Heute steht die systemische Therapie auf unserer Speisekarte. Mannomann, da kann ich deutlich erkennen, wie das den einen oder anderen triggert. Wirklich aufgewühlt bin ich nicht – und muss auch nicht auf die Barrikaden gehen, wie manch einer das wohl so tut. Aber ich ertappe mich und „mein“ Familiensystem in vielen Aspekten. Und ein bisschen Arbeit daran würde mir garantiert mehr Frieden bringen. Dabei habe ich das immer abgelehnt. Oft habe ich einfach gesagt: „Das Fass mache ich nicht auch noch auf.“ Es reicht mir, mich da bestmöglich zu schützen bzw. mich einfach zu entziehen. Und doch sind die Systeme, in denen wir leben, ganz schön stark.

Und dann gibt es plötzlich doch den einen Trigger. Die Psychologin berichtet von Pärchen, in denen Gewalt vorkommt. Die Rollenverteilung ist uns allen klar: Einer ist stark/ dominant/ aggressiv, der andere Part ist das Opfer. Und die Haltung der Dozentin? Welchen Anteil hat das vermeintliche Opfer? Wow. Aus ihrer Sicht ist es so, dass zwar in dem Moment, in dem jemand schlägt, er derjenige ist, der die Macht hat. Sowie diese Situation aber vorüber ist, übernimmt der vermeintlich Schwache die Macht. Puh, das finde ich krass. Und so habe ich das nie gesehen. Es heißt, sowie nur eine Kleinigkeit in einem System in Bewegung gerät, kommt das gesamte System in Bewegung. Quasi wie bei einem Mobilé. Und nein, das merkt man nicht immer sofort. Das System tut natürlich auch alles dafür, stabil zu bleiben. Jede Änderung wird als Störung empfunden. Das kann ich nachvollziehen.

Es geht viel um die eigene Haltung als Therapeut. Wir haben immer wieder klare Annahmen im Kopf. Ich ertappe mich dabei, dass es mir genauso geht. Dabei habe ich schon an einigen Stellen meine Haltung verändert. Vieles kann ich so hinnehmen. Natürlich rege ich mich auch über einen Heinz auf. Aber da bin ich Teil des Systems. Wenn ich in dem Fall Therapeut wäre, wäre meine Haltung auch eine andere – unvoreingenommen. Doch genau in der geschilderten Situation – also schlagender Mann, geschlagene Frau – fällt mir das schwer, die neutrale Haltung einzunehmen. Und dann kommentiert noch jemand eher amüsiert: „Na, es braucht eben einen, der schlägt und einen, der sich schlagen lässt.“ Au. Das tut weh. Ich bin nicht geschlagen worden, nur geschubst. Ich weiß, wie es ist, wenn ein Mann mit erhobener Hand vor einem steht und sagt: „Mach noch einmal Dein dämliches Maul auf, und ich hau Dir so dermaßen eine in die Schnauze.“ Ich kenne dieses lähmende Gefühl, die Scham und die Verzweiflung, nicht zu wissen, wohin man gehen soll. Und da suche ich in meiner Erinnerung nach dem Moment der Macht… und finde sie nicht. Vermutlich läuft das auch nicht auf der bewussten Ebene ab. Aber vielleicht ist was dran? Es wird noch ein Weilchen in mir arbeiten, auch wenn die Erinnerung nicht mehr wirklich weh tut. Aber es hat mich nachhaltig verändert…

Meine Familie schlägt dann – eher als vermutet – bei mir auf. Und damit kehrt dann auch die Leichtigkeit wieder bei mir ein. Schon interessant, wie sich etwas verändern kann, wenn sich der Blickwinkel darauf verschiebt. Und jeden Tag aufs Neue kann ich ihn neu ausrichten. Das ist doch ein verdammt tröstlicher Gedanke, oder? In diesem Sinne wünsche ich Euch leichte Träume.

2 Kommentare

  1. hm….interessante Fragestellung, bzw. Tatsache offensichtlich.
    Ich denke die Macht des Geschlagenen fängt an, wenn die Reue des Schlagenden einsetzt. Die Schubserei und verbale Deformierung habe ich auch erlebt. Und Dein Kollege hat vollkommen recht. Es braucht einen, der sich schlagen lässt. In meinem Fall hat ein Schubser gereicht, um sofort das Weite zu suchen (nachdem ich noch ein klitzekleines bisschen im Haus randaliert habe, als er nicht da war 😉
    Diejenigen, die das über lange Zeiträume mit sich machen lassen, die verstehe ich nicht. Die Lähmung von der Du da schreibst hat mich nicht erfasst. Nur ungeheure Wut und Traurigkeit.

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    1. Hmm, ich glaube nicht, dass es so einfach ist. Das ist ein schleichender Prozess. Und jeder muss da seinen Weg finden. Es ist traurig, wie manche sich gegenseitig das Leben schwer machen (müssen).

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