Heute Morgen nicke ich noch mal kurz weg, weshalb ich zwanzig Minuten später aufstehe. Gibt Schlimmeres. Aber kennt Ihr das? Ihr wacht auf und erschreckt Euch total, weshalb es ein bisschen eirig über Tag läuft. Ganz so arg ist es nicht, aber so voll auf Spur fühle ich mich nicht.
Plötzlich ruft mich einer der Herren von gestern an, was mich völlig umhaut. Er ist total kleinlaut, was so gar nicht zu ihm passt. Er bedankt sich überschwänglich dafür, dass ich mir Zeit für ihn nehme. Äääh, das macht mich noch neugieriger. Er möchte noch mal mit mir über gestern reden. So könnten sie nicht weitermachen. Er räumt ein, am Montag völlig dagegengehalten zu haben und gestern tatsächlich auf das „Hab´ ich Euch doch gesagt“ gewartet zu haben. Da lag ich mit meinem Gefühl ja goldrichtig. Ich erkläre ihm, wie wenig zielführend das doch sei. Eine Erkenntnis, die sie selbst gewonnen hätten, müsste ich ihnen doch nicht mehr um die Ohren hauen. Wir haben hier die Problematik, die wir von Anfang an hatten: Im Grunde kann nur einer verantwortlich sein. Die Jungs machen das aber mal eben zu zweit – und sind sich, oh Wunder, dann nicht in allem einig. Komisch, habe ich noch niiiiiiie gehört. Er ist auch quasi „nur“ ein Berater im Hintergrund, was ihm eigentlich auch klar ist. Irgendwann sagt er dann: „Ich muss loslassen, gell?“ Ich stelle mir vor, ich rede mit einem Papa, der bemerkt, wie seine Tochter flügge wird. Krass, wie er das im beruflichen Kontext ähnlich empfindet. Das macht ihn mir noch sympathischer. Die beiden Jungs sind nicht so einfach im Umgang, aber genau solche Charaktere mag ich ja.
Dann muss ich aber zu meiner heutigen Tagesveranstaltung – ganze sieben Stunden Online-Veranstaltung. So was ist in Präsenz immer schon anstrengend, aber online ist es etwas völlig anderes – nämlich noch ermüdender. Dazu ist die Trainerin…laaaaaaangsaaaaaaam. Aber Scharping kann ich da nicht heranziehen, weil er ein Mann ist. Die Verantwortliche appt mich parallel an und fragt mich, ob nur sie ungeduldig sei oder ob unsere Kollegin echt träge und langsam unterwegs sei? Das Langsame ist das Eine. In jedem Satz kommt aber zum Ende auch noch ein „genau“ als Selbstbestätigung angehängt obendrauf. Puh. Ich entwickel´ eine Spontan-Narkolepsie, befürchte ich. Aber die andere Kollegin regt sich ohne Ende auf, weshalb ich versuche, sie etwas runterzukochen. Ich schlage ihr Atemübungen vor, denn sie sitzt ja bei sich Zuhause und kann mich nicht hauen oder mit etwas Geworfenem treffen. Und dann springt´s mich an – urplötzlich. Das ist Morla! Ich treffe also wirklich und echt die weise, alte Schildkröte aus der „unendlichen Geschichte“! Ja, wo gibt´s denn so was? Diese Wahnsinnserkenntnis teile ich mit meiner aufgebrachten Kollegin. Und die? Die kennt Morla nicht einmal! Alter, bin ich alt. Dabei ist sie gerade mal 13 Jahre jünger. Hallo? „Die unendliche Geschichte“ ist zeitlos! Aber gut, ich schau´ das rasch bei YouTube nach und finde natürlich einen Ausschnitt, den ich ihr schicke. Ein Hoch aufs Internet. Meine Kollegin lacht. Gut, dann ärgert sie sich wenigstens auch nicht mehr. Und so plätschert der Tag langsam vor sich hin. Morla schafft´s halt in ihrem Tempo. Das nennt man heutzutage wohl Entschleunigung.
Da ich ein paar Minuten zu früh zum Einstieg zugeschaltet bin, unterhalte ich mich mit meiner Kollegin. Diese fragt noch nach, ob wir schon unsere Abrechnungen erhalten hätten? Das ist echt clever: Wir sollen ja von Zuhause aus arbeiten, wenn es nur irgendmöglich sei – so die allgemeine Parole, die vom Unternehmen ausgerufen wurde. Die Lohnabrechnungen legt man uns aber logischerweise in unsere Postfächer. Wann ich diese wiedersehe? Naja…vielleicht dann doch mal im April. Da fragt man sich schon, ob da auch nur einer über eine Hirnzelle verfügt? Nun ist es für die Kollegin aber noch blöder, da sie unbedingt ihren Lohnsteuerjahresausgleich machen möchte. Ich bin da entspannt und denke mir, dafür habe ich ja noch ein paar Monate Zeit. Wir scherzen noch rum, ob sie die Steuerrückzahlung für ihre Hochzeit im Sommer bräuchte? Sie steigt direkt drauf ein: Klar! Sie wolle davon ihr Kleid schießen…mindestens! Also biete ich großzügig an, mich in eine leergefegte Fußgängerzone zu setzen und laut zu singen. Also, laut und schief. Es laufe zwar niemand mehr da wegen eines möglichen Einkaufs rum, aber die Anwohner würden garantiert vor lauter Ohrenschmerzen die Fenster aufreißen und Kohle rauswerfen, damit ich abhaue. Ich finde die Idee sehr geschäftstüchtig. Aber was dann passiert, ist so klar: Wenn ich mal eine gute Idee habe, dann kommt jemand anderes und will einsteigen. Was soll ich sagen? Es schwankt noch, ob wir nun zu zweit oder zu dritt diese tolle Geschäftsidee umsetzen sollen. Das Doofe dabei: Die beiden Kerle, die da mitmachen wollen, erwarten natürlich eine finanzielle Beteiligung. Ist das kein gieriges Pack? Heute kriegste nix mehr geschenkt. Ich bin desillusioniert. Gut, dafür habe ich Morla kennengelernt. Immerhin etwas. Alles geht einfach nicht.
Zum munteren Abschied ziehe ich mir nun noch zwei Stunden Schulung rein. Ich hatte ja heute noch nicht genug. Es fällt mir doch recht schwer, mich jetzt noch zu konzentrieren, weshalb ich hier munter schreibe. Das geht eigenartigerweise besser. Aber nun sag´ ich mal lieber: Schönen Abend Euch, denn ich versuche jetzt zumindest mal, aufmerksamer zuzuhören.
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