Et isset nich. Also zumindest nicht für mich. Am ersten Abend bin ich schon kurz davor, komplett auszurasten. Einen Sitzplatz zu ergattern, ist alles Mögliche – nur nicht leicht. Gefühlt geht hier jeder nach dem Prinzip „me first“. Als ich eine Kellnerin frage, wo ich mich setzen dürfe, verweist sie an einen Vierertisch. Da will auch ein Pärchen hin, was ja kein Problem ist. Sie schlägt diesen Kleinmädchenton an, den ich so hasse und sagt mit Augenklimperklimper: „Wir wollen eigentlich nur zu zweit hier essen.“ Am liebsten würde ich der dummen Kuh sagen: „DANN LASST ES EUCH AUFS ZIMMER BRINGEN!!!“ Denn hier ist man nicht allein. Hier sind über 6.000 Leute an Bord. Ich schaue sie nur kurz an und schnappe: „Schönen Abend!“, verkneife mir allerdings das „Miststück“. Es ist einfach nur voll. Aber gut, wer das mag, ist hier hervorragend aufgehoben. Man braucht kräftige Ellenbogen, eine fette Portion Egoismus und eine Prise Ignoranz. Dann läuft’s. Ich bin müde, hungrig und werde langsam grantig. Das geht jetzt bei mir nicht sooooo schnell, aber die schaffen es hier. Gisela flötet mir irgendwann hinterher und ich frage mich: Echt jetzt? Bei über 6.000 Leuten, diversen Restaurants, 17 beknackten Etagen??? Da findet die mich??? Aber es ist leider, leider kein Platz an ihrem Tisch frei. Sie will schon am Nachbartisch nachfragen, ob die Platz machen können, als ich tief Luft hole und sage: „Ich bin schon groß! Ich kann das schon allein!“ Kurz stutzt sie und sagt: „Ja, Du bist sogar ein gutes Stück größer als ich.“ Nein, ich hau mir die flache Hand nicht vor die Stirn. So was nennt sich Körperbeherrschung. Sie fragt mich völlig begeistert, wie ich es denn finde? Ich kann nicht anders: „Zum Kotzen.“ Sie mimt die Verständnisvolle. Der Anfang wäre schon krass, wenn man das zum ersten Mal erlebe, aber das gebe sich. Dann würde es toll. Das ist so ein Phänomen wie mit Bier. Wenn Leute mir sagen, die ersten drei bis vier Gläser würden nicht schmecken, aber danach dann schon. Hääää? Das ist eine Logik, die mir nicht liegt. 

Irgendwann finde ich ein Plätzchen, esse eine Kleinigkeit, weil ich Angst habe, mir kommt sonst die Galle hoch. Auf dem Weg raus frage ich noch einen Servicemenschen, ob ich denn eigentlich einen Teller mit aufs Zimmer nehmen könne? Nee, das ginge nicht. Na, gehen tut’s schon, nur erlaubt ist es wohl nicht. Der Herr ist aber sehr freundlich und bietet an, dass ich doch in einer Stunde wiederkommen könne. Ich raune ihm zu: „Nee, danke. Ich habe jetzt schon den Papp auf.“ Er nickt: „Ja, heute ist es echt wieder heftig. Kommen Sie ab morgen später, ok? Dann klappt das auch.“ Und so mache ich das dann am nächsten Tag. Morgens bin ich um 8 Uhr am Tisch, während das Gros um 9 Uhr frühstückt. Abends gehe ich um 20 Uhr essen, und es ist etwas besser. Nicht richtig entspannt, aber besser. Mittags stapfe ich zum Reiseschalter, nachdem der Hafen von Fuerteventura eine Enttäuschung für mich ist. Ich gucke dem jungen Herrn tief in die Augen und raune: „Ich muss für morgen was buchen, sonst zünde ich was an.“ Er nickt grinsend, die Urlauberin neben mir lacht sich schlapp: „Schiffskoller?“ Es sind eher die Menschen als das Schiff. Mir wird von meinem Reiseberater bestätigt, dass dieses Schiff einen wirklich erschlage. Er selbst sei seit fünf Tagen erst dabei und fühle sich auch immer noch überfordert. Ich solle unbedingt mal ein kleineres Kreuzfahrtschiff ausprobieren. Ich glaub’s eher nicht, jemals so was noch mal zu buchen. Aaaaber immerhin bucht er mir was für Lanzarote. Als ich den Hafen am nächsten Morgen erblicke, bin ich erleichtert, was gebucht zu haben. Denn toll sieht einfach anders aus. 

Eins muss man dem Personal hier lassen: Sie sind allesamt sehr freundlich und zuvorkommend. Und ich lasse auch jeden Kreuzfahrtjünger gerne weiterhin bei seinem Mantra: „Einmal AIDA, immer AIDA.“ Es trifft nur nicht meinen Geschmack, ausschließlich unter Deutschen zu sein, wenn ich im Ausland Urlaub mache. Kann allerdings jeder gerne anders sehen. 

Die Tour startet heute um 8:45 Uhr. Man soll am besten 15 Minuten vorher da sein, damit alles reibungslos funktioniert. Ein Mann steht am Rand und spricht in sein Handy: „Scheiße, Scheiße, Scheiße… oh man, es tut mir soooo leid, Scheiße, Scheiße, Scheiße, Dein gestriger Geburtstag ist voll untergegangen. Scheiße!“ Ich drehe mich um und spreche ebenfalls in sein Handy: „Er meint es echt ernst und sieht zerknirscht aus und hat soooo oft laut Scheiße gesagt. Verzeih ihm bitte!“ Er lacht… und ist später unser Guide. Ach ja, bei etlichen Bussen vor dem Schiff bin ich einfach sehr treffsicher. Das passt mal wieder. Zunächst geht alles geregelt vonstatten, bis eine recht herrische und vor allem laute Dame zum Bus marschiert kommt. Sie und ihre Freundinnen hätten noch nicht gebucht, wollten aber mit. Das ginge doch wohl, oder?! Bei so einer Art der Frage, wäre meine Antwort ein klares NÖ, aber die sind ja nett und zuvorkommend hier. Ja, das würde gehen. Es wären allerdings nur noch sechs Minuten bis zur Abfahrt. Da zückt ihre Kumpanin ihr Handy und ruft über Lautsprecher ihre Freundinnen an: „Gschwind, in sechs Minute fahret ma ab.“ Wieso muss der ganze Bus mithören, was Gerda antwortet? Man weiß es nicht. Es dauert auch nur ganze zwölf Minuten, bis die beiden anderen Weiber kommen. Ich atme das weg, was dem Mädel hinter mir nicht so recht gelingen will. Puh… solche Menschen mag ich ja so richtig. Laut und dreist ist eine gute Kombi.Wir hören einiges über Land und Leute, Berühmtheiten usw., bis wir dann in Orsola auf die Fähre können. Damit ich die gackernden Hühner nicht länger ertragen muss, packe ich mir die Knöpfe auf die Ohren und dreh die Musik lauter. Bei richtig fettem Wellengang erklingt plötzlich „Straight to hell“ von Rage. Ich grinse übers ganze Gesicht. Der Meeres- und Musikgott ist ein und dieselbe Person, ganz sicher. 

Der Ausflug ist dann ganz ok. Kein Brüller, obwohl wir die achte und kleinste Kanareninsel „La Graciosa“ besuchen. Ich sehe diverse völlig nackte Menschen an einem Strand, während ich mir schon trotz Klamotten halb die Zwiebel abfriere, aber gut. Es war ein ganz unterhaltsamer Tag – vor allem wohl wegen Vicky, die im Bus neben mir sitzen musste. Manche Menschen sind dann doch ganz nett hier… und trotzdem genieße ich die Zeit mit mir allein gerade am meisten. Ich glaube, ich werde schwierig. Wehe, ich erfahre, dass gerade einer bei dem Satz gelacht und gedacht hat: „Werde? Ist die doch schon immer!“ Der Pott fährt wieder los. Also: Gute Reise!

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