Die letzten Wochen waren hektisch. Bei uns wird immer von End-Jahres-Rallye gesprochen. Warum es immer diese Hektik am Ende des Jahres braucht, entzieht sich meiner Kenntnis. Und dabei kommen sich viele wichtig vor…und der Großteil ausgelaugt. Mein Glück: Ich habe das ganze Jahr darauf hingewiesen, dass ich in ein dickes Stundenplus renne und gefragt, ob ich wirklich bei all den unseligen Meetings dabei sein müsse? Ich war auch so böde, regelmäßig zu fragen, was denn bei diesen Projektmeetings meine Aufgabe sei? Darauf konnte man mir keine Antwort geben – nur das Hintenrumgemurmel, ich sei echt schwierig. In einer Zeit, in der wir propagieren, wie wichtig es sei, die Abläufe kritisch zu hinterfragen, wir anders denken müssten und von Diversität profitierten, ist Frau dann einfach schwierig. Und das Schlimmste daran ist, wenn diese schwierige Frau auch noch recht hat. Denn das Projekt, von dem ich seit Monaten sage, dass es so nicht funktioniere (und nicht nur meckere, sondern auch Vorschläge mache, wie es anders laufen könnte), steht im Moment still, denn so, wie es nun nach richtig viel bezahlter Kohle an externe Berater steht, ist es nicht mal ansatzweise zu gebrauchen. Komisch, komisch. Und es ist nicht das, was unser interner Kunde braucht. Doppelt komisch, komisch. Und es ist auch nicht ansprechend aufbereitet, sondern veraltet. Nanu, das ist ja mal völlig überraschend. Ich steh´ also in meinem ganz persönlichen Labyrinth und finde den Weg raus nicht mehr, weil ich olle Unke all diese Dinge schon vor Monaten vorausgesagt habe – nur wollte es keiner hören.

Dafür habe ich meine letzte Schulung für dieses Jahr am Mittwoch gegeben. Es lief super. Ich wollte es nicht machen, was ich auch schon zu Beginn gesagt hatte. Die Aussage war immer dieselbe: „Verstehe ich, aber es gibt keine Alternative.“ Auch nach einem Jahr gab es diese nicht. Ich mache dann für mich das Beste daraus und habe es unterhaltsam gestaltet. Dabei bin ich auf drei verschiedene Gruppen gestoßen. Die eine war per definitionem die Gruppe der Coaches. Bei denen hat es auch am meisten Spaß gemacht. Und Coaching-Elemente zu vermitteln, Übungen zu diesem Themengebiet zu begleiten und zu sehen, was da an Dynamik entsteht, macht einfach riesigen Spaß. Die nächste Gruppe waren Führungskräfte, die zum Großteil schon seit 20 – 30 Jahren in ihren Positionen hocken. Zu der Zeit wurden oft noch Menschen zu Führungskräften, die auf ihrem Fachgebiet die besten waren. Dass das so gar nichts mit Führungsstärke zu tun hat, hat mittlerweile fast jede*r verstanden. Aber sich dieser „Altlasten“ zu entsorgen bzw. ihnen andere Möglichkeiten aufzuzeigen, dazu fehlt die Not und ebenso das entsprechende Rückgrat. Und so mühe ich mich dann mit ihnen ab und versuche dabei, ihre Sorgen und Nöte ernstzunehmen und sie dennoch zu begeistern. Am Ende bin ich vollkommen müde, nehme aber auf ihren Wunsch ein paar Punkte mit, die ich der oberen Heeresleitung präsentieren möchte. Derweil macht mein Kollege genau das, was er tun soll, nicht. Das ist insofern keine Überraschung, als er das immer so macht. Ich benötige allerdings eine Powerpoint-Unterlage für die Führungskräfte, mit denen sie die neue Methode bei ihren Teams umsetzen sollen. Macht nichts, mache ich eben noch mehr Überstunden. Besagter Kollege hat aber zwischenzeitlich mit dem obersten Boss (mein Endgegner) geredet und berichtet grinsend, dass der ja schon wüsste, wer in der Veranstaltung so quer im Stall gestanden hätte. Und da stehe ich wieder einmal fassungslos da. Ja, sie waren anstrengend. Ja, das war für mich kein Spaziergang. Aber wir reden von Offenheit und Vertrauen untereinander, was wir verbessern wollen, und da geht dann jemand aus den eigenen Reihen oben beim Chef petzen? Das widerspricht mal wieder allen meinen Werten.
Zum Ausgleich gehe ich zum ersten Metal-Konzert mit einem Kollegen/ Bekannten. Genau das brauche ich endlich mal. Hunderte Kerle in schwarz gekleidet, die wie harte Jungs aussehen und dann aber ganz putzig alle Liedtexte auswendig kennen und mitgrölen. Dazu nicken sie im durchaus schnellen Takt, was bei Männern ja schon Tanz heißt. Ich fühle mich pudelwohl.
Diese Woche kommt dann die letzte Schulung dran mit einer vollkommen anderen Zielgruppe, weil noch nicht lange in Amt und Würden. Wenn ich hier von „die Mitarbeiter*innen stärken und dazu befähigen, ihre eigenen Ideen einzubringen“, spreche, gucken sie mich an und quittieren es: „Hä? Was ist daran neu?“ Ja, sollte es auch nicht sein. Ist es aber. Und so entsteht ganz was anderes als in der Woche zuvor. Nicht naiv, denn auch hier kommen die Fragen, wann wir denn bei all der Arbeit auch noch Zeit für Verbesserungen finden sollten? Aber die Diskussion ist konstruktiv. Auch hier bin ich abends müde und platt, aber wieder zufrieden müde – wie bei den Coaches.
Und dann kommt die Stunde der Wahrheit. Ich habe eine Audienz bei dem obersten Boss, um die Rückmeldungen an ihn weiterzugeben. Früher wurde der Überbringer der schlechten/kritischen Nachrichten geköpft. Ich glaube, er sehnt sich diese Zeit bisweilen zurück. Er und ich – das war quasi schon Verachtung auf den ersten Blick. Ich rechne ihm an, dass er ein Großmeister der Manipulation ist. Da ziehe ich den Hut, wie geschickt er ist. Ihn pisst es verdammt an, dass ich ihm nicht auf den Leim gehe – was ich schon (dummerweise) auch raushängen lasse. Die Stimmung ist also immer knisternd aufgeladen und von falschem Lächeln begleitet. Er nimmt alle Punkte auf, macht einen auf freundlich (wie Kaa im Dschungelbuch: „Vertrauuuuuuu miiiiiiiiiiiir“). Was er nicht gut findet in der Firma: Da sind zu viele, die befreundet seien. Er habe nicht einen einzigen Freund bei der Arbeit. (Ach was! Ich wette, auch sonst nicht.) Wir wären schließlich zum Arbeiten hier und nicht, um Freundschaften zu pflegen. Ich sehe das anders bzw. individuell – was ich natürlich auch sage. Er dann aber wieder: „Weißt Du, wenn man befreundet ist, traut man sich ja gar nicht mehr, kritische Dinge zu sagen.“ Die Jeanne d´Arc in mir antwortet süffisant: „Na, oder gerade dann.“ Sein „Nein“ juckt mich nicht. Dabei lobt er scheinheilig meine Leidenschaft und mein Engagement, mit denen ich schule. Es darf natürlich kein Aber fehlen, denn das Aber heißt, ich müsse da auf mich aufpassen. Wer jetzt meint: Mensch, der ist ja fürsorglich, der fehlt leider. Grinsend teilt er mir dann auch mit, von der schwierigeren Schulung gehört zu haben. Da schlage ich natürlich in die Kerbe: „Und das macht mich persönlich fassungslos. Wie können wir von Offenheit und Vertrauen sprechen und sie einfordern, während dann jemand zu Dir rennt und seine Kollegen hinhängt?!“ Oh, der Rudermeister rudert zurück. Nein, nein, so sei das ja nicht. Man habe ihm ja keine Namen genannt. (Blöd, dass mein Kollege mir die Namen im Vorfeld schon gesagt hat, die der Chef ihm gegenüber hatte fallen lassen…) Und überhaupt…und hier senkt er die Stimme und schaut mir tief in die Augen: „Claudia, ich will Dich da sehr gerne unterstützen. Wir haben tolle Coaching-Angebote im eigenen Haus. Da darfst Du nämlich lernen, die Dinge nicht an Dich heranzulassen. Du musst da wie Teflon werden und die Dinge an Dir abperlen lassen.“ So ganz habe ich mein Gesicht nicht unter Kontrolle und lächel´ etwas verächtlich. Hey, auch ich bin nur ein Mensch. Aber brav sage ich: „Ich danke Dir sehr für das Angebot…aber nein, danke.“ Er ist wie so ein Terrier, der sich in die Wade verbissen hat: „Wirklich. Wir haben da richtig gute, kompetente Leute!“ Haben wir nicht, aber sei es drum. Ich will kein kaltschnäuziges Arschloch werden. Davon haben wir ja schon zu viele…allen voran ihn. Meine linke Augenbraue zieht sich nach oben, ich hole tief Luft: „Ich weiß Dein Angebot zu schätzen, aber kümmere mich um meine Belange selbst.“ Er setzt immer noch nach: „Es wäre doch schade um Dich. Schau´ Dir Dein Team an: Du bist doch die einzige, die das so kann und macht. Wenn Du dann müde nach Hause gehst, führt das irgendwann zur inneren Kündigung. Und das wollen wir doch nicht!“ Was da säuselnd, wie Kaa, um die Ecke züngelt, klingt ja sogar so wie Fürsorge. Unterm Strich ist die Botschaft aber klar: Ich muss mich anpassen, dann lässt er mich in Ruhe. Und was mache ich? Einen Scheißdreck, na klar. Ich nicke und wiederhole: „Danke für Dein Angebot. Aber es bleibt bei nein.“ – „Solltest Du es Dir anders überlegen, komm´ gerne auf mich zu!“ Da kannst Du warten, bis Du schimmelst. Sage ich natürlich nicht…mein Gesicht vermutlich schon. Ich gehe raus und grinse. Wenn ich ihm so auf den Sack gehe, dass er mir ein Coaching vorschlägt, habe ich alles richtig gemacht. Ich bin stolz auf mich. Ja, ich weiß, ich bin eine Mistmatz. Aber ich bin es gerne.

Den Abschluss bildet dann ein richtig, richtig fettes Konzert am Abend. Nicht riesengroß, aber laut, Heavy Metal und ein sauleckerer Sänger – aus meiner Sicht. Mein Kollege/Bekannter will mir aus Spaß zwischendurch den Sabber wegwischen. Ich grinse ihn an und sage: „Der dürfte sogar so mit mir reden, wie unser oberster Boss.“ Mein Bekannter lacht und sagt ironisch: „Dass Ihr Frauen immer so oberflächlich sein müsst! Der Sänger da vorne hat doch auch innere Werte und Gefühle!“ Ich lache: „Kann er behalten, ich will nur seinen Körper!“ Ach, das Leben kann manchmal so einfach sein, wenn man Teflon ist. Ich setze noch nach: „Ok, und wenn er anschließend noch über seine Gefühle reden will, dann darf er das. Einverstanden?“ Wenn es nur immer so einfach wäre…aber ich arbeite dran.

Noch sechs Arbeitstage liegen dieses Jahr vor mir. Die schaffe ich mit links. Und nächstes Jahr? Da schauen wir. Headhunter schreiben mir, ein Praxisraum wurde mir für ein bis zwei Tage auch schon als Möglichkeit von einem Bekannten weitergeleitet (leider zu groß)…da wartet also einiges auf mich. Bis dahin genieße ich einfach das Leben. Derzeit ist meine Cousine hier, und wir feiern Aachen-Revival. Da war sie nahezu jedes Wochenende da, und wir haben gemeinsam wilde Zeiten erlebt. Es läuft also – auch ohne Coaching. Na denn: Fröhliches Headbangen!

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