Sätze im Anschluss, wie: „Hätte sie doch mal was gesagt. Das hat ja keiner kommen sehen!“ Es ist, wie in den meisten Beziehungen, wenn dann eine Partei urplötzlich aus allen Wolken fällt. Damit tu´ ich mich schon immer schwer.
Jeder meiner eingeweihten Kollegen wünscht mir Glück – auch wenn ich Donnerstag beim Betriebsfest Sätze höre, wie: „Ich wünsche Dir das Beste… aber mir, dass Du so schnell nichts Neues findest.“ Ich weiß, wie ich das zu verstehen habe und nehme es dem Kollegen nicht einmal übel. Ein Satz hat mich besonders gefreut: „Selbst wenn Du für den neuen Job umziehst, sollte Dir klar sein, dass Du mich nicht mehr los wirst!“ Wenn das mal keine nette Bekundung ist. Gut, hätte Heinz den Satz geäußert, käme er einer Drohung gleich. Er ist aber auch nicht eingeweiht. Seine Freudentänze darf er dann aufführen, wenn es so weit ist.
Jetzt könnte man mutmaßen, dass es dumm und naiv sei, diese Thematik so offen zu verlautbaren. Für mich ist es wichtig, das Ganze laut auszusprechen, denn dann wird es Wahrheit…und setzt mich unter Zugzwang. Ich kann natürlich weiterhin schimpfen und Missstände beklagen. Nur wenn ich ein Angebot unterbreite mit den Worten: „Bevor ich mich auf dem Markt umschaue, wollte ich zunächst im eigenen Hause schauen“, dann muss ich danach auch so konsequent sein, die nächsten Schritte einzuleiten. Schnellschüsse sind dabei natürlich nicht mein Ding. Ich würde auch niemals kündigen, ohne was Neues zu haben. Meine Sis war schon besorgt, es könnte mich eiskalt erwischt haben, aber das hat es erstaunlicherweise nicht. Im Grunde weiß ich doch schon länger, dass es so nicht weitergeht und diese Firma – wie viele andere auch – Wasser predigt und Wein säuft. Wenn nur nicht der ganze Rattenschwanz daran hinge: Wo suche ich? Ziehe ich dafür wieder um? Was will ich eigentlich wirklich? Bewerbungen zu schreiben, ist das Eine – Absagen zu kassieren das Andere. Mein Lebenslauf sieht dieses Mal völlig anders aus als alles Bisherige. Er ist provokant und zeigt tatsächlich das, was der Arbeitgeber erwarten kann. Kein Chichi, kein Angebiedere…und dennoch habe ich natürlich Angst und Zweifel. Und andererseits ist da dieses Gefühl in mir, das sagt: Es wird sich alles fügen! Warum auch nicht? „Et hätt noch emmer jot jejange“, denkt der rheinische Anteil in mir. Ob es die letzte Schleife ist, die ich drehen muss, weiß ich nicht. Auf zu neuen Ufern…mal sehen, wohin der Wind mich wehen wird. Ich freue mich…auch wenn ich unsicher bin. Raus aus der Komfortzone, gell?

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