Mein Urlaub startet. Nur komme ich irgendwie nicht in Urlaubsstimmung. Ich sandl (trödel) so durch die Tage, erledige noch ein paar Dinge, aber alles ist wenig aufregend. Und ja, nach dem Stress zu Jahresbeginn ist das auch ganz gut so. Ich habe demnach nichts dagegen. Vorher habe ich noch diverse Treffen mit den unterschiedlichsten Leuten und schaue mir sogar noch das FabLab an. Fragt mich nicht, ich bin nicht kundig genug, das vernünftig zu erklären. Eine Ansammlung von Nerds, die lasern und Maschinen programmieren, um Unsinniges (und daher um so coolere Sachen) herzustellen. Der Knaller ist ein Herr, der zu seinem echt witzigen Flamingo-Hemd ein Namenslaufband auf der Brust angepappt hat. So was finde ich einfach lustig. Ein Freund versucht auch echt, mir das Ganze anschaulich zu erklären – allein, ich wünschte, ich hätte Zugang dazu. Es sind für mich böhmische Dörfer. Aber ich erkenne das Funkeln in den Augen und die Begeisterung, mit der sie hier alle bei der Sache sind. Und genau das gefällt mir. Trotzdem verstehe ich mal so gar nichts, bin aber auch nahezu ausschließlich von Doktor-Informatikern umgeben. Da komme ich mir sehr einfach und dumm neben vor. Ich weiß, jeder hat so seine Talente, nur fehlt mir leider alles technische Verständnis. Alles geht wohl nicht.
Die Nacht schlafe ich nahezu gar nicht. Es ist keine Aufregung vor dem Urlaub, sondern schlichtweg die Sorge, die Wecker (richtig, Mehrzahl) überhören zu können. Dabei ist das seit der Schulzeit nie mehr passiert. Meine S-Bahn geht um 5:23 Uhr – so sie denn geht. An der Stammstrecke sind mal wieder (oder vielmehr immer noch) Arbeiten zu verrichten, weshalb die letzten Wochenenden immer S-Bahnchaos war und ist. Geduscht und gerüstet trabe ich los und hab noch einen Freund im Ohr: „Die S-Bahn ist ja immer der Kackfaktor in der Gleichung. Wenn die geht, ist alles gut. Wenn nicht, ist nur Panik angesagt.“ Doofi… aber es stimmt. Doch sie geht – samt frisch Erbrochenem von Mäckes im letzten Abteil, weshalb ich dann doch weiter vorgehe. Der Wechsel der Bahnen funktioniert dann auch noch reibungslos. Und so gelingt es mir, etwas in den Entspannungsmodus zu wechseln.
Wie sagt eine Frau neben mir so treffend am Flughafen: „Was war das schön vor Corona. Da gab es noch normale Schalter – mit echten Menschen und so.“ Stimmt. Jeder muss nun an einen Automaten, um sich dort einzuchecken, was ich Gottseidank schon online gemacht hab. Dann muss man zum Kofferbandautomaten und sein Ticket dort einscannen, damit ein Kofferaufkleber ausgedruckt wird, den dann jeder auch selbständig anbringen muss. Danach geht der Koffer aufs Band, wo dann der Aufkleber gescannt wird, ein Etikett ausgedruckt wird und der Koffer verschwindet. Ich hoffe, er geht auf dieselbe Reise wie ich. Da denke ich mir dann schon, wie überfordernd das für ältere Menschen sein muss? Einfach ist was anderes. Aber die Bahn macht es ja ähnlich kompliziert.
Da ich ja immer genügend Puffer einbaue (ich bin soooo typisch deutsch), bleiben mir nach dem ganzen Procedere noch gute zwei Stunden bis zum Abflug. Also trinke ich einen überteuerten Kaffee und schnabuliere eine Butterbrezn, die schon um die frühe Uhrzeit lätschert ist. So bepackt, hocke ich mich an einen Hochtisch und lausche unfreiwillig dem angeregten Gespräch des Radiologen, der in Schweden tätig ist. Aus jeder Pore kriecht ein „Mimimi“. Sein Kumpel daneben erklärt es treffend: „Du bist eben Chefarzt. Ich hab mich gegen Personalführung entschieden. Gut, mein Gehalt ist deutlich geringer, aber dafür liebe ich meinen Job immer noch.“ Ob es bei dem Chefarzt nur an der Personalführung liegt? Kennt Ihr die Leute, die schon aussehen, wie das Leiden Christi? Die die Gewitterwolke festhalten und ständig mit sich mitziehen? So einer ist das. Und dann startet er auch schon seinen Vortrag über Mammographie. Es gäbe da auch eine Artifical Intelligence, die bessere Ergebnisse erzeuge als die Befundung der Menschen. Soweit, so genial. Nur… und hier entsteht eine dramatische Pause… die sein Kumpel auch nutzt, um nachzufragen. Naja, zunächst einmal seien die Schweden genauso vorsichtig wie die Deutschen und misstrauisch gegenüber künstlicher Intelligenz. Aber vielleicht entscheidender: Es gebe ja die unterschiedlichsten Brüste. Ach was! Sein Vergleich ist ganz putzig: ‚Es ist, wie mit den Wolken am Himmel. Durch manche hindurch kannst Du den Mond in der Nacht noch erkennen.. Andere sind so dicht, dass da nichts zu erahnen ist. Da kombiniert die Software nicht, der Mensch schon.“ Das finde ich in der Tat interessant. Allerdings glaube ich, den Mond durch keine Brust der Welt sehen zu können, aber gut. Er macht weiter: „Es gibt kleine Brüste mit wenig Brustgewebe. Und dann gibt es große Brüste mit viel Brustgewebe.“ Ich schaue bewusst NICHT demonstrativ an mir nach unten und sage: „So!“ Brauche ich auch nicht, denn sein Kumpel grinst auch so, während der gute Chefarzt um sich herum ohnehin nichts wahrnimmt. Das ist das Verlässliche bei vielen Chefärzten: Sie kreisen munter um sich selbst. Er schwadroniert weiter, wie belastend sein Leben sei, wie gar nicht mal so einfach die Begriffe rund um die Brust auf schwedisch zu erlernen waren und wie ätzend die Neuen seien. Ich hab Urlaub und will kein Gejammer hören! Und so packe ich meinen Kram und höre mir ein lachendes „Tschüss“ von dem anderen an, von dem sich meine undurchsichtigen Möpse und ich uns verabschieden, und ziehe meiner Wege.
Der Flieger startet mit 45 Minuten Verspätung – wohl wegen einer neu getesteten Software am Münchner Flughafen. Ich sagte doch: Technik ist nicht meins, doch sie verfolgt uns alle hartnäckig. Ich hoffe nur, diese Software ist fähig, durch Wolken zu schauen. Sonst wäre das blöd beim Fliegen. Die Frau neben mir ist reichlich aufgeregt. Ihr Mann beschäftigt sich derweil mit dem Tablet, weshalb sie immer mal wieder in meine Richtung funkt. Fliegen sei ja nicht ihres. Sie sei lieber in Südtirol unterwegs. Aber im März sei es da noch nicht so schön wie auf den Kanaren. Wäre nur nicht der laaaaange Flug. Lang? Flieg mal nach Thailand, Püppi. Wir sind keine vier Stunden unterwegs. Als der Flieger landet, ist sie richtig angespannt und ich einmal mehr froh, dass mir das so gar nichts ausmacht. „Und bleiben Sie im Süden oder fahren Sie in den Norden?“ Watt weiß ich??? „Ääääh… Ich glaube, ich bleibe hier. Dienstag geht es eh aufs Schiff.“ Ach soooo…. große Augen. Ja dann! Als ich später im Bus sitze und registriere, dass ich dennoch in den Norden der Insel fahre, denke ich mir mal wieder, dass ein bisschen Vorbereitung garantiert nicht geschadet hätte. Andererseits bleiben mir so viel mehr Überraschungen. Wer weiß, was also noch kommt… und welche Gespräche ich – freiwillig oder unfreiwillig – belauschen werde.
Kommentar verfassen