Die Hoffnung war, gut zu schlafen. Die Realität war leider eine andere. Mei, da kann man nix machen. Also wälze ich mich munter durchs Bett – von links nach rechts und zurück. Trotzdem geht’s einigermaßen gut raus. Frisch geduscht und endlich wieder guter Laune fahre ich zum Knast. Ich bin schon vogelwild, ich weiß. Am Tor erfahre ich dann, dass „des scho noch a Zeit dauert.“ Ich frage, ob ich noch mal ins Auto steigen soll? „Bessa daads scho sei.“ Gott, wie liebe ich die hier! Ich teile noch mit, gegenüber geparkt zu haben, was mit einem: „Is scho recht“ quittiert wird. Dann lese ich eben noch ein Ründchen. Mein persönliches Schätzchen misst später wieder meine Temperatur. Ich sag ihm: „Das machen Sie schon echt gern, was?“ Er grinst unter seiner Maske: „Neet bei oin…oba bei Erna scho.“ Ich denke noch, er witzelt nur rum, erblicke dann aber den Mann nach mir. Oooooh ja, ganz eindeutig hat er mit mir mehr Spaß. Die meisten Inhaftierten sind sauberer als dieser Typ da. Da schüttelt’s mich schon.

Einer von den netten Wärtern holt mich ab. Ich mag ihn, aber er ist auch noch jung und unverbraucht. Zaghaft frage ich dann: „Äääääh, die Kamera da unten… funktioniert die mittlerweile wieder?“ Er zieht die Augenbrauen hoch: „Ääääääh…net wirklich.“ Ich frage nach, wieso sie sich da nicht drum kümmern? Es sei doch in ihrem Interesse, das zu regeln?! Er zuckt nur mit den Schultern. Oh man. Das wird ein Spaß. Die Luft hier unten steht. Die Hitze draußen ist zwar nicht mehr da, aber das hat sich nicht zum Kellerraum rumgesprochen. Es ist eklig. Dazu haben die Inhaftierten noch aufgeheiztere Zellen, weshalb sie miserabel geschlafen haben. Ich blicke in verdammt müde Augen. Sie sind lieb und nett – aber keine Überflieger. Einer ist ein Komiker. Ein Iraner, der nur Blödsinn im Kopf hat und sagt, er sei erst sechs Monate im Bau. Das Gelächter der anderen lässt darauf schließen, dass dies Schwachsinn ist. Aber er ist lustig. Da passt’s. Das Spiel ist in der Tat zu anspruchsvoll für einige, weshalb ich ein paar Komponenten unter den Tisch fallen lasse. Besser ist es, denn die Frustrationstoleranz liegt im einstelligen Bereich. Der 60-jährige Iraner, der behauptet, schlecht deutsch zu sprechen (er kann es gut!), sagt mit erhobenem Zeigefinger: „Einen jungen Baum können Sie biegen. Ein alter bricht nur. Dieser alte Baum ist 60. Ich lerne nix mehr.“ Und dabei grinst er.

In der Pause spreche ich mit dem obersten Chef unserer Außenstelle hier. Zögerlich, aber es muss ja sein, erzähle ich von der defekten Kamera. Er ist entsprechend angepisst, davon nichts zu wissen. Ihn regen die Beamtenmentalität und die mangelnde Verantwortungsbereitschaft genauso auf wie mich. Ich muss zum Glück die Schulung nicht abbrechen, aber er wird sich drum kümmern. Na, das ist doch prima. Wir reden immer offen, daher berichte ich ihm auch von meinem derzeitigen Frust. Und ich erwähne auch, dass ich es schade finde, hier in zwei, drei Monaten durch zu sein. Doch er winkt ab. Er plant mich länger ein, wird mich für weitere Aktionen buchen und macht mich damit seeehr glücklich. Er weiß genau, wie gern ich hier bin. „Und Angst hab ich auch keine, wie Du weißt. Meine große, blonde, schlanke, junge Kollegin, die wäre hier eher ein Objekt der Begierde, aber ich bin hier sicher.“ Er lacht und kontert trocken: „Du kennst die Männer schlecht. Nicht jeder steht auf blond. Aber davon abgesehen: Diese Männer hatten seit Jahren keinen Sex mehr mit irgendeiner Frau. Mach Dir keine Illusionen, wen die diese Nacht im Kopf haben.“ Waaaaaaaaaas? Das will ich nicht hören. Blumenwiese, Blumenwiese!!! Mir gefällt meine Vorstellung viel besser. Und die behalte ich bei. Basta!

Aus der Pause zurück, erfahre ich dann erstmal, wofür BRD denn damals tatsächlich stand: Bayern und der Rest Deutschlands. Is klar, oder? Das gibt’s auch nur in Bayern. Die finden sich nicht einfach nur geil, sondern endgeil. Das musste erstmal nachmachen. Aber ich kann mich darüber bestens amüsieren.

Ich habe den Vormittag von Optimierung geredet und dabei auch auf manche Tattoos verwiesen, was ja auch einer Art Optimierung entspricht. Einer passt mich ab und bietet mir großzügig an: „Wenn Sie mal ein Tattoo wollen, sagen Sie ruhig Bescheid. Ich bin da richtig gut drin.“ Ich winke lächelnd ab: „Danke, ich hab bereits zwei. Mehr muss nicht sein.“ Aufs Tätowieren steht hier Strafe. Dafür müssen sie in den Bunker. Das ist ihnen nicht egal, sondern scheißegal. Und irgendwie haben sie ja recht: Sitzen tun sie sowieso. Diese Tattoos haben auch echt wenig gemein mit denen, die man unter Knast-Tattoos kannte. Trotzdem würde ich so ein Angebot nie annehmen. Aber auch süß, dass er mir das anbietet.

Die Gruppe heute ist wirklich extrem langsam. Den Grund erfahre ich dann auch irgenwann: Die meisten von ihnen sind in der Substitution. Jahrelanger Drogenmissbrauch hinterlässt leider seine Spuren. In einer Pause erfahre ich dann spontan, dass die Schulung morgen so nicht stattfinden kann. Es muss alles übern Haufen geworfen werden. Und so ziehe ich die Schulung (Teil 2) von übermorgen auf morgen vor und tausche eben inhaltlich komplett. Das wäre bei 90 Prozent meiner Kollegen nicht machbar. In solchen Momenten freue ich mich schon sehr, so flexibel zu sein. Aber es macht schon viel Arbeit aus – zumal ich mich ganz streng an die Zeit halten muss. Entschädigt werde ich hier aber immer zuhauf: Ein Teilnehmer vom Dezember zwinkert und winkt mir zu. Einer der knurrigen Russen kommt auf mich zu, grüßt und sagt: „Sie sehen heute aber besonders gut aus!“ Klar, verschwitzt und unausgeschlafen, aber ich quittiere es dennoch mit einem Lachen.

Wie sagt der oberste Chef der Außenstelle so schön: „Die geben einem so viel zurück. Eigentlich krank, aber ich sehe es wie Du: Die Jungs sind ehrlicher und authentischer als die ganzen Menschen sonst so in der Firma.“ Genauso. Schon krass. Es stimmt nicht ganz. Es gibt auch in München viele Gute, aber je höher die Position ist, desto schlimmer wird das mit der Unaufrichtigkeit. Ach, ich genieße einfach die nächsten beiden Tage.

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