Die letzten Tage gingen fast wie im Rausch vorüber. Nachdem ich das komplette Wochenende damit beschäftigt war, elf unterschiedliche Kuchen herzustellen, blieb eigentlich keine Zeit, mir Gedanken zu machen, wie der Abschiedstag denn werden würde. So richtig planen kann man so was ja auch nicht. Ich hatte noch ein paar kleine Einzeltermine inkl. Handyabgabe, das noch wie neu aussah. Was wiederum den Servicemenschen gefreut hat, weil das wohl Seltenheitswert hat. Ich hatte alles in den Originalkarton gepackt, was ihn ebenfalls sichtlich freute. „Wenn Sie sehen würden, wie abgerotzt die von manchem Praktikanten nach zwei Monaten zurückkommen! Da kann ich die nur noch verschrotten.“ Uuups. Dabei ist das doch nur eine Leihgabe? Aber hier bewahrheitet sich wohl wieder einmal: Was nix kostet, ist auch nix wert.

Nach meinen diversen kleinen Terminen ist die Zeit dann gekommen. Eine liebe Kollegin aus Straubing ist extra erschienen und hilft mir. Und schon füllt sich die Küche. Es geht zu wie in einem Taubenschlag. Zu den Hochzeiten sind ca. 70 Leute da. Meine Chefin beginnt dann auch mit sehr, sehr zittriger Stimme eine Rede. Als Trainerin bin ich es gewohnt, exponiert vorne zu stehen. Damit bin ich fein. Aber ich mag es nicht, als Person im Mittelpunkt zu stehen und dem lauschen zu müssen, was über mich geschmettert wird. Die zittrige Stimme lenkt mich zum Glück von meinem Unwohlsein ab. Kennt Ihr die Traueranzeigen, wenn Menschen hochgelobt werden? Dazu hat Reinhard Mey mal ein Lied geschrieben. Es gehen laut Traueranzeigen immer nur die Guten. Die Blödmänner sind die, die es nie dahinrafft – wenn man sich den Inhalt mal genauer anschaut. So ähnlich ergeht es mir bei meiner Rede auch. Mei, muss ich ein feiner Mensch sein! 😀 So selbstkritisch bin ich dann schon, dass es auch manchen gibt, der sich freuen wird, mich nicht mehr zu sehen, denn ich kann schon auch echt anstrengend und penetrant sein – vor allem bei faulen Menschen. Die Rede endet, ich erhalte mein Geschenk, was nett ist, aber… ein Staubfänger. Dennoch ist viel Arbeit erkennbar, was ich als wertschätzend empfinde. Damit nicht genug, kommt danach die nächste Rede – vom Chef unserer Außenstelle im Knast. Und das muss man mal so sagen: Der kann es auch. „Könnt’s Ihr Euch vorstellen, was ich geschwitzt hab, als dieser Poltergeist zu mir in den Knast kam und meine Herren dort schulen wollte?“ Alles lacht – inklusive mir. Seine Angst sei dann aber sehr schnell verflogen, als er registrierte, dass mir (angeblich) sogar der Höchste der Russenmafia aus der Hand gefressen habe. Hat er aus meiner Sicht nicht. Er hat mich allerdings sehr respektiert, genauso wie ich ihn. Der nächste Lacher folgt: „Als ich meine Herren dann schon grinsend und winkend an den Maschinen sah, als die Lady immer wieder zu uns kam, war ich irgendwann dann doch wieder beunruhigt – aber dann war’s ja auch schon zum Glück vorbei.“ Und dann zieht er seine Kappe (in meinen alten Breitengraden besser als „Patsch“ bekannt) ab, verneigt sich vor mir und sagt: „Chapeau, meine Liebe. Du hast einfach einen geilen Job gemacht, und ich sehe den großen Verlust auf unserer Seite, weil Du gehst.“ Joa, da schluck‘ ich dann schon eher.

Ich erinnere an eine lustige Geschichte relativ zu Beginn mit einem Kollegen, sage, dass ich keine Lust hätte, eine Rede zu schwingen, ich mich allerdings für die gute, wertvolle Zusammenarbeit bedanken möchte. Immerhin hab ich ja hier die Guten um mich herum versammelt. Da kann ich das guten Gewissens und voller Überzeugung sagen. Als munter gemampft wird, lasse ich den Blick über die Anwesenden schweifen und grinse: Ich hab hier echt die Exoten und Kantigen um mich herum versammelt. Und ja, das ist tatsächlich eine Stärke von mir: Ich erkenne das Potential in den Leuten. Zweifler, Bedenkenträger, Unbequeme mag ich einfach und höre hin, was sie vorbringen. Da sind so viele richtige und wichtige Hinweise dabei, dass ich nur dankbar sein kann. Im Gegenzug schätzen sie genau das: Hinhören und nicht direkt abwinken oder Augen verdrehen. Und hat man einmal deren Loyalität, dann ist diese einem ganz und gar gewiss. Es ist ein buntes Bild, das sich mir bietet. Ich bin innerlich völlig friedlich, glücklich und zufrieden. Mit denen hier war es eine echt gute Zeit.

Nach dem Aufräumen schießen mir dann doch kurz die Tränen in die Augen. Meine engste Kollegin weint doch noch und sagt: „Ja, ich weiß, wir bleiben weiterhin befreundet, aber so eine Kollegin hatte ich noch nie.“ Und wie sie so weint, fällt es mir schwer. Die Abgabe meines Ausweises kann nur noch per Briefkasten erfolgen, weil um 16:15 Uhr bereits niemand mehr im Personalbüro zugegen ist. Klar, oder? Ich fahre heim, wo ich erst mal alle Kuchenformen auspacke. Ich schaue mir die Geschenke in Ruhe an und bin echt gerührt. Meine engeren Freunde haben mir zwei größere Brotzeitbrettl gelasert. Ein Motiv ist eine Karte von München, damit ich den Weg zurück finden kann, sollte es mich dann doch in die Ferne verschlagen. Das andere Motiv ist ein Drache, der mir richtig gut gefällt. Der Feuerdrache in mir jubiliert entsprechend laut. Dazu gesellen sich zwei kleinere Brettl, die je ein Lebensbaum ziert – starke Wurzeln, solider Stamm und eine ausladende Krone, damit ich mich gut entfalten kann. Und dann noch eine Schultüte, in der sich Sprüche befinden, die mir Mut zusprechen sollen, wenn ich dann doch mal zweifeln sollte. Ach man, die sind schon süß. Ein anderer aus unserer Vierergruppe wird aus meiner Sicht auch nicht mehr allzu lange in dieser Firma ausharren.

Ich hocke auf meinem Sofa und horche in mich rein. Ein wenig besorgt bin ich schon, ob mir Zweifel kommen könnten, ich alles infrage stellen würde und Panik in mir hochkäme. Doch da ist nichts. So hab ich mich damals gefühlt, als ich nach Aachen gezogen bin und mir sicher war, ich würde den Schritt bereuen – so war es mir schließlich prophezeit worden. Da hab ich auch in meiner Wohnung gehockt und auf niedergeschlagene Tage gewartet, die nie kamen. Das ist echt so ein Phänomen: Habe ich einmal eine Entscheidung getroffen, dann lebe ich mit dieser bzw. freue mich auf das, was kommt. Nicht ganz ohne Ehrfurcht vor allem, aber eben ohne Zweifel, dass der Schritt der falsche gewesen sein könnte. Ja, es kann sein, dass der neue Job nicht der richtige sein wird. Ja, es kann sein, dass der erste Schein getrogen hat. Aber dann kann ich immer wieder weiterziehen und muss nicht in der Unzufriedenheit verharren.

Gestern war ich dann mit meiner engsten Kollegin und mittlerweile Freundin zur Brautdirndl-Anprobe bzw. bei der Änderungsschneiderei. Und da unterhalten wir uns dann schon auch über die vielen Paare, die wir kennen, bei denen sich so häufig mindestens einer arrangiert. Das finde ich einfach nur schrecklich. Versteht mich nicht falsch: Kompromisse sind echt gut. Nur darf man sich nicht vollständig aufgeben und alles verdrehen müssen, wofür man steht. Das kann doch auch kein*e Partner*in der Welt wirklich begrüßen? Im Job ist es ähnlich: Ich kann doch nicht jahrelang meinen Job verabscheuen und trotzdem jeden Morgen hingehen? Das macht auf Dauer aus meiner Sicht krank. Und doch kenne ich etliche, die so sind. Weit mehr sogar, als ich zufriedene Menschen in ihrem Job kenne. Das finde ich erschreckend. Daher bin ich dann doch ein bisschen stolz auf mich, den Schritt zu wagen und mich – mal wieder – neu zu erfinden. Wenn’s nicht belohnt wird, hab ich einfach jede Menge neue Erkenntnisse für mich gewonnen. Und das zählt doch unterm Strich, oder?

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