Derzeit beschäftigt mich ein heikles Thema: Abtreibung. Irgendwie fassungslos schiele ich auf die Nachrichten in den USA. Haben die eigentlich den Knall nicht gehört?! Männer entscheiden darüber, was Frauen dürfen und was nicht. Das ist schon sehr mittelalterlich und krank. Bette Midler hat zwischendurch gut gekontert. Sinngemäß war es etwas, wie: „Wenn eine Schwangerschaft Gottes Wille ist, dann ist es Dein schlaffer Penis auch“, weshalb sie sich damit für ein Verbot von Viagra stark machen wollte. Die Stimmung heizt sich auch bei diesem Thema immer mehr auf.

Und dann gibt es da diese andere Seite: Männer, die bei der eigentlichen Entscheidung nicht miteinbezogen werden. Auch das ist so ein Tabuthema. Genau dies habe ich jetzt erst wieder mitbekommen. Ein Pärchen, das in einer kleineren Krise steckte, sich aber langsam berappelte. Dann kam sie tränenüberströmt aus dem Bad mit einem positiven Test. Er schaltet zunächst falsch und kommentiert: „Ein positiver Coronatest ist doch kein Weltuntergang!“ Woraufhin sie verrotzt erklärt, es sei ein positiver Schwangerschaftstest. Hoppla. Und sofort haut sie raus: „Das muss weg!“ Die erste Nachricht hat er noch nicht richtig verarbeitet, da haut sie ihm diesen nächsten Schocker um die Ohren. Zum Beratungsgespräch durfte er nicht einmal mitgehen, weil die Sache „so was von klar“ sei. Daraufhin hat er angefangen, im Netz zu recherchieren. Er wollte eine Pro- und Contra-Liste finden, sachlich und wissenschaftlich fundierte Studien, welche Auswirkungen das auf die Frau haben könnte…irgendwas in dieser Art. Gefunden hat er so gut wie nichts. Es ist und bleibt ein Tabuthema. Ärzte dürfen keine „Werbung“ für diese Leistung machen. Als wäre das etwas, was Frauen sich mal eben leisten wollen, wie ein neues Paar Schuhe. Es gibt auch keine Übersicht, welche Ärzte überhaupt einen Abbruch vornehmen dürfen. Erst in der Beratung erfährt die Frau davon, dass es in Bayern ganze fünf Ärzte gibt, die das tun: Einen in Regensburg, einen in Nürnberg und drei in München. Das ist schon erschreckend, wenn man bedenkt, wir schreiben das Jahr 2022…und wir empören uns über die prüden, konservativen Amerikaner?! Aufgrund von Corona-Auflagen darf er zur Aussschabung nicht mit, sondern muss die Zeit in einem nahegelegenen Café totschlagen: „Das war der mieseste Kaffee aller Zeiten…ich war nachher verwundert, dass ich den kompletten Schriftzug von der Tasse abgepiddelt hatte. Ich war einfach nur unendlich hilflos und allein.“ Sie hat zwei Tage im Anschluss geschlafen und ist danach in den Alltagsmodus übergegangen. Er wusste sich nicht zu lassen, denn darüber reden wollte sie nicht. Und er? Er hat sich geschämt, es bei Freunden anzusprechen, weil er so hilflos war. Mittlerweile sind sie getrennt, was gar nicht seinen Ursprung in dem Abbruch hatte. Erst vor Kurzem hat er sich in Ruhe damit auseinandergesetzt, wie er überhaupt ethisch dazu stehe. „Bezogen auf uns, war es die richtige Entscheidung, denn ein Kind verbindet Dich in alle Ewigkeit. Ethisch gesehen, tja…da geht es gar nicht – aus meiner Sicht. Aber ich hatte kein Mutspracherecht.“ Beide sind fest im Berufsleben verankert, also keine Jugendlichen in Ausbildung.

Hm. Da bin ich als Frau natürlich auch etwas zerrissen. Ich verstehe es, wenn eine Frau sagt, letztlich sei es ihr Körper. Und doch hätte ich das nicht gekonnt. Ich erinnere mich an eine Diskussion mit meinem Vater, als ich dreizehn oder vierzehn Jahre alt war und ein Vergewaltigungsfall durch die Medien geisterte. In diesem Fall sei eine Abtreibung aus meiner Sicht völlig gerechtfertigt, habe ich meine Meinung damals vertreten. Mein Vater hat einfach den Papst zitiert, der Frauen aus dem ehemaligen Jugoslawien ermahnt hatte, „aus einem Akt des Hasses einen Akt der Liebe“ zu machen – die Ansprache galt vergewaltigten Frauen. Ich weiß, wie fassungslos und wütend ich damals war und wie ich gefordert habe, den Papst doch mal rektal Ihr-wisst-schon-was, damit er dann eventuell doch mitreden dürfe bei dem Thema. Und auch hier kam die Argumentation meines Vaters, die aus Amerika zu vernehmen ist: „Wenn Gott gewollt hätte, dass die Frauen nicht schwanger würden, wären sie es auch nicht geworden.“ Aaaaaaah, Ihr könnt Euch meine Empörung vorstellen?! Nicht mal im mindesten. Ich hatte das Gefühl, platzen zu müssen.

Ein völlig anderes Beispiel: Ich steckte in den Abi-Vorklausuren und mein damaliger Freund in einer Diplom-Prüfung. Der Stress hat das Ausbleiben meiner Mens verursacht, aber ich hatte Sorge, schwanger zu sein. Also habe ich meinen Frauenarzt aufgesucht, der Entwarnung geben konnte. Mein damaliger Freund hat daraufhin den Kofferraumdeckel seines roten Golfs geöffnet und mir drei Rosen in die Hand gedrückt – mit den Worten: „Wenn Du schwanger gewesen wärst, hättest Du sie nicht bekommen.“ Bums. Das saß. Später teilte er mir dann, wie selbstverständlich, mit, dass ich es eh hätte wegmachen lassen müssen, das sei ja wohl klar! Mir war damals eiskalt, und ich war mir über eines so sicher: Ich hätte es nie wegmachen lassen. Allein diese Formulierung lässt mich heute noch schaudern. Verlassen habe ich ihn trotzdem erst viel später.

Ich kenne auch den Fall von einem Mann, der seine Freundin ebenfalls gedrängt hatte, einen Schwangerschaftsabbruch vorzunehmen. Sie hat sich jedoch nicht beirren lassen. Seine Aussage heute: „In dem Moment, wo ich meinen Sohn das erste Mal angesehen habe, hat sich ein Schalter umgelegt.“ Seine Partnerin nahm es ihm dennoch weiterhin übel. Im Sorgerechtsstreit hat sie genau diesen Satz zitiert – leider auch mehrfach vor dem eigenen Sohn. Manche Verletzungen reichen so tief, dass sie einfach allen Anstand vergessen lassen.

Ich kenne Frauen, die ihre Schwangerschaft abgebrochen haben. Ich kenne Männer, deren Freundinnen eine Schwangerschaft abgebrochen haben. Keine*r von ihnen ist unbelastet. Es ist nichts, was man „mal eben so“ entscheiden sollte. Und es sollte mehr Informationen darüber geben, damit verzweifelte Frauen nicht in die Illegalität getrieben werden. Und ebenso muss das ganze Thema enttabuisiert werden – auch im Sinne der Männer. Denn die harten Worte, wie: „Es ist mein Körper und demnach meine Entscheidung“ fußt meines Erachtens auf der Spaltung zwischen Männern und Frauen, die gerade wieder herrlich hochgepeitscht wird. Etwa beim Gendern oder bei der Frauenquote, von der sich so viele Männer bedroht fühlen. Ein nüchternes Beispiel hierfür: In meiner Firma geht die Mär um, dass man ja nur eine Frau zu sein brauche, um heute Karriere machen zu können. Man nehme nicht besser qualifizierte Männer, sondern schlechter qualifizierte Frauen, weil man ja eine Frauenquote erfüllen müsse. Die Männer hätten ja gar nichts mehr zu sagen. Die Statistik zeigt ein trauriges Bild: Die Führungspositionen sind zu 13 % von Frauen bei uns besetzt. Noch Fragen? Wir sollten besser gemeinsam für ein besseres Miteinander kämpfen als gegeneinander noch mehr Ängste und Hass schüren. Zeit, anzufangen, oder?

2 Kommentare

  1. Das spricht mir aus der Seele:). Ich selbst weiß von mir, dass für mich ein Abbruch eher nicht die Lösung ist. Aber es soll jeder Frau offen stehen. Und es soll kein Tabu sein, für niemanden.
    Respekt. Ich glaube, es gibt sehr viele sehr viel bestimmende Leute, die keine Ahnung haben von Respekt und Augenhöhe. Die Welt würde besser damit

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