Es ist schon der Wahnsinn, was so läuft, wenn man kündigt. Welche Leute welche Informationen streuen, da wundere ich mich schon. Die meisten raten mir, mich entspannt zurückzulehnen und das Schauspiel zu genießen. Das fällt mir hingegen aber nun mal schwer.
Und so arbeite ich nach wie vor ganz normal bzw. nicht ganz so normal. Denn normal wäre es, freitags nicht zu arbeiten – so ist es vereinbart. Mein Gleitzeitkonto steigt und steigt hingegen. Einmal habe ich freitags nachgegeben, damit es besser für meine Chefin läuft. Und schwups sehe ich mich gestern wieder vor dem Rechner hockend und eine Bachelorarbeit Korrektur lesen. Da geht es weniger darum, der Firma was Gutes zu tun, als vielmehr darum, den Bachelor-Studenten nicht hängen zu lassen. Sein Betreuer ist kein böser Kerl, nur einer, der immer so erschöpft und überfordert vom Leben ist, dass er meint, er müsse nun noch mehr auf sich achten. Prinzipiell ist das völlig in Ordnung, wenn man gut für sich sorgt. Wenn man dabei andere aber komplett hängen lässt und drei Tage frei nimmt, nachdem man fünf Wochen krank geschrieben war (denn es ist ja sooo anstrengend, wenn die Frau Zuhause einfach deprimiert ist, weil ihr Job so mies ist und sich deswegen bereits neun Wochen krank schreiben lässt), dann…finde ich das nicht mehr ganz so fair. Der Student fängt dabei die Termine von diesem Kollegen auf, geht in Rücksprachen, die eigentlich ein festangestellter Berater führen müsste und darf sich dann noch von unserer völlig stumpfen, ignoranten Chef-Chefin anschnauzen lassen, dass er das Projekt verbocke. Wohlgemerkt: Er ist „nur“ Bacherlorand bei uns. Und die Ansprechpartner für das Projekt sind mit ihm super zufrieden und maulen lediglich herum, weil der eigentlich Zuständige nie da sei und sie das Schlimmste befürchten, wenn der Student dann geht. Unsere Chef-Chefin will ihn mit einem Minipups-Gehalt für ein halbes Jahr festanstellen und wähnt sich großzügig. Er hat abgelehnt, blitzgescheit, wie er ist. Die IT-Betreuung des Projekts hat davon Wind bekommen und ihm ein viel üppigeres Angebot gemacht und stellt es hin, wie es ist: Sie brauchen ihn. Bei unserer Chef-Chefin ist da kein Verhandlungsspielraum. Und das könne ja quasi jeder X-Beliebige erfüllen. In der Annahme geht sie so was von fehl. Aber hat es eine Konsequenz? Nein. Und das ist irgendwie erschreckend, oder?
Die Betreuung der Bachelorarbeit geht somit nur leider komplett unter. Das ist hingegen die Aufgabe unserer Firma. Juckt das jemanden? Wohl kaum. Meine Kollegin kümmert sich – ich unterstütze dabei…und bin wieder einmal fassungslos, wie wir mit Menschen umgehen. Da wundert sich doch keiner mehr, wenn junge Menschen keine Loyalität zu einem Unternehmen aufbauen können. Der junge Kerl bedankt sich auch mehrfach bei uns, während ich mich nur schäme, was da so abläuft.
Derweil kommt einer meiner direkten Kollegen mal wieder ins Plaudern. Er war bei unserem obersten Boss, den ich ja mit jeder Faser meines Körpers hasse. Dieser erkundigt sich auch bei meinem Kollegen, wohin ich denn wechsle? Warum kann der Sackarsch nicht das Gespräch mit mir suchen, wenn es ihn doch so interessiert? Und dann berichtet mein Kollege grinsend: „Er hat dann allen Ernstes gefragt, ob Du noch was abgreifen könntest bei uns?“ Hier lacht er: „Als wären die Unterlagen der Externen auch nur eine Pfifferling wert.“ Ich weiß, es sollte mir am Heck vorbeigehen. Tut es nur leider nicht. In mir krabbelt eine Wut hoch, die ich irgendwie kontrollieren muss, sonst ziehe ich doch noch um die Ecke und kacke ihm auf die Fußmatte – zumal dieser Sackarsch ja direkt um die Ecke wohnt. Ich habe etliches in diese Firma reingetragen – Bücher, Spiele etc. Von allen Ausbildungen habe ich Sachen herangekarrt und dort eingebracht. Und da befürchtet dieses kranke Hirn, ich könnte was von den uralt-Lavendel-Kack-Unterlagen abgreifen? Ich schäume innerlich vor Wut.
Leider habe ich auch noch eine Abschlussveranstaltung zu einem Projekt einer großen Umstrukturierung, die so derbe Grütze gelaufen ist, dass sie einige Kündigungen seitens der Mitarbeitenden nach sich zog – nicht derer, die man gerne mal verliert, sondern derer, die wirklich Power hatten und was bewegen wollten. Innerlich schäumend, gehe ich dorthin und denke: Ich habe so viele tolle Menschen hier kennengelernt, aber hier in diesem Raum befinden sich gerade die ganzen Schwachmaten auf einem Haufen. Und dann wird auch schon munter losgelogen, dass sich die Balken biegen. Die Obersten klopfen sich gegenseitig auf die Schultern und beglückwünschen sich zu diesem genialen Geniestreich, der leider das genaue Gegenteil war. Eine Kollegin aus einer anderen Abteilung legt mir irgendwann die Hand aufs Bein und raunt mir zu: „Reg´ Dich nicht so auf. Ist doch schön, wenn sie es selber glauben. Du bist bald weg.“ Aber ich rege mich auf! Und wie! Als dann mein oberster Boss nach vorne geht und ein paar Worte sagt, was für eine tolle „Familie“ wir doch seien, glaube ich, fast zu ersticken. Als sie dem Plenum (oder besser gesagt Pöbel, wie mir) die Gelegenheit anbieten, nach vorne zu gehen und ein paar Worte von sich zu geben, spiele ich kurz mit dem Gedanken, dem tatsächlich nachzukommen und ihnen einfach kurzerhand vor ihre Füße zu speien. Ich tu´s nicht, denn ich weiß schon noch, was sich gehört – auch wenn diese Hampelmänner es schon lange nicht mehr wissen. Abends sind wir dann noch mal eingeladen – zum „get together“. Ich gehe hin, um mir diese Farce noch ein letztes Mal zu geben. Ich treffe auch gute Leute dort. Ein Manager sagt zu mir: „Und Du verlässt uns also?“ Aus mir wird niemals eine Diplomatin: „Nach der Lügenparade ist das kein schwerer Schritt.“ Sofort rückt er näher und wird leiser: „Ach was…so schlimm ist es doch nicht, oder?“ Ich schaue ihn an: „Glaubst Du den Scheißdreck, den sie da erzählt haben?“ Er zuckt mit den Schultern und grinst: „Ich stelle da immer auf Durchzug und mache einfach mein Ding.“ Wieso kann ich nicht so sein? Wieso kann ich nicht einfach nicht hinhören, hübsch lächeln und alles an mir abprasseln lassen? Ich versteh´ mich selbst nicht.
Erst am nächsten Tag werde ich wieder ruhiger. Es bringt nichts, mich an diesen gestörten Hirnis abzuarbeiten. Diese Welt wird nie die meine sein. Demgegenüber steht dann eine Nachricht, die ich von einem Studenten erhalte, den ich vor über einem Jahr betreuen durfte. Er schickt mir Fotos und ein Video von seinem ersten Flug, den er ganz allein vollbracht hat. Wenn seine Piloten-Ausbildung geschafft ist und er dann offiziell fliegen darf, wird er schauen, wann ich mal mitfliegen kann. Ich schätze, deshalb macht es ein Teil von mir auch: Ich lese die Arbeiten der Studis, unterstütze sie, tausche mich mit ihnen aus und höre ihnen zu, weil ich möchte, dass eine andere Kultur entsteht. Eine Kultur, in der es wieder menschlicher in Unternehmen zugeht. Eine Kultur, in der man offen seine Meinung sagen darf und es gewünscht ist, Abläufe und Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. In der es von Vorteil ist, nicht nur stromlinienförmig zu schwimmen und wie Teflon alles an sich abperlen zu lassen, was einem nicht gefällt. Darauf hoffe ich. Die nächsten Wochen werden spannend. Wenn ich kann, werde ich ein, zwei Gänge zurückschalten. Ändern werde ich an den Entscheiderstellen sicherlich nichts mehr, aber vielleicht lege ich gutes Saatgut in den Studis, mit denen ich zusammenarbeite. Schließlich sind die die Zukunft – und auch zukünftige Führungskräfte.
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